Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Erfüllung durch künstlerischen Ausdruck

Aus der Oktober 1970-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wir haben drei Möglichkeiten, an der Kunst teilzuhaben: durch Gestaltung, Darstellung oder Würdigung oder in weschselndem Ausmaß durch gewisse Kombination aller drei. Nach menschlicher Auffassung durchläuft die Kunst eine Stufenleiter, die von den zeitweiligen Aussschweifungen des fleischlichen Gemüts bis zu den zeitlosen Eingebungen des göttlichen Gemüts oder Gottes reicht.

Zu erfüllen bedeutet, „meisterhaft zu erfassen oder zum Ausdruck zu bringen“. Wir können in unserer menschlichen Erfahrung wahre Erfüllung nicht dadurch erlangen, daß wir Elemente des fleischlichen Gemüts ausdrücken, wie anziehend solche Elemente auch im Augenblick erscheinen mögen. Kunst, die sich auf das fleischliche Gemüt gründet, das zeitlich ist, vermittelt kein bleibendes Gefühl von Erfüllung, weder für den Künstler noch für den Betrachter seiner Kunst.

Wahre Erfüllung wird gewonnen, wenn wir in höchstmöglichem Grade Gottes Eigenschaften ausdrücken. Wir können also keine völlige Erfüllung finden, wenn wir die künstlerischen Eigenschaften vernachlässigen, die in Gottes Sein eingeschlossen sind, jene charakteristischen Merkmale, die sich im allgemeinen um das göttliche Synonym Seele gruppieren.

Seele kann als der künstlerische Aspekt Gottes betrachtet werden. Seele gibt uns den rechten Begriff von der Identität des Menschen — ja von der wahren Identität eines jeden schönen und nützlichen Gegenstandes. Wenn wir nach einem tieferen Kunstverständnis trachten, sei es in einer schöpferischen Tätigkeit, sei es als Darsteller oder als Kunstfreund, so ist es offensichtlich, daß wir nicht Eigenschaften erkennen oder ausdrücken können, deren wir uns nicht bewußt sind. Da unser himmlischer Vater auch unser unendliches Gemüt ist, können wir alles für den höchsten künstlerischen Ausdruck Notwendige in unserem gottgegebenen Bewußtsein finden. Der wahre Mensch, das wahre „Du“ und das wahre „Ich“, bekundet bereits die unendliche Natur der künstlerischen Merkmale der Seele. Menschlich gesehen bringen wir jedoch die Merkmale der Seele nur in dem Verhältnis zum Ausdruck, wie wir uns ihrer bewußt werden.

In unserem Streben nach künstlerischer Meisterschaft müssen wir zuerst lernen, zwischen Sinn und Seele zu unterscheiden, zwischen den Unwahrheiten, die das fleischliche Gemüt oder die körperlichen Sinne hervorbringen, und den Wahrheiten, die das göttliche Gemüt zum Ausdruck bringt und die vom Menschen durch den geistigen Sinn erfaßt werden. In ihrem Werk „Die Einheit des Guten“ gibt uns Mrs. Eddy einen Einblick in das trügerische Wesen einer Kunst, die keine Merkmale der Seele widerspiegelt und dennoch schön erscheint: „Die Sinne, nicht Gott, Seele, bilden den Zustand des schönen Bösen und die vermeintlichen Ausdrucksformen der selbst-bewußten Materie, die eine schöne Lüge schaffen.“ Die Einheit des Guten, S. 52;

Wenn wir auf unserer Reise vom Sinn zur Seele im Erfassen und im Ausdruck der Eigenschaften Gottes Fortschritte machen, werden wir feststellen, daß wir weniger an den Zuständen des schönen Bösen und mehr an den ewigen Schönheiten Gottes oder des Guten interessiert sind. Unser Studium der Christlichen Wissenschaft wird diese Eigenschaften der Seele in unserem Denken ans Licht bringen. Es gibt keinen schnelleren und besseren Weg, mehr über die Merkmale der Seele zu lernen, als die Konkordanzen zu den Schriften Mrs. Eddys zu benutzen. Viele göttliche Merkmale — Eigenschaften, die in jeder großen Kunst verkörpert sind — kommen ans Licht, wenn wir herausfinden, was die Christliche Wissenschaft über Seele zu sagen hat.

