Den Leseraum, der von jeder Zweigkirche Christi, Wissenschafter, unterhalten wird, können wir niemals nur als einen Ort betrachten, wo christlich-wissenschaftliche Literatur verliehen und verkauft wird. Wir wissen, daß er viel mehr als das ist. Er ist eine der in unserem Handbuch Der Mutterkirche von Mary Baker Eddy liebevoll festgelegten Einrichtungen der Kirche, die der Öffentlichkeit zu Diensten stehen. Der Leseraum ist nicht von der Kirche getrennt, er ist einer ihrer wesentlichen Bestandteile; Leseraum und Kirche sind im Grunde ein und dasselbe, nämlich die äußere Kundwerdung der geistigen Idee „Kirche“ Siehe Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy, 583:16–17..
Wir wissen außerdem, daß es nicht darauf ankommt, wie gut sich unsere Zweigkirche finanziell stellt oder wie vorteilhaft die Lage des Leseraums ist. Wenn wir unseren Mitmenschen nicht die Hand entgegenstrecken und alle als Brüder und geliebte Kinder umschließen, wenn wir nicht beten „wir sind nun Gottes Kinder“ 1. Joh. 3:2., dann ist die Lage in der Stadt unbedeutend. Dieser gebeterfüllte Dienst an den Mitmenschen, den der Leseraum symbolisiert, ist das einzige, was von Bedeutung ist, und wenn unser Leseraum nicht auf diese Weise in uns aktiv ist, ist er tot.
Ein Leseraum, der nicht geistig geschätzt wird und daher nicht vorbereitet ist, könnte man mit einem Geschäft vergleichen, auf dessen Aushängeschild „Kostenlose Lebensmittel“ zu lesen ist, wo der Interessierte aber, wenn er eintritt, lediglich einen Vortrag über Lebensmittel zu hören bekommt. Paulus sagte in seinem Brief an die Korinther: „Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“ 2. Kor. 3:6. Mrs. Eddy schreibt in bezug auf die Heiler der alten Zeit: „Diese Heiler waren mit dem Geist der Wissenschaft so göttlich ausgerüstet, daß der fehlende Buchstabe ihre Arbeit nicht hindern konnte; der Buchstabe aber, ohne den Geist, hätte ihr Wirken hinfällig gemacht.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 145. Ferner schreibt sie: „Das Lebenselement, das Herz und die Seele der Christlichen Wissenschaft, ist Liebe. Ohne sie ist der Buchstabe nichts als der tote Körper der Wissenschaft — ohne Pulsschlag, kalt, leblos.“ Ebd., S. 113. Unser Leseraum — und der Bibliothekar — braucht geistige Liebe.
Wenn wir keinen Fortschritt sehen, sind wir vielleicht geneigt, etwas außerhalb unserer selbst dafür verantwortlich zu machen, und dieses Etwas nennen wir dann Widerstand gegen die Wahrheit. Aber wo besteht dieser Widerstand? Liegt er etwa darin, daß wir selbst diese Tätigkeit der Kirche nur widerstrebend so lieben, wie wir es eigentlich sollten? Dieses Widerstreben mag als Zeitmangel auftreten. Zeit, bzw. der zugegebene Zeitmangel, ist die große menschliche Entschuldigung! Wie viele Stunden verbringen wir auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz, wie viele Minuten stehen wir in einer Bank oder in einem Lebensmittelgeschäft an oder warten wir an einer Haltestelle? Das sind doch gute Gelegenheiten zum Beten!
Sehen Sie einmal die Zeit an der Bushaltestelle oder auf dem Weg zur Arbeit für den Leseraum vor! Das ist ein guter Anfang. Bleiben Sie dabei! Durch Standhaftigkeit werden Sie den Anspruch, „keine Zeit“ zu haben, erfolgreich zerstören. Wahre Gedanken über den Leseraum, über seinen Zweck und über das Gemeinwesen werden nach und nach immer mehr von selbst kommen.
