Es war ein Samstagabend kurz nachdem ich zum Studium in einer europäischen Stadt angekommen war. Ich hatte den Abend mit Freunden verbracht und nun war es sehr spät. Meine Mitbewohner waren anderweitig beschäftigt, und erst als ich aus der Straßenbahn stieg, wurde mir bewusst, dass ich allein zur Wohnung laufen musste. Ich ging zügig an mehreren menschenleeren, dunklen Häuserblocks vorbei und betrat eine beleuchtete Telefonzelle vor meinem Hochhaus, um den Schlüssel aus der Handtasche zu ziehen.
Während ich damit beschäftigt war, sagte eine Stimme hinter mir plötzlich leise: „Hallo.“
Ich drehte mich um und stand einem großen Mann gegenüber, der den Ausgang versperrte. An der Art, wie er mich ansah, erkannte ich, dass er keine freundlichen Absichten hatte. Mir wurde flau im Magen und ich sagte, dass ich gehen müsse. Er bewegte sich nicht von der Stelle, sondern versuchte, mich zu küssen, und legte seine Hände an meinen Hosenbund. Ich konnte einen Schritt zurückgehen und seine Hände von mir fernhalten, doch mir war klar, dass das keine Lösung war.
Im nächsten Augenblick wurde meine Angst durch ein Gefühl von ruhiger, absoluter Kraft ersetzt. Eine klare Botschaft erfüllte mein Denken, fast als wenn sie hörbar gesprochen worden wäre: Das hat nichts mit dir zu tun. Es war die sofortige, deutliche Erkenntnis, dass ich nicht allein war. Unser allgegenwärtiger Vater-Mutter-Gott war bei mir und beschützte mich.
Der Mann stand direkt vor mir, doch es war fast, als stünde ich über der Situation. Mich erreichten einfache Anweisungen: Wenn er das nächste Mal nach mir griff, würde ich mich unter seinen Armen wegducken und nach draußen retten. Er kam auf mich zu und ich drängte mich gebückt an ihm vorbei auf den Bürgersteig. Ich stand schnell auf, und als ich mich umdrehte, war der Mann verschwunden.
Mir war klar, dass das keine Lösung war.
Etwas aus der Fassung, aber äußerst dankbar schloss ich die Tür zu meiner Wohnung auf und ging zu Bett. Die Botschaft, die mich in der Telefonzelle erreicht hatte – Das hat nichts mit dir zu tun –, war eine hilfreiche Anleitung für die weiteren Überlegungen über den Vorfall. Ich musste mich nicht mit den angstvollen Augenblicken aufhalten oder spekulieren, was hätte passieren können. Vielmehr konnte ich an die wahren Ereignisse denken: dass Gott, das Gute, eine verlässliche Quelle unserer Sicherheit ist und dass niemand wirklich außerhalb Seiner Fürsorge sein kann.
Mir kam der Gedanke, dass über die Sache hinauszuwachsen auch bedeutete, den Mann in einem anderen Licht zu sehen. Seine Handlungen ließen ihn wie einen Täter aussehen, doch mein Studium der Christlichen Wissenschaft hatte mich gelehrt, dass der Vorfall auch mit ihm nichts zu tun hatte. Jeder Mensch wird als Gottes Bild und Gleichnis geschaffen – das Bild und Gleichnis des unbefleckten Guten. So wie Gott keine schwache Frau erschaffen könnte, kann Er keinen gewalttätigen Mann erschaffen. Die Absichten des Mannes waren natürlich nicht angemessen, doch ich wusste, dass ich ihn ebenfalls im Gebet unter Gottes Schutz stellen musste, frei von gewalttätigen oder unreinen Impulsen.
So wie Gott keine schwache Frau erschaffen könnte, kann Er keinen gewalttätigen Mann erschaffen.
Diese Gebete gewährten mir den Frieden, um an dem Abend einzuschlafen und ansonsten ein herrliches Semester in dem Land zu verbringen, erfüllt von Zuversicht und Freiheit. Ich achtete darauf, nicht mehr nachts allein herumzulaufen, doch ich nahm auch ein besseres Verständnis von Gottes schützender Fürsorge zu allen meinen Aktivitäten mit.
Diese Erfahrung ist seitdem eine wichtige Stütze für mich; ich wohne ohne jedes Trauma in der Innenstadt und benutze öffentliche Verkehrsmittel, gehe auf Reisen und habe Kontakt mit Männern. Wenn ich von Fällen von Belästigung und Gewalt höre, kann ich aufgrund meiner Erfahrung beten, dass alle Frauen und Männer wissen und fühlen können, dass das nichts mit ihnen zu tun hat. Die Wirklichkeit, dass die geistige Identität unsere wahre ist – makellos, sicher, liebevoll und geliebt – lautet immer: „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben“ (Psalm 46:2).
