Der Apostel Paulus schrieb an die Kirchengemeinde, die er in Thessaloniki (im heutigen Nordgriechenland) gegründet hatte: „Betet ohne Unterlass, sagt Dank in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch“ (1. Thessalonicher 5:17, 18). Ohne Unterlass beten? Ist das machbar? Keinesfalls, wenn wir damit meinen, Tag und Nacht eine Reihe heiliger Worte und Phrasen zu wiederholen, ob still oder laut. Das meinte Paulus natürlich nicht! Vielmehr sprach er wohl eher davon, wie wichtig es ist, Gott aus ganzem Herzen zu lieben und die Disziplin des Gebets – der Kommunion mit „unserem Vater“, wie Er im Gebet des Herrn genannt wird – zu einer beständig hohen Priorität zu machen, genau wie Christus Jesus dies getan hat.
Das entspricht sehr dem Geist dessen, was die Christliche Wissenschaft über Gebet lehrt. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft, sagt dazu: „Das ständige Ringen, immer gut zu sein, ist Beten ohne Unterlass“ (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 4). Sie nennt es „das ständige Ringen, immer gut zu sein“. Nicht ein gelegentlicher oder zeitweiliger Einsatz, sondern konsequente, beständige Arbeit.
Zu versuchen, immer gut zu sein, ist schon schwer genug, wenn man es mit geliebten Menschen zu tun hat, und noch schwerer, wenn es um einen selbst geht. Die Versuchung, Kritik zu üben, ist nie fern. Doch Kritik und Zynismus haben nichts mit gut sein zu tun, daher müssen wir ihnen nicht nachgeben.
Die meisten von uns streben wohl danach, gute Menschen zu sein. Doch wie viele von uns ringen beständig darum, gut zu sein? Ich verstehe immer mehr, dass es bei diesem Ringen nicht um menschlichen Einsatz geht (obwohl gute Taten wichtig sind), sondern um die Bereitschaft, unser Denken an dem Guten, an Gott, ausgerichtet zu halten. Mit anderen Worten: danach zu streben, nichts als das Ebenbild der Liebe in unseren Mitmenschen zu sehen; nur die Vollkommenheit von Gottes Widerspiegelung wahrzunehmen, wenn den sterblichen Sinnen zufolge Unvollkommenheit – Aggression, Unehrlichkeit, Hass, Verzweiflung, Furcht usw. – zu sehen ist.
Allerdings werden die meisten von uns zugeben, dass das schwer sein kann, wenn wir es mit einer Person zu tun haben, deren Meinung wir nicht teilen oder die sich uns entgegenstellt oder uns schadet. Und doch sagte Christus Jesus in seiner Bergpredigt: „Liebt eure Feinde“ (Matthäus 5:44). Das ist ein grundlegender Glaubenssatz christlicher Praxis.
Mary Baker Eddy erklärt: „‚Liebe deine Feinde‘ ist gleichbedeutend mit ‚du hast keine Feinde‘“ (Vermischte Schriften 1883–1896, S. 9). Und sie schreibt ferner: „Liebet eure Feinde, sonst werdet ihr nicht frei von ihnen, und wenn ihr sie liebt, werdet ihr ihnen helfen, besser zu werden“ (ebd., S. 210–211). Doch wir können unsere Feinde nur lieben, wenn wir sie durch die Linse des geistigen Sinnes betrachten, durch die wir jeden Menschen (uns selbst eingeschlossen) so sehen können, wie er wirklich ist: als das liebevolle, liebenswerte und geliebte Kind Gottes. Das ist das beständige Gebet, das heilt und Harmonie wiederherstellt, wie ich einmal vor vielen Jahren erlebt habe.
Es war ein aktiver Tag gewesen, an dem ich unter anderem im Leseraum unserer Zweigkirche Dienst getan und für unsere Stadt gebetet hatte. Meine Gebete an diesem schönen Tag hatten alle, die mir in den Sinn kamen, in Gottes Liebe eingeschlossen.