Vielleicht zögern wir auch zu beten, weil wir meinen, daß alle anderen ja den Leseraum unterstützen und wir es deshalb heute nicht zu tun brauchen. Was wäre wohl, wenn alle so dächten? Jeder Leseraum verkörpert die liebevollen Bemühungen einer Zweigkirche um die Menschen in ihrem Gemeinwesen. Wenn die unerschütterliche, auf Gebet basierende Liebe nicht da ist, wie nehmen wir uns dann des Gemeinwesens an? Die Bibel weist uns darauf hin, daß wir mental wachsam sein müssen. „Durch Faulheit sinken die Balken, und durch lässige Hände tropft es im Haus.“ Pred. 10:18.
Das Wort „Hände“, bildlich gebraucht, bedeutet geistige Kraft. Siehe Wissenschaft und Gesundheit, S. 38. Wir müssen die Lösungen in uns selbst suchen. Die Lehren der Christlichen Wissenschaft betonen, wie wichtig es ist, uns selbst zu prüfen und alles auszumerzen, was unseren geistigen Fortschritt hindert, in welch unschuldiger Verkleidung es auch erscheinen mag, und wie notwendig es ist, entschlossen auf der Seite Gottes, des Guten, der einzigen Macht, zu bleiben.
Wenn im Leseraum wenig Tätigkeit zu verzeichnen ist, hört man vielleicht den Vorschlag, daß jedes Mitglied den Leseraum regelmäßig besuchen solle. Es ist natürlich richtig, unseren Leseraum zu benutzen und dort dafür zu beten, daß der Leseraum seinen Zweck im Gemeinwesen erfüllen möge. Aber wenn unser Besuch nur von dem Wunsch angeregt worden ist, vor der Öffentlichkeit geschäftiges Treiben zu beweisen, damit Besucher angezogen werden, ist das wirklich ehrlich? Versuchen wir, vor der Allgemeinheit einen Eindruck zu erwecken, der nicht auf spontane Weise echt ist? Der sterbliche Sinn möchte uns zu größerer körperlicher Geschäftigkeit drängen, während doch das ruhige Gebet jedes einzelnen nötiger ist.
Auch sollte der Bibliothekar sich niemals zu dem Gedanken verleiten lassen, die Mitglieder seien nicht aktiv (ja sogar nicht interessiert), weil sie den Leseraum nicht oft benutzen. Er könnte sich dann unbewußt darüber ärgern. Gegen eine solche Reaktion müssen wir uns wappnen. Wir sollten uns nur darum kümmern, was wir für unseren Leseraum tun, und wir sollten unsere Dankbarkeit für das, was die Mitglieder durch ihre Gebete beitragen, durch nichts beeinträchtigen lassen.
Vielleicht haben die Mitglieder hart gearbeitet, um den Leseraum zu eröffnen; sie haben einen Bibliothekar ernannt, der ihn führt, und dann haben sie vielleicht mental die Hände in den Schoß gelegt und gedacht: „Das haben wir gut gemacht.“ Legen wir selbstgefällig die Hände in den Schoß und denken, wie wunderbar es ist, daß wir einen fähigen und willigen Bibliothekar haben, und lassen es dabei bewenden? Vergessen Sie nicht, daß der Leseraum das Symbol sowohl der den Menschen umschließenden göttlichen Liebe als auch der steten Nächstenliebe jedes einzelnen Mitglieds ist. Wie erfolgreich er ist und wieviel Heilung er bringt, hängt also von jedem einzelnen Mitglied ab. Der Leseraum ist wirklich eine „Familienangelegenheit“.
Es ist bei dieser Arbeit sehr wichtig, den Menschen richtig zu sehen. Ja, es ist nicht nur für unsere eigene Sicherheit, sondern auch für die Sicherheit unseres Leseraums und die Heilung unseres Nächsten wichtig. Jeder, der den Leseraum betritt, sollte sofort als das erkannt und begrüßt werden, was er ist — Gottes Kind! Wenn wir uns die Tatsache vor Augen halten, daß die sterbliche Gestalt ein umgekehrtes Bild des wirklichen Menschen ist, das keine Wirklichkeit und keine Substanz in der Wahrheit hat, dann können wir den vollkommenen Menschen vor uns sehen, der in genau jenem Augenblick da ist, um Gott zu ehren und das widerzuspiegeln, was Er ist.
