Wir lesen in der Bibel, dass Daniel ein Jugendlicher unter den Hebräern war, die König Nebukadnezar nach Babylon verschleppt hat. Daniel gilt als einer der „großen Propheten“ und wird von alters her von den Leserinnen und Lesern der Bibel geliebt. Und nicht nur von ihnen: Daniel erhielt drei Mal eine Engelsbotschaft, die ihm versicherte, dass auch Gott ihn liebte, einmal mit den Worten: „Du bist vielgeliebt“ (Daniel 9:23). Diese Botschaften erreichten ihn in Augenblicken, in denen er vielleicht befürchtete, der Liebe Gottes nicht würdig zu sein.
Daniels Erfahrung zeigt mir, dass wir alle eine verlässliche und beständige Liebe empfangen möchten – eine Liebe, die nicht wankt. Das Gute ist, dass wir wie Daniel bereits mit unendlicher Liebe geliebt werden, nämlich der Liebe, die von Liebe, Gott, ausströmt. Diese Liebe ist von Dauer und wird weder durch Zeit noch durch Raum beschränkt.
Ich verstand dies eines Tages, als mein Mann und ich eine Landstraße entlangfuhren. Plötzlich war ich von der Schönheit der Landschaft ganz bezaubert. Ich bin an die sanften Hügel der Stadt gewöhnt, in der wir leben. Der Anblick der Bäche, die sich von weit oberhalb der Straße einen Weg nach unten bahnten, war sehr beeindruckend. In der Herbstsonne sah ich Herden weißer Schafe auf grünen Weiden und kleine Häuser in der Ferne, die mich an eine Spielzeuglandschaft erinnerten. Das ganze Panorama war von Licht und Farbe erfüllt, und einen Augenblick hatte ich Tränen in den Augen. Ich dankte Gott für das, was ich von der Naturschönheit wahrnehmen konnte. Es kam mir vor, als sähe ich einen Schimmer Seiner Größe und Seiner Liebe zu Seiner Schöpfung – einen Schimmer von etwas Geistigem und Ewigem. Ich musste während der ganzen weiteren Fahrt daran denken.
Die Christliche Wissenschaft offenbart, dass die Herrlichkeit der Natur einen kleinen Einblick in wahre Schöpfung gewährt. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft, nennt sie eine „Verheißung“ (Vermischte Schriften 1883–1896, S. 87) – eine Verheißung von etwas, das geistig und erhaben ist und bereits hier und jetzt existiert. Und in ihrem Hauptwerk Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift erklärt sie: „Das Licht geistigen Verständnisses bietet nur einen Schimmer des Unendlichen, so wie Nebelschwaden auf die Unermesslichkeit des Weltraums hinweisen“ (S. 509).
Der herrliche Schimmer „des Unendlichen“, den ich auf unserem Ausflug gesehen habe, war ein Schimmer dieses göttlichen Universums. Ich wurde von dieser Erkenntnis ganz vereinnahmt und verstand, dass ich die Herrlichkeit von Gottes geistiger Schöpfung widerspiegele. Ja, wirklich! Und Gottes Schöpfung ist ganz und gar frei von Unvollkommenheit, also muss der geistige Mensch ebenfalls vollkommen sein. „Gott bringt im Menschen die unendliche Idee zum Ausdruck, die sich unaufhörlich entwickelt, sich erweitert und von einer grenzenlosen Basis aus höher und höher steigt“ (ebd., S. 258).
Somit werden die Eigenschaften, die ich in dieser herrlichen Landschaft wahrgenommen habe, von jedem Menschen als dem höchsten Ausdruck Gottes widergespiegelt. Ich fühlte mich auf dieser Fahrt innig geliebt und spüre diese unerschöpfliche Liebe auch weiterhin um mich herum.
