Einer der größten Fallstricke, wenn man sich für den Pfad geistigen Wachstums entscheidet, mag der sein, in einen chronischen Zustand der Selbstvervollkommnung zu verfallen – ein Streben nach menschlicher Perfektion. Wenn wir an geistige Arbeit mit dem Ziel herangehen, dass etwas an uns in Ordnung gebracht oder verbessert werden muss, können wir in einen Kreislauf geraten, in dem wir ständig glauben, besser werden zu müssen.
Doch was wäre, wenn wir Wachstum mit dem Ziel anstreben würden zu entdecken, was hinsichtlich unserer geistigen Vollständigkeit jetzt schon wahr und zutreffend ist? Wenn unsere Herangehensweise an individuelles Wachstum auf einer göttlichen Grundlage steht, einem Verständnis unserer Einheit mit Geist, Gott – und daran festhält –, dann sind unsere Bemühungen mehr auf geistige Entdeckung und das Ziel zentriert, das zu leben, was wir bereits sind. Und wir hören auf zu meinen, dass wir erst froh sein können, wenn wir alle möglichen Dinge über uns selbst in Ordnung gebracht haben.
Tatsache ist, dass unser wahres, geistiges Selbst keiner Verbesserung bedarf. Und die wirkliche Arbeit des geistigen Wachstums liegt darin, mehr von unserem wahren Selbst zu entdecken, indem wir verstehen, was Gott, Geist, ist und was jeder von uns als Gottes Schöpfung ist. Wir enthalten alle Eigenschaften des Geistes.
Die Praxis der Christlichen Wissenschaft schließt keine psychologischen Mittel ein, mit denen wir uns dazu bringen können, unerwünschte Charaktereigenschaften abzulegen. Wir wissen aus Erfahrung, dass das in der Regel eh nicht funktioniert. Vielmehr ändern sich Dinge, wenn wir all das Streben, ein begrenztes Verständnis von uns selbst zu verbessern, zum Schweigen bringen und unser Herz und unsere Seele für die Christus-Macht öffnen – das Verständnis unserer natürlichen gottgegebenen göttlichen Güte.
In dieser Stille fühlen wir uns gänzlich bei der göttlichen Liebe gegenwärtig. Und der Christus zeigt uns, wie wir unsere eigene Gottähnlichkeit erkennen können, damit wir aufhören, uns in Denkschemen hereinziehen zu lassen, in denen wir uns ständig selbst hinterfragen und unsere Schwächen (oder die anderer) analysieren. Diese Art von „Selbstvervollkommnung“ ist häufig nichts anderes als getarnte Selbstverdammung. Sie würde uns von dem wahren, geistigen Wachstum abhalten, das zu Heilung und Umwandlung führt. Christus, der unserem Bewusstsein immer von Gottes Güte berichtet, befähigt uns, nicht nur unsere Schwächen im Zaum zu halten, sondern sie abzulegen, wenn wir erkennen, dass sie nicht zu uns gehören. Chronische Versuche der Selbstvervollkommnung halten unsere Aufmerksamkeit auf uns selbst gerichtet, statt auf die wundervollen, reichhaltigen Möglichkeiten, mit denen wir zum Fortschritt der Menschheit beitragen können.
Das bedeutet nicht, dass wir uns damit abfinden, mit unseren schlimmsten Charaktereigenschaften zu leben, oder dass wir sie akzeptieren. Im Gegenteil: Je mehr wir bestrebt sind, bei Gott zu sein, desto schneller werden ungehobelte Bereiche unseres Charakters geglättet. Wenn wir uns auf Gottähnlichkeit fokussieren, erkennen wir mehr von unserer gottähnlichen Natur und der anderer. Wir erleben Einheit mit Gott, ein Gefühl der göttlichen Gegenwart, die den Kampf, besser zu werden, beendet und uns den Frieden unseres wahren Seins verleiht. Mary Baker Eddy erklärt: „Ein wenig mehr Freundlichkeit, ein geläuterter Beweggrund, einige liebevoll mitgeteilte Wahrheiten, ein besänftigtes Herz, ein beherrschter Charakter, ein hingebungsvolles Leben würden die rechte Tätigkeit des inneren Triebwerks wiederherstellen und offenbaren, dass die Bewegung von Körper und Seele im Einklang mit Gott steht“ (Vermischte Schriften 1883–1896, S. 354).
Wir erleben diese Gnade und Sanftheit, wenn wir aufhören, die Ergebnisse kontrollieren zu wollen – wenn wir uns stattdessen dem Christus fügen, der wahren Idee des Guten, die immer im menschlichen Bewusstsein aufdämmert. Dann finden Heilung und Umwandlung statt. Wir denken besser, fühlen uns besser und sind besser. Warum? Weil das, was sich wie Wachstum oder Selbstvervollkommnung anfühlt, in Wahrheit eine materielle Sichtweise von uns ist, die der Wirklichkeit des geistigen Lebens Raum macht.
Statt „Selbst“-Hilfe zu praktizieren, wenden wir uns der Christus-Idee im Bewusstsein zu, der gottzentrierten, unendlichen Natur aller Wirklichkeit, um das Denken mit dem Licht unserer eigenen Gottähnlichkeit zu erhellen, die Jesus uns gezeigt hat. Wir lesen in der Bibel, dass nach Jesu Taufe „eine Stimme vom Himmel herab sprach: ‚Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe‘“ (Matthäus 3:17). Die Botschaft, dass Gott ihn liebt und anerkennt, wurde ausgesprochen, noch bevor Jesus der Welt seine machtvollsten Werke gezeigt hatte.
Das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft beschreibt, „wie“ Selbstvervollkommnung funktioