Eine Jugendfreundin und ich saßen in einem Café und unterhielten uns. Sie stellte einige Fragen über die Christliche Wissenschaft, und als einmal das Wort perfekt fiel, sagte sie: „Perfekt zu sein übt viel Druck aus. Wieso sollte man ständig perfekt sein wollen? Ich bin ganz sicher nicht perfekt und will es auch nicht sein.“
Ich verstand genau, was sie meinte. Ständig zu versuchen, perfekt zu sein, wäre anstrengend! Doch wir dachten an zwei verschiedene Sachen. Sie dachte, ich meinte Perfektionismus, die Weigerung, etwas anzuerkennen, was einer menschlichen Perfektion nicht genügt. Doch in meinem Studium der Christlichen Wissenschaft habe ich über geistige Perfektion gelernt, nämlich Vollkommenheit, die Gott uns allen verliehen hat. Menschliche Perfektion ist kurzlebig und unzuverlässig, während die Vollkommenheit, die wir in Gott finden, ewig und konstant ist – und das Streben, sie zum Ausdruck zu bringen, verbessert unseren Charakter und unser Leben.
Mary Baker Eddy bezieht sich auf 1. Mose 1 in der Bibel, wenn sie schreibt: „Gott erschafft den Menschen vollkommen und ewig zu Seinem Ebenbild. Daher ist der Mensch das Bild, die Idee bzw. das Gleichnis der Vollkommenheit – ein Ideal, das nicht von seiner ihm innewohnenden Einheit mit der göttlichen Liebe, von seiner makellosen Reinheit und ursprünglichen Vollkommenheit abfallen kann“ (Die Erste Kirche Christi, Wissenschaftler, und Verschiedenes, S. 262). Hier bezieht sich Mensch auf alle Kinder Gottes, die – wie ihr Schöpfer – vollkommen sind, waren und immer sein werden.
Als Jugendliche war ich viel durch Perfektionismus motiviert – ich wollte perfekte Beziehungen haben, perfekt aussehen und alle meine Hausaufgaben perfekt machen. Doch egal wie gut ich war, Perfektion erlangte ich nie. Ich mochte nichts Neues mehr probieren, denn ich war sicher, dass ich es nicht völlig meistern würde.
Ich beschloss, auf das zu lauschen, was Gott über mich wusste. Eine Engelsbotschaft, ein Gedanke von Gott, sagte ganz klar: „Es ist nicht deine Aufgabe, vollkommen zu werden.“ Da verstand ich: Gott sah mich bereits als vollkommen. Ich hatte mir eine falsche Verantwortung auferlegt – als hinge es von mir ab, Vollkommenheit zu schaffen. Ich wandte mich von menschlicher Perfektion ab, die darauf beruhte, was andere von mir dachten, und hin zu meiner natürlichen, gottgegebenen, von Gott erhaltenen Widerspiegelung der geistigen Vollkommenheit. Vieles verbesserte sich in meinem Leben, als ich erkannte, dass meine einzige Aufgabe darin bestand, Gottes Vollkommenheit in meinem Leben zu verherrlichen.
Als ich begriff, dass meine Vollkommenheit in Gott ist, wurde mir klar, dass es nicht darum ging, Materie als perfekt anzuerkennen. Wenn es darum ginge, würden wir uns nie kämmen, nie Zähne putzen oder Haare schneiden, und einfach im Schlafanzug einkaufen gehen. Doch durch das Verständnis von Gott als unserer Quelle geistiger Vollkommenheit erkennen wir, dass unser einzigartiger Ausdruck der Vollkommenheit Eigenschaften wie Ordnung, Schönheit, Eleganz und Freude umfasst. Auf diese Weise wird unser Vertrauen auf Gott gestärkt, nicht der unzuverlässige Glaube an eine Sicherheit in der Materie oder an ein von Gott getrenntes Selbst. Wenn wir mehr darüber lernen, wie Gott Seine Kinder erschaffen hat, erkennen wir, dass wir nie wirklich Sklaven eines menschlichen Perfektionismus sein können. Meinen Freunden fiel die sichtbare positive Veränderung in mir richtig auf, als meine Manie des Perfektionismus vorbei war.
Ich mochte nichts Neues mehr probieren, denn ich war sicher, dass ich es nicht meistern würde.
