In Büchern, Filmen und Zeitungen sieht man oft brenzliche Situationen wie Überfälle, Entführungen und sonstige Gewalt. Ich habe mich früher manchmal gefragt: „Wie würde ich in so einer Situation reagieren?“
Und dann fuhr meine Mutter meinen Bruder João, meine Schwester Bruna und mich im letzten September einmal zur Schule. Unterwegs sah sie eine gute Freundin am Straßenrand und hielt an, um mit ihr zu reden. Also stiegen Bruna, João und ich aus und gingen den Rest des Weges zu Fuß. Wir waren diese Strecke schon oft gegangen.
Als wir fast da waren, kamen uns vier Jungen entgegen. Der Jüngste war ungefähr 10 und der älteste 17. Sie sahen aus wie ganz normale Jungen meiner Schule, auch wenn sie weniger gut angezogen waren. Doch mir fiel etwas ganz anderes auf. Sie fingen an, miteinander zu flüstern, und ich begriff sofort, dass sie uns ausrauben wollten. Als sie vor uns standen, sagte der Älteste zu meinem Bruder, er solle ihm sein Handy geben. Wenn nicht, erklärte er, würde er ihn erschießen.
Es wurde sehr still, aber keiner von uns reagierte auf die Jungen oder gab der Forderung nach. Als ich da so stand, kam mir ein Gedanke: „Wir sind alle Kinder desselben Vaters, Gottes, und in Seinen Augen sind wir gleichwertig.“ Ich weiß noch, wie ich dachte, dass wir alle zur selben Familie gehören, auch wenn wir nicht die gleiche Hautfarbe haben oder uns unterschiedlich verhalten. Familienmitglieder versuchen, einander wie Geschwister zu behandeln – eben so, wie sie selbst behandelt werden wollen. Sie tun sich gegenseitig nichts an. Daher war ich ganz sicher, dass diese Jungen uns auch nichts tun würden.
Meine Eltern und Sonntagsschullehrer haben mir von klein auf diese Stelle aus der Bibel beigebracht: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach dem Vorsatz berufen sind“ (Römer 8:28). Und ich wusste, dass Gott „jeder Notlage gewachsen ist und vollständige Erlösung von Sünde, Krankheit und Tod gewährt“ (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy, S. 406). Als diese Jungen vor uns standen, dachte ich gleich an diese Stellen. Dadurch fühlte ich mich sicher und wusste, dass Gott alle regiert und beschützt.
Wir waren ganz nah bei einem Café, und ich sagte mit fester Stimme zu den Jungen: „Hört zu, er wird euch sein Handy nicht geben. Da drüben ist ein Café und drinnen sitzt ein Polizist.“ Ich sehe manchmal, wie Polizisten sich da etwas zu essen kaufen, und dachte, dass einer vielleicht da war. Die Jungen rannten weg.
Diese Erfahrung hat mir eine Menge darüber gezeigt, wie wichtig es ist, andere mit reinen Augen zu sehen. Damit meine ich, keine Vorurteile zu haben, sondern zu verstehen, dass wir alle die vollkommenen und zufriedenen Kinder Gottes sind. Ich glaube, dass das Leuten helfen wird, sich selbst mit anderen Augen zu sehen und zu verstehen, dass sie anderen nichts wegnehmen müssen, um glücklich zu sein. Dieselbe göttliche Liebe, die mir Zufriedenheit gibt, befriedigt auch alle anderen Menschen, einschließlich dieser vier Jungen.
Ich habe sie nie wiedergesehen, obwohl ich weiterhin denselben Weg zur Schule nehme. Und ich habe keine Angst.
Wenn ich jetzt Seifenopern im Fernsehen sehe, weiß ich, dass ich in der Lage bin, mit schwierigen Situationen der Art fertigzuwerden, die da gezeigt werden.