Der Mensch kann als Gottes Zeuge nicht von Ihm getrennt sein. Er kann unmöglich eine Beziehung zu einem materiellen Körper oder zu einer aggressiven oder kranken Mentalität haben. Auch kann jemand, der einen häßlichen Charakter hat, sich nicht so ändern, daß er schließlich ein Kind Gottes wird; der Mensch ist bereits Gottes Widerspiegelung. In diesem Augenblick ist er Seine Kundwerdung. Alles, was als Sterblichkeit erscheint, ist eine Lüge über Gott — eine Lüge, die wir zurückweisen und durch die Erkenntnis des Wirklichen zerstören.
Christus Jesus sah sofort durch den sterblichen Augenschein hindurch und erblickte den wirklichen Menschen; er hatte glorreichen Erfolg. Er sah die von der göttlichen Seele geschaffene Identität derer, die zu ihm kamen. Die Schatten flohen vor einer solchen geistigen Schau, und die Menschen frohlockten. Im menschlichen Bereich zeigte sich das als eine Heilung nach der anderen.
Wie wichtig ist es, daß wir den Menschen als Gottes Ebenbild erkennen — besonders wenn wir Besucher in unserem Leseraum begrüßen! Können wir es wagen, geistig unvorbereitet zu sein? Wenn wir den falschen Anspruch, der sich sterblicher Mensch nennt, unterordnen und den Menschen lieben, den wir dann sehen, wird auch er den in uns widergespiegelten Christus eher wahrnehmen; und unser Leseraum wird seine eigentliche Aufgabe erfüllen.
Wenn wir im Leseraum Dienst tun und mit Suggestionen des Bösen wie Zerstörungswut, Einschüchterungsversuchen usw. fertig werden müssen, sollten wir augenblicklich unsere Einheit mit Gott beanspruchen, denn wenn wir uns von Ihm getrennt fühlen, lähmen wir unsere Liebe und begrenzen unsere Demonstration der Wahrheit. Wir können uns der Tatsache bewußt sein, daß wir nie allein sind. Wie könnten wir auch, wo doch Gott immergegenwärtiges Gemüt, unser Gemüt, ist? Das Bewußtsein dieser Nähe, selbst ein flüchtiges Erkennen dieser Zusammengehörigkeit, ist von unschätzbarem Wert. Wir sollten es hegen und pflegen, denn hinter solchem Verständnis steckt die Kraft der Wahrheit.
Jesus war sich seiner Einheit mit Gott bewußt, und daher konnte er, als er bedrängt wurde, mitten durch „sie“ (die falschen Darstellungen des Menschen?) hinweggehen und ungefährdet in dem sein, das seines Vaters ist, wie es im vierten Kapitel des Lukasevangeliums beschrieben wird. Wir können das gleiche tun. Die tägliche, gebeterfüllte Unterstützung aller Kirchenmitglieder für den Leseraum hilft dem Bibliothekar, aggressive Suggestionen zu meistern. Die Erkenntnis, daß alle, die im Dienst des Allmächtigen stehen, vollständig beschützt sind, sollte in diese Arbeit mit eingeschlossen werden. Und denken Sie doch nur, was das Wort „Allmächtiger“ alles beinhaltet!
Unser Leseraum und sein liebevoller Dienst am Nächsten sind ungefährdet und wirkungsvoll, wenn sowohl der Bibliothekar als auch die Mitgliedschaft auf ihrem Posten aktiv sind. Diese entschlossene Einheit zeigt, daß wir es wirklich ernst meinen. So ist der Leseraum wahrhaft tätig, und eine derartige Einheit wird sich in einem geistig motivierten und kompetenten Mitarbeiterstab, in ständig zunehmenden ernsthaften Nachfragen und — als natürliche Folge — im Wachstum der Kirche bekunden.
Jeder einzelne von uns hat also die Pflicht, ein lebendiger Stein im Bau unseres Leseraums zu sein, damit die Hungrigen, wenn sie kommen und um die ihnen versprochene geistige Nahrung bitten, nicht eine Abhandlung über den kalten Buchstaben bekommen. Die Tätigkeit unseres geliebten Leseraums muß in jedem von uns so lebendig sein, muß so gut vorbereitet sein, daß dem Besucher tatsächlich Nahrung gegeben wird — das Brot des Lebens. Dann wird er nicht fortgehen, ohne etwas von seinem göttlichen Selbst erkannt zu haben, und es wird ihn verlangen, mehr darüber zu erfahren.