Vor vielen Jahren wurde ich von der Londoner Kultusbehörde gefragt, ob ich bereit sei, die jüngsten Schüler einer Schule für „benachteiligte“ Kinder zu unterrichten. Diese Kinder unterstanden aufgrund ihrer familiären Umstände der Fürsorge des Staats. Sie wohnten in kleinen Katen auf einem Gelände im Süden der Stadt und hatten jeden Tag Unterricht auf demselben Gelände. Ich nahm die Stelle an, fand sie aber sehr schwierig und anstrengend.
Jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit betete ich, um diese Kinder nicht als das Gute entbehrend, sondern als die geliebten Kinder Gottes zu sehen, wie ich es in der Christlichen Wissenschaft gelernt hatte. Ich bekräftigte, dass sie nur von Gottes Gesetz der Harmonie regiert werden konnten und absolut in der Lage waren, Eigenschaften auszudrücken, die von Gott kommen, so wie Demut, Freude und Intelligenz. Die Bibel zeigt uns, dass Christus Jesus Kinder liebte und respektierte. Das Matthäusevangelium berichtet, dass einmal die Jünger die Leute abhalten wollten, Kinder zum Meister zu bringen, damit sie von ihm gesegnet würden, doch Jesus sagte: „Lasst die Kinder und verwehrt ihnen nicht, zu mir zu kommen; denn solchen gehört das Himmelreich“ (19:14). Als Jüngerin Christi von heute musste ich meine Schüler ebenfalls im Licht der Wahrheit sehen.
Die ersten Wochen in meiner Klasse waren ziemlich chaotisch. Ich musste die Kinder übertönen, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, und ihnen die einfachsten Dinge beibringen, darunter grundsätzliches Benehmen wie persönliche Freiräume zu respektieren. Statt auf Ihre Fehler zu schauen, fing ich jedoch an, das Potenzial jedes Schülers zu erkennen, einer Knospe ähnlich, die fähig ist, aufzugehen und ihre volle Schönheit zu zeigen. Nach und nach lernte jedes Kind, seinen Namen zu schreiben, und verstand damit besser seine ganz eigene Identität und Individualität. Ein liebes kleines Mädchen brauchte fast ein Jahr, um ihren Namen schreiben zu lernen, und als sie es geschafft hatte, freute sich die ganze Klasse mir ihr. Ihr Lächeln an dem Tag ist unvergesslich! Die besten Erfolge der Kinder beim Schreiben und Malen hingen schon bald an einer großen Pinnwand, wo sie mit wohlverdienten Sternchen versehen ausgestellt wurden.
Während ich diesen Mädchen und Jungen Lesen, Schreiben und Rechnen beibrachte, lernte ich, „Wachstum in Gnade“ zu demonstrieren. Mary Baker Eddy schreibt in ihrem Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Was wir am dringendsten brauchen, ist das Gebet innigen Verlangens nach Wachstum in Gnade, das in Geduld, Sanftmut, Liebe und guten Werken zum Ausdruck kommt“ (S. 4). Das war für mich beim Unterrichten dieser Kinder eine hilfreiche Anleitung.
Es gibt heutzutage zu viele Familien, die unschuldig in Situationen jenseits ihrer Kontrolle verstrickt werden. Häufig müssen sie fliehen und werden Flüchtlinge in Ländern anderer Sprachen, Gebräuche und Gepflogenheiten. Sie beweisen trotz widriger Umstände große Anpassungsfähigkeit, doch häufig brauchen die Kinder am meisten Unterstützung.
Wir können die Familien in unsere Gebete einschließen, während wir selbst klarer verstehen, was es bedeutet, Bürger im Reich Gottes zu sein, in dem es keine Grenzen, Barrieren oder Begrenzungen für das Wohlbefinden des Menschen gibt. Wir wissen aus der Bibel, dass Jesus keinen festen Wohnsitz hatte. Als jemand ihm einst nachfolgen wollte, sagte Jesus: „Die Füchse haben Höhlen, und die Vögel des Himmels haben Nester; aber der Menschensohn hat keinen Platz, wo er sich hinlegen kann“ (Matthäus 8:20). Es scheint, dass Jesus sich mit Freunden auf einem Fischerboot im galiläischen Meer ebenso wohlgefühlt hat wie allein mit Gott, seinem Vater, hoch auf einem Berg ins Gebet vertieft. Jesus demonstrierte, dass Gott ein Heim ganz natürlich gemäß unserem Bedarf bereitstellt.
Der Meister lehrte uns, dass Gott auch unser Vater ist. Das Gebet des Herrn beginnt mit den Worten: „Unser Vater im Himmel!“ (Matthäus 6:9). Je mehr ich das Gebet des Herrn bete und in meinem Verständnis seiner geistigen Bedeutung wachse, desto klarer erkenne ich, dass wir alle Brüder und Schwestern sind, die unser Vater im Himmelreich – das hier und jetzt vorhanden ist – gleich liebhat und wertschätzt. Je schneller wir erkennen, dass Gott Vater und Mutter aller ist – eine Erkenntnis, die Brüderlichkeit und nachbarliche Liebe inspiriert –, desto schneller wird das Reich Gottes hier auf Erden in unserer Umgebung und unserem Land anerkannt. Wir lesen in Wissenschaft und Gesundheit: „Vater-Mutter ist der Name für die Gottheit, der auf Ihr inniges Verhältnis zu Ihrer geistigen Schöpfung hinweist“ (S. 332).
Übrigens unterrichtete ich zwei Jahre in dieser Schule. Während die Kinder den grundlegenden Unterrichtsstoff lernten, lernte ich die grundlegende, aber wichtige Lektion, in jeder Situation sehr flexibel zu beten. Diese Lektion war mir in späteren Jahren eine große Hilfe, als ich meine Heilpraxis als vollberufliche Praktikerin der Christlichen Wissenschaft begann.
Mary Baker Eddy hat uns ein hohes Ziel gesetzt: „Der Christliche Wissenschaftler ist angetreten, das Böse, Krankheit und Tod zu vermindern; und er wird sie durch das Verständnis ihres Nichtseins und der Allheit Gottes oder des Guten überwinden“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 450). Lassen Sie uns in unserem Herzen ein besonderes Licht für die Kinder der Welt entfachen. Lassen Sie uns genug Mitgefühl haben, um ihren Bedarf zu erkennen, und genug Liebe, um ihnen zu helfen, ihr vollständiges Potenzial als Kinder Gottes zu entfalten.
Ann Kenrick
 
    