Als ich am Abend ins Auto stieg, um nach Hause zu fahren, öffnete ein Mann die Beifahrertür und versuchte, zu mir ins Auto zu steigen. Ich sagte laut: „Nein! Das wollen Sie nicht tun!“ Er erschien aggressiv und für menschliche Vernunft unerreichbar zu sein, und es war niemand da, den ich um Hilfe bitten konnte. Doch ich wusste absolut sicher, dass Gott „eine Hilfe in den großen Nöten“ ist, wie wir in Psalm 46:2 lesen, und dass Er uns beide beschützte.
Der Mann sah viel größer und stärker aus als ich und versuchte verbissen, ins Auto zu steigen, aber ich sagte weiter laut: „Nein, das wollen Sie nicht tun!“ Und dann sagte ich: „Gott liebt Sie!“ Mein Gebet in diesem Augenblick der Not war, Gottes Schöpfung, das Bild und Gleichnis der Liebe, zu sehen, das vollständig gut war, auch wenn jeder materielle Augenschein das Gegenteil behauptete.
Obwohl der Mann mit einem Arm und einem Bein bereits im Auto war, konnte ich irgendwie die Beifahrertür schließen – wobei er draußen war und ich drinnen. So schnell, wie er aufgetaucht war, drehte er sich um und ging weg. Ich meldete den Vorfall der Polizei, die sich sehr dankbar zeigte. Ich hörte nie wieder etwas über die Sache, und es hat auch keine Meldungen über ähnliche Vorfälle in den Nachrichten gegeben.
Natürlich war ich dankbar für den Schutz, den wir beide erlebt hatten – er war davor bewahrt worden, ein Täter, und ich, ein Opfer zu werden –, doch für mich war die größere Lektion, dass ich jeden als von göttlicher Liebe regiert erkennen muss. Ich meine damit das Wissen, dass jeder Mensch von Natur aus für das Gute empfänglich ist – ja, dass er als Ausdruck bzw. Widerspiegelung der Liebe zum Guten gehört. Diese geistige Vision aufrechtzuerhalten, ist eine Möglichkeit, ohne Unterlass zu beten. Dieses Gebet ist unsere Rüstung, unser Schutz vor der aggressiven Suggestion, dass es jetzt oder jemals eine von Gott getrennte Macht geben könnte, die uns beeinflussen oder das Gefühl geben kann, dass uns etwas angetan wurde oder wir anderen etwas antun möchten.
Bei mir blieb weder Furcht, Hass, noch Sorge zurück. Die Versuchung, den Mann zu hassen oder zu fürchten, löste sich völlig auf. Ich betete darum zu wissen, dass er – und ich ebenfalls – sicher und geliebt war und weder Hass noch Aggression zum Opfer fallen konnte. Ich denke nach wie vor, dass wir beide an jenem Abend aufgrund dessen beschützt worden waren.
Das Ringen, gut zu sein, einander in geistigem Licht zu sehen, ist Beten ohne Unterlass. Als Paulus den anderen dieses beständige Gebet anempfahl, wusste er, welch machtvolle Auswirkungen es haben würde, die Menschheit aus der Knechtschaft des Hasses und der Krankheiten zu befreien, denn er hatte es selbst immer wieder erlebt. Diese Freiheit ist Gottes Wille für uns.
Ein beliebtes Lied im Liederbuch der Christlichen Wissenschaft sagt uns:
Ohn’ Unterlass zum Vater
steigt das Gebet empor.
Er hat Gewalt zu helfen,
hilft, wie Er half zuvor.
Der Zeiten Strom kann nimmer
vernichten Seinen Bund.
Sein Name tut sich allen
in ew’ger Liebe kund.
(James Montgomery, Nr. 75, Adapt. und Übers. © CSBD)
Was für ein wundervolles Versprechen!