Gleichzeitig fand eine andere Heilung statt – von etwas, über das ich gar nicht speziell gebetet hatte! Ich hatte schon einige Jahre lang Hautausschlag im Gesicht, und dieser Augenschein des Makels störte mich. Eines Tages ging ich spazieren und bemerkte die Schönheit um mich herum. Ich empfand Dankbarkeit und Frieden. Da erreichten mich ganz deutlich die Worte: „Du bist frei!“ Es hieß nicht: „Jetzt bist du frei.“ Es war die klare Erklärung, dass ich schon immer frei von dem Hautausschlag und allem gewesen war, was meine geistige Vollkommenheit verbergen wollte. Dieses Verständnis entfernte jeden Glauben an die Wirklichkeit des Makels, und ich war frei.
Diese Heilung bestätigt einen Gedanken in den Psalmen, wo wir aufgefordert werden: „Warte voll Hoffnung auf Gott! Denn ... er [ist] meines Angesichts Hilfe und mein Gott“ (43:5). Also spiegelt das, was wir von der Vollkommenheit Gottes der Welt zuwenden, das vollkommene „Angesicht“ Gottes wider. Der Standard für unseren Ausdruck von Vollkommenheit ist Gottes Bild und Gleichnis statt einer menschlichen Erwartung oder Beurteilung. Wie sich in der Heilung des Hautausschlags zeigte, bewirkt ein Verständnis von der geistigen Vollkommenheit Heilung.
Eine Mitarbeiterin in Mrs. Eddys Haushalt erinnerte sich, dass diese einst sagte: „Versuchen Sie nicht, mir zu gefallen, sondern seien Sie bestrebt, Gott zu gefallen; und wenn Ihre Arbeit Ihm gefällt, dann ist sie gut getan“ (Heather Vogel Frederick, Life at 400 Beacon Street [Leben im Haus Beacon Street Nr. 400], S. 200). Wenn wir anderen durch menschlichen Perfektionismus gefallen wollen, werden wir nie wirklich zufrieden sein. Wenn wir von dem reinen Wunsch beseelt sind, Gott auszudrücken, bringen wir ganz natürlich Seine Vollkommenheit zum Ausdruck und sind zufrieden. Gottes vollkommener Ausdruck zu sein ist nicht nur möglich, sondern die Wirklichkeit der Existenz eines jeden Menschen, und diese Erkenntnis kann Frieden und Erfüllung bewirken.
Wir erlangen das volle Verständnis unserer geistigen Vollkommenheit allerdings nicht auf einmal. Mrs. Eddy schreibt: „Die Vollkommenheit, das Endziel des Daseins, wird nicht in einem Augenblick gewonnen, und die Wiedergeburt, die dahin führt, vollzieht sich stufenweise, denn sie gipfelt in der Erfüllung dieses göttlichen Gebotes in der Wissenschaft: ‚Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist‘“ (Vermischte Schriften 1883–1896, S. 85). Wenn wir die Tatsache unserer geistigen Vollkommenheit und das Ziel, sie zum Ausdruck zu bringen, im Denken bewahren, werden wir in die richtige Richtung geführt.
Ich habe mich manchmal gegen den Gedanken an eine wachsende Spiritualität gewehrt, weil ich fürchtete, dieses neue Verständnis von Vollkommenheit könnte mich von anderen trennen – dass ich die Unzulänglichkeiten anderer stärker wahrnehmen könnte, je mehr ich über meine Vollkommenheit in Gott lernte, weil ich Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy und die Bibel las. Ich wollte durch mein metaphysisches Studium nicht anders sein als meine Freunde. Doch genau das Gegenteil war der Fall. Je klarer wir unsere eigene geistige Vollkommenheit erkennen, desto einfacher ist es, die gottgegebene Vollkommenheit in anderen wahrzunehmen. Das bringt uns anderen näher, statt uns von ihnen zu trennen, denn es wird natürlicher für uns, liebevoll zu sein.
Wenn wir akzeptieren, dass die wahre Identität eines anderen nicht vollkommen ist, dann öffnen wir der Vorstellung unserer eigenen Unvollkommenheit Tür und Tor. Doch unser von Gebet inspiriertes Denken segnet und erhebt alle, denen wir begegnen, und das bewirkt Heilung.
Obwohl meine Freundin zunächst skeptisch über die Idee einer geistigen Vollkommenheit war, hat sie seitdem Freunde, die Christliche Wissenschaftler sind, um Hilfe gebeten und Heilung erfahren. Die Erkenntnis von Gott als Quelle der Vollkommenheit hat ihr geholfen zu verstehen, dass Vollkommenheit tatsächlich erreichbar ist. Jeder von uns kann folgende Worte von Mrs. Eddy beweisen: „Der Christlichen Wissenschaft zufolge ist Vollkommenheit natürlich – nicht übernatürlich“ (Vermischte Schriften, S. 104).