Zu den Begriffen, die von Mrs. Eddy gebraucht werden, und anderen damit in Beziehung stehenden Wörtern, die der Verfasser bei solchem Studium als hilfreich empfunden hat, zählen die folgenden:

Form: Eigenschaft, Identität, Gestalt, Symmetrie; grandios.

Substanz: Quantität, Gewicht, Masse, Makellosigkeit, Vollständigkeit, Greifbarkeit; fortdauernd.

Entwurf: Darstellung, Liebreiz, Anmut, Beschreibung, Stil.

Farbe: Spektrum, Farbton, zarter Glanz oder Schattierung, Kontrast oder Verschmelzung, Leuchten, Kälte, Wärme.

Rhythmus: Impuls, gleichmäßige Wiederholung, Betonung.

Harmonie: Kombination von Tönen oder Farben; die Beziehungen von Formen und Flächen in der Malerei, Architektur, Musik, Tanz; Grundlage der Musik.

Melodie: Tonfolge oder Ausdruck, der manchmal sichtbar wird, wie beim Ballett oder Tanz; der Aufbau der Musik.

Ausdruck: Handlung, Freiheit, Spontaneität, Improvisation, Bewegung, Beredsamkeit, Genauigkeit; dynamisch, gewinnend.

Inspiration: Inbrunst, Seligkeit, Herrlichkeit, Strahlen, Erhabenheit, Verwunderung, Freude.

Schönheit: Erhebung des Gemüts oder Geistes, Anziehung, Charme, Größe, Lenz, Wiedergeburt, Immergrün, Sonnenlicht, Frische, Geschmack; lieblich.

Gleichgewicht: richtiges Verhältnis, Ausgewogenheit, Festigkeit, Würde, Eleganz; klassisch.

Reinheit: Sündlosigkeit, moralische Freiheit, Frieden, das Wesentliche, Heiligkeit, Vollkommenheit.

Der unternehmungslustige Schüler kann in dem Bestreben, sein Verständnis von den künstlerischen Merkmalen der Seele zu vertiefen, diese Liste um ein Vielfaches erweitern. Die meisten Begriffe in dieser Aufstellung beziehen sich auf das Geistige und Ewige. Sie stellen Eigenschaften dar, die fortdauernd sind. Künstlerische Schöpfungen, die geistige Eigenschaften verkörpern, sind bleibende Kunstwerke. Sie sind nicht von kurzer Lebensdauer und schwinden nicht in ihrer eigenen Zeitepoche dahin, sondern ragen über die Zeit hinaus, in der sie geschaffen wurden, und bestehen fort.

Die Stufe der Inspiration bestimmt die Größe der Kunst. Große Kunstwerke verkörpern die ewigen Eigenschaften der Seele in höherem Maße als unbedeutendere Werke der Kunst. Kein Kunstwerk aber kann über die Stufe der Inspiration hinausgehen, die der Künstler selbst demonstriert hat. Der Künstler, der göttlich inspiriert sein möchte, wird deshalb seine künstlerische Erfüllung darin suchen, die Eigenschaften der Seele, die in seinem wahren Bewußtsein eingeschlossen sind, widerzuspiegeln und zum Ausdruck zu bringen.

Was für eine der Kunstrichtungen in bezug auf Ausdruck und Erfüllung zutrifft, gilt für alle Kunstgattungen, deren es sieben gibt: Malerei (oder Zeichnen), Bildhauerei, Architektur, Dichtkunst (oder Prosa), Musik, Tanz und Schauspiel (auf der Bühne oder im Film). Ob wir nun schöpferisch oder darstellerisch tätig sind oder die Kunst würdigen, unser Anteil wird wertvoller, wenn wir die Eigenschaften der Seele bewußt ausdrücken. Da es „mancherlei Gaben“ 1. Kor. 12:4; gibt, wie Paulus darlegt, sind wir nicht alle dazu berufen, schöpferische Künstler zu sein. Dennoch können wir als Sammler oder Kunstfreund unsere Seelen- Eigenschaften zum Ausdruck bringen.