Manchmal dauert es vielleicht etwas, bis wir erkennen, dass unsere wahre Individualität darin besteht, geliebt zu sein. Oder möglicherweise wird von uns verlangt, mehr daran zu arbeiten, alte, begrenzte Vorstellungen von Gott und uns selbst durch eine geistige Perspektive zu ersetzen. Doch diese neue Denkweise bringt uns dem Konzept dessen, wer wir wirklich sind, näher, denn sie stärkt und fördert unser geistiges Verständnis. Unsere wahre, wertgeschätzte Individualität zu verstehen, kann das Gefühl ersetzen, wir seien ungeliebt, unwürdig, oder gar überflüssig.
Viele von uns kennen dieses Gefühl aus eigener Erfahrung. Vor einigen Jahren rief eine Frau einen Praktiker der Christlichen Wissenschaft an und sagte, sie habe am ganzen Körper starke Schmerzen und könne morgens kaum aus dem Bett kommen. Sie konnte die Arme nicht bewegen und auch nicht uneingeschränkt laufen, also müsse sie den Großteil des Tages sitzen, unfähig, ihrem Mann bei den einfachsten Hausarbeiten zu helfen. Sie fühlte sich gänzlich nutzlos. Als sie mehrmals mit dem Praktiker telefonierte, fühlte er sich beim letzten Gespräch veranlasst, ihr zu sagen, was er über Gott erfahren hatte, mit anderen Worten, über unsere wahre Natur, die geistig und vielgeliebt ist. Die Frau schien dieses neue Konzept über sich zu akzeptieren, und nach ungefähr einer Woche rief sie ihn wieder an. Diesmal hörte er große Freude in ihrer Stimme, einen Ton, der ihm bei ihr ganz neu war.
Sie berichtete, dass die Schmerzen nach ihrem letzten Telefonat noch schlimmer geworden waren. Doch diesmal war sie bereit, sich ihnen zu widersetzen. Sie fing an, alles zu bekräftigen, was sie hinsichtlich ihres wahren Seins als die einzig existierende Wirklichkeit verstanden hatte. Und in diesem Augenblick begriff sie, dass sie sich ihr ganzes Leben lang selbst verachtet hatte. Sie war überzeugt gewesen, weniger Intelligenz zu besitzen als andere, und hatte sich sogar mehrmals als dumm und hässlich bezeichnet. Kurz gesagt, sie hatte sich gar nicht gekannt und daher auch nicht wirklich geliebt.
Als die Schmerzen aufhörten – und das taten sie fast augenblicklich –, betrachtete sie sich im Spiegel und sah etwas ihr ganz Neues: dass sie schön war. Sie verstand, dass Gott sie liebevoll umgab und dass Er sie nach Seinem Ebenbild erschaffen hatte, wie das erste Kapitel der Bibel erklärt. Dieses neue Konzept von sich selbst, ihre wahre Identität – vollständig, zufrieden, strahlend –, vertrieb die Schatten dessen, was sie zuvor über sich gedacht hatte. Als sie fühlte, wie die Liebe, Gott, sie zärtlich geborgen hielt, verschwanden die alten Vorstellungen, die sie so lange gehegt hatte, vollständig. Sie weiß nun mit Überzeugung, dass das wundervolle Gefühl, von Gott geliebt zu sein, sie nie wieder verlassen wird.
Wir alle wollen beständig und wirklich geliebt werden, besonders inmitten schwieriger Umstände. In welcher Situation wir uns auch befinden mögen – ob allein oder in Begleitung anderer – oder wie wir uns selbst sehen, Gott kennt und liebt uns wahrlich jetzt in diesem Augenblick. Was die materiellen Sinne auch über unser Wesen und Wohlbefinden behaupten mögen, Gott sieht Seine Schöpfung so, wie Er sie erschaffen hat: Seinem Ebenbild entsprechend. Wenn wir diese Tatsachen überzeugt bestätigen, machen wir sie uns zu eigen, und dann können wir die Liebe der Liebe fühlen, eine machtvolle Liebe, von der wir uns niemals trennen können.
Wir alle – als Gottes individuelle Kinder – können mit Autorität sagen: Ja, ich bin eine vielgeliebte Idee Gottes.
