Eines Morgens rief mich ein Freund an und erzählte mir, dass sein Sohn, ein Freund meines Sohnes, nach einem Streit von zu Hause weggelaufen sei. Er fragte, ob mein Sohn oder ich vielleicht wüssten, wo er sei.
Ich hatte keine Information über den Aufenthaltsort des Jungen, aber ich konnte beten, und das tat ich auch sofort. Durch mein langjähriges Studium und meine langjährige Praxis der Christlichen Wissenschaft habe ich gelernt, dass Gott unabhängig von der Situation immer da ist, um zu führen, zu beschützen und zu heilen. Gott ist die beste Hilfe, die man je haben kann, wenn man mit Erziehungsproblemen oder anderen Schwierigkeiten konfrontiert ist.
Die Bibel fragt und gibt dann die Antwort (Psalm 139:7–10): „Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht? Stiege ich zum Himmel hinauf, bist du da. Bettete ich mich ins Totenreich, sieh, auch dort bist du. Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, dann würde mich doch deine Hand dort führen und deine Rechte mich halten.“
Dieser Abschnitt bedeutete für mich, dass wir nicht von Gott abdriften können. Darin wurde ein allgegenwärtiger Vater beschrieben, der bei dem Freund meines Sohnes, bei dessen Eltern und bei der Polizei war, die nach ihm suchten. Im Gebet bejahte ich, dass Gott alle beschützt, liebt und mit Seiner „rechten Hand“ hält. Gott ist unendlich, daher wusste ich, dass es keinen Ort gab, zu dem jemand gehen konnte, wo Gott nicht bereits war. Oder, wie ein Sonntagsschullehrer immer zu sagen pflegte: „Ob fern, ob nah, Gott ist schon da!“
An diesem Tag lernte ich, den Freund meines Sohnes lieben. Bis dahin hatte ich den Jungen (den ich James nennen werde) als schlechten Einfluss angesehen. Ich mochte es nicht, wenn er und mein Sohn gemeinsam unterwegs waren, da immer etwas aus dem Ruder lief. Mein Sohn fragte mich einmal, warum ich James nicht mochte. Ich antwortete ehrlich: „Es ist nicht er, den ich nicht mag. Es ist das, was ihr beide zusammen macht, was ich nicht mag.“
An diesem Tag jedoch nutzte ich die Gelegenheit, den Jungen so zu sehen, wie Gott ihn sah – als Seinen geliebten Sohn. Als geistiger Ausdruck der Güte Gottes konnte James kein Störenfried sein. So hatte Gott ihn nicht geschaffen. Gott hatte James und alle Menschen nach Seinem Bild und Gleichnis erschaffen, wie es im ersten Kapitel der Bibel steht. Deshalb musste James von Natur aus liebevoll, fürsorglich und verantwortungsbewusst sein.
Ich stellte mir vor, ich wäre an seiner Stelle – allein und verängstigt. Sofort empfand ich Mitgefühl für ihn. Aber da ich erkannte, dass diese Reaktion nicht helfen würde, wandte ich mich an Gott und fragte, was ich wissen sollte. Dann schlug ich Mary Baker Eddys Buch Vermischte Schriften 1883–1896 auf, und ein Absatz sprang mir förmlich ins Auge. Er bezieht sich auf die Zeit, als Philippus der Evangelist von Gott gesandt wurde, um den Schatzmeister der Königin Kandake zu treffen, der auf seiner Reise durch die Wüste aus dem Buch des Propheten Jesaja las. Nachdem Philippus ihm die Prophezeiungen über Jesus erklärt hatte, fragte der Mann, ob er getauft werden könne. Philippus antwortete, dass er das durchaus könne: „Glaubst du von ganzem Herzen, dann ist es erlaubt.“ Der Mann antwortete: „Ich glaube, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist“ (siehe Apostelgeschichte 8:26–39).
Mrs. Eddy schreibt (Vermischte Schriften, S. 77): „Philippus verlangte, dass er nicht nur die Fleischwerdung – die Offenbarwerdung Gottes durch den Menschen – anerkenne, sondern auch die ewige Einheit von Mensch und Gott als göttliches Prinzip und geistige Idee, das heißt das unauflöslich einigende Band, die Kraft der Gegenwart von Leben, Wahrheit und Liebe in der göttlichen Wissenschaft, die ihren vollkommenen Menschen erhalten. Das ist die große Liebe, die uns der Vater erzeigt hat, und sie erhält den Menschen in endlosem Leben und einem ewigen Kreislauf harmonischen Seins. Sie leitet ihn mit der Wahrheit, die keinen Irrtum kennt, mit übersinnlicher, unparteiischer, unauslöschlicher Liebe.“
Zunächst fand ich es seltsam, zu dieser Stelle geführt zu werden. Aber dann begann ich, jede Zeile zu entschlüsseln, und erkannte, dass dieser Absatz alles enthielt, was ich wissen und beherzigen musste. Ich war überzeugt von der ewigen, unzertrennlichen Einheit des Menschen mit Gott. Es war klar, dass die göttliche Liebe unparteiisch ist, niemanden ausschließt und uns liebt, auch wenn wir vielleicht das Gefühl haben, dass wir Liebe nicht verdienen oder gar nicht wollen. Ich verstand, dass James bereits jetzt bei Gott zu Hause und an seinem richtigen Platz war. Ich war davon überzeugt, dass er unversehrt zu seinen Eltern zurückkehren würde, und war beruhigt.
Später am Nachmittag war ich dankbar, aber nicht überrascht, als ich die Nachricht erhielt, dass James wohlbehalten gefunden worden war. Ich dankte Gott für Seine Führung und Seinen Schutz für alle Beteiligten.
Obwohl ich weiß, dass ich nicht die Einzige war, die dafür betete, James nach Hause zu bringen, bin ich dankbar für mein eigenes Wachstum in der Gnade an diesem Tag, um zu verstehen, dass es wirklich keinen Ort gibt, an den wir gehen können, wo Gott nicht ist und uns in Seiner rechten Hand hält.
Laurie Toupin