Geschmack ist eine Eigenschaft der Seele; ja, er ist einer der Sinne der Seele. Geschmack haben bedeutet, menschlich gesprochen, eine Auswahl zu treffen; und unser Kunstgeschmack wird sich in dem Verhältnis verfeinern, wie wir verfeinerte Vorstellungen von der Schönheit der Seele gewinnen. Mrs. Eddy faßt dies in einer einfachen Erklärung zusammen: „In dem Maße, wie unsere Ideen über die Gottheit geistiger werden, geben wir ihnen durch erhabenere Formen Ausdruck.“ Die allgemeine Anschauung der Menschen von Gott, S. 14;

Stil ist die individuelle Art des Künstlers, Kunst auszudrücken. Sein Stil ist gewissermaßen sein Warenzeichen. Die meisten großen Künstler können sofort an ihrem Stil erkannt werden. Viele Künstler aber gehen durch eine harte Schule, ehe sie nach Jahren des Suchens, Nachahmens oder Experimentierens ihren eigenen Stil entdecken.

Durch die Christliche Wissenschaft kann dieser Zeitabschnitt verkürzt werden, sobald der schöpferische Künstler mehr über sein wahres Wesen als den individuellen Ausdruck des einen Gemüts versteht. Da die eine unendliche Seele sich selbst in unendlicher Individualität ausdrückt, hat jedes der Kinder Gottes einen einzigartigen Charakter, der nur ihm gehört — einen Stil, wenn Sie es so nennen wollen, der niemals kopiert werden wird. Ein Künstler, der in der Ausdrucksweise seines einzigartigen Charakters göttliche Inspiration sucht, kann Jahre menschlicher Experimente abkürzen und schnell den für ihn richtigen Stil hervorbringen.

Auch Ausbildungszeiten können abgekürzt werden, wenn sich ein Künstler bewußt wird, daß das eine unendliche Gemüt, das einzig wahre Gemüt des Menschen, schon alles weiß, was es von der Kunst wirklich zu wissen gibt. Christus Jesus verkürzte zweifellos die Ausbildung und fand den Ausdruck seiner wahren Individualität in einer Zeitspanne weniger Jahre. Die Leute sagten einst von ihm: „Wie kennt dieser die Schrift, obwohl er sie doch nicht gelernt hat?“ Joh. 7:15; Walt Whitman machte einmal eine interessante Bemerkung über Christus Jesus. Er sagte in einem Interview: „Jesus brachte seine eigene Individualität in vielleicht höherem Maße zum Ausdruck als irgendein Mensch, den wir kennen, und auf diese Weise übte er einen größeren Einfluß aus als irgendein anderer.“ Complete Writings of Elbert Hubbard, Band I, S. 271, 272;

Der schöpferische Künstler, der ein Christlicher Wissenschafter ist, braucht sich von dem, was in der Kunst als dramatischer Konflikt bezeichnet wird, nicht abzuwenden, noch braucht er diesen Gegensatz innerer und äußerer Kräfte, der dem Werk seine besondere Thematik und Charakteristik verleiht, zu vermeiden suchen. Meistens stellt der dramatische Konflikt die Kräfte des Guten gegen das Böse dar, des Moralischen gegen das Unmoralische, des Geistigen gegen das Tierische oder Materielle.

Die beständigen Versuche, den dramatischen Konflikt zu vermeiden, würden dazu führen, das Werk eines Künstlers seiner moralischen und geistigen Kraft zu berauben, seiner Fähigkeit, das menschliche Bewußtsein zu informieren und emporzuheben. Er sollte gewillt sein, die verschiedenen Phasen und Schwächen des menschlichen Gemüts zu beschreiben, während er gleichzeitig eine moralische oder geistige Überlegenheit über diese zum Ausdruck bringt und so den Leser, Zuschauer oder Hörer unterweist, erhebt und inspiriert. Alle große Kunst drückt das Zusammentreffen des Menschlichen und Göttlichen aus, in dem die Göttlichkeit die Menschlichkeit umschließt.

