Das sterbliche Denken ist in dem Glauben befangen, daß der Mensch von seiner ursprünglichen Vollkommenheit als Kind Gottes in Unvollkommenheit und Sünde herabgesunken und dadurch von seinem Schöpfer getrennt worden sei. Die mit diesem Glauben verknüpfte Furcht sowie die unauslöschliche Liebe im menschlichen Herzen zum Guten und Wahren haben die Menschen gezwungen, einen Weg zu suchen, auf dem sie dem Bösen entrinnen und Gott, die Quelle aller Wirklichkeit, finden können. Zu allen Zeiten sind unzulängliche Anstrengungen in dieser Hinsicht gemacht worden, meist in der Form von materiellen, oft mit Blutvergießen verbundenen Opfern, die einem vermeintlich zornigen und strafenden Gott als Sühne für Sünde dargebracht wurden. Daher bildet eine Versöhnungslehre nicht nur im Christentum, sondern fast ausnahmslos in allen Religionen einen Teil der Grundlehre.
Der Christ ist überzeugt, daß die Bibel Gottes Botschaft an die Menschheit enthält, und daß alle Menschen in diesem heiligen Buche Halt, Trost, Heilung und Aufklärung über die lebenswichtigste Frage, die Befreiung vom Bösen, finden können.
Das Christentum ist auf die Lehre und den Beweis Christi Jesu gegründet, der auf diese Art den Weg der Erlösung für die ganze Menschheit vorgezeichnet hat. Man muß jedoch zugeben, daß die sogenannten strenggläubigen christlichen Lehren von der menschlichen Erlösung viele Menschen weder als Lehre noch in der Anwendung befriedigt haben. Die wichtige und praktische Bedeutung des Lebens Jesu bis zur Stunde seines Leidens und Sieges auf Golgatha ist nicht völlig oder wissenschaftlich verstanden worden.
Aus dem Evangelium des Johannes ersehen wir, daß Jesus das Kommen einer weiteren geistigen Offenbarung voraussah und vorausverkündigte, als er zu seinen Jüngern sagte: „Aber der Tröster, der heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch erinnern alles des, das ich euch gesagt habe”.
In Erfüllung dieser Weissagung trat Mary Baker Eddy nach vielen Jahren eingehenden Forschens in der Bibel im Jahre 1866 vor die Welt mit der frohen Botschaft der Christlichen Wissenschaft, die die Offenbarung der Wahrheit für unsere Zeit—der von Christus Jesus verheißene Tröster—ist. Die Lehren der Christlichen Wissenschaft stimmen mit denen des großen Meisters vollkommen überein und machen seine Botschaft und Sendung klar. Im Lichte dieser Offenbarung lernen wir erkennen, daß Jesu Lehren und Wirken auf dem Verständnis beruhten, daß Gott vollkommen, unendlich und unveränderlich ist, und daß der zu Gottes Bild und Gleichnis geschaffene Mensch auch vollkommen ist. Jesus sagte: „Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist”. Geht aus diesen Worten nicht hervor, daß der wirkliche geistige Mensch nicht gefallen ist, und daß sein Einssein mit Gott eine ewige, unzerstörbare Tatsache ist? Mrs. Eddy hat auf Seite 477 des christlich-wissenschaftlichen Lehrbuchs „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” geschrieben: „So lehrte Jesus, daß das Reich Gottes unversehrt und allumfassend, und daß der Mensch rein und heilig ist”.
Durch die Christliche Wissenschaft erkennen wir auch die Scheidelinie zwischen Gottes vollkommener Idee, dem Menschen, und der materiellen Vorstellung vom Menschen. Jesus sagte mit Bezug auf diese falsche Vorstellung: „Ihr seid von dem Vater, dem Teufel, und nach eures Vaters Lust wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang und ist nicht bestanden in der Wahrheit; denn die Wahrheit ist nicht in ihm”. Die Sterblichen haben die falsche Vorstellung vom gefallenen Menschen angenommen, und diese irrige Vorstellung ist der Adamstraum, der „tiefe Schlaf” in der Materialität, woraus ein Sterblicher besteht. Es ist also die falsche Auffassung von einem materiellen Selbst mit den damit verknüpften Zuständen Sünde, Krankheit, Leid, Leiden und Tod, was die Sterblichen abzulegen haben und wovon sie errettet werden müssen. Jesus machte dies klar, als er sagte: „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir”. Auf Seite 91 in Wissenschaft und Gesundheit lesen wir: „Das Leugnen der materiellen Selbstheit hilft zu der Erkenntnis der geistigen und ewigen Individualität des Menschen, und es zerstört das irrige Wissen, das wir von der Materie oder durch das, was die materiellen Sinne genannt wird, erworben haben”. Die Christliche Wissenschaft zeigt, wie dies vollbracht werden kann und wie man die Wahrheit dieser Behauptungen beweisen kann.
In dem Maße, wie wir böses Denken, Reden und Handeln in uns überwinden, lernen wir unsere vollkommene geistige Wesenseinheit als das göttliche Bild und Gleichnis verstehen und so das göttliche Wesen zum Ausdruck bringen. Dieses Verständnis offenbart auch die Menschenbrüderschaft und bringt dem Körper Gesundheit und dem Denken Frieden. Ist dieser wissenschaftliche Vorgang geistiger Erneuerung nicht die wahre Versöhnung? Erwachen die Sterblichen durch das Verständnis dieser Erneuerung nicht aus dem Adamstraum zu der Erkenntnis des ewigen Einsseins des Menschen mit Gott?
Welch wunderbarer Friede das beunruhigte Herz erfüllt, wenn dem menschlichen Denken die Erkenntnis des ewigen Einsseins des Menschen mit Gott mit seiner gesegneten und heilenden Wirksamkeit aufdämmert! Auf Seite 45 in Wissenschaft und Gesundheit schlägt Mrs. Eddy einen Ton siegreicher geistiger Erhöhung an, wenn sie schreibt: „Ehre sei Gott und Friede den ringenden Herzen! Christus hat den Stein von der Tür menschlicher Hoffnung und menschlichen Glaubens abgewälzt und hat sie durch die Offenbarung und Demonstration des Lebens in Gott zu der Möglichkeit des Einsseins mit der geistigen Idee des Menschen und seinem göttlichen Prinzip, Liebe, emporgehoben”.