Im Leben von wahrhaft großen Komponisten — von Menschen wie Bach, Mozart, Beethoven, Brahms — gibt es viele Beweise dafür, daß sie Gott selbst als die Quelle der Inspiration betrachteten. Sie machten nicht den Fehler, den viele Künstler begingen und begehen, nämlich ihre Kunst zu ihrer Religion zu machen. Einige Künstler haben beachtlichen Erfolg erzielt, indem sie sich ihrer Kunst mit ebenderselben Hingabe weihten, wie man sich einer Religion hingibt. In dem Verhältnis aber, wie sie das Erste Gebot: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“ 2. Mose 20:3; außer acht ließen, haben sie ihre Kunst geschwächt, indem sie sie mehr mit zeitlichen als mit ewigen Eigenschaften erfüllten. Wenn sie sich als persönliche Urheber und unabhängige Schöpfer ansehen, riskieren sie, sich selbst von der göttlichen Quelle der Inspiration gänzlich abzuschneiden.

Ein Christlicher Wissenschafter, der ein schöpferischer Künstler ist, sollte nie vergessen, daß er in erster Linie ein Christlicher Wissenschafter ist. Wenn er die enge Verbundenheit mit seinem Vater fühlt, wird er erkennen, daß er niemals von der Inspiration getrennt werden kann, die beständig von dem unendlichen Vater, dem Gemüt, zu ihm fließt. Er kann von dem gleichen Standpunkt aus arbeiten, auf dem Jesus stand, als er erklärte: „Die Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst. Der Vater aber, der in mir wohnt, der tut seine Werke.“ Joh. 14:10;

Mehr und mehr Anhänger der Christlichen Wissenschaft erreichen heute beachtenswerte Erfolge in der Kunst. Dreimal nahm ein junger Pianist an dem bedeutendsten Wettbewerb in den Vereinigten Staaten teil und unterlag. Die meisten seiner Freunde rieten ihm, sich ein viertes Mal nicht zu melden, und sagten, daß eine weitere Niederlage seiner Karriere dauernden Schaden zufügen könnte.

Er betete um Führung und fühlte sich veranlaßt weiterzumachen. Als er unmittelbar vor dem letzten Auftritt mit dem Orchester im Sinne der Christlichen Wissenschaft arbeitete, kam ihm dieser Gedanke: „Gott ist der große Künstler und der Mensch Gottes große Erfüllung.“ Das half ihm, das Podium ohne einen Gedanken an sich selbst als einen menschlichen Künstler zu betreten und frei und mit Autorität zu spielen. Er gewann den Wettbewerb, und bald ging er ins Ausland, wo er wieder bei den wichtigsten Pianisten- Wettbewerben Westeuropas die ersten Plätze belegte. Seine Karriere hatte begonnen, und sie entwickelt sich weiterhin erfolgreich.

Serge Prokofieff, der größte sowjetische Komponist dieses Jahrhunderts, machte sich einige der Wahrheiten zunutze, die er in der Christlichen Wissenschaft gelernt hatte, als er Führung und Inspiration für seine schöpferischen Vorhaben suchte. Unter den vielen handgeschriebenen Erklärungen, die man in einigen seiner Schriftstücke im Jahre 1959 in Paris fand, sind diese: „Weil ich die Wirkung der einen großen Ursache bin, verwerfe ich alles, was nicht aus dieser Ursache hervorgeht.. . Ich bin das Bild des Gemüts; das läßt mich eifrig inspirierte Gedanken zum Ausdruck bringen.. . De ich der Ausdruck der Seele bin, fühle ich die Notwendigkeit, Schönheit auszudrücken.“ Prokofieff von Claude Samuel, Éditions du Seuil, Paris, S. 128;

Der schöpferische oder darstellende Künstler, der durch seine Verkörperung der Eigenschaften der Seele Erfüllung erlangt, wird mit seiner Kunst heilen. Das sollte sein größter Wunsch sein. Mehrmals bin ich von körperlicher Krankheit geheilt worden, während ich Liederabende besuchte, die dem höchsten Niveau der Kunst entsprachen. Mrs. Eddy weist uns allen den Weg, wenn sie schreibt: „Die größte Kunst der Christlichen Wissenschaft ist, ein Christlicher Wissenschafter zu sein, und um diese Kunst auszuüben, bedarf es mehr als eines Raffaels.“ Vermischte Schriften, S. 375.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Oktober 1970

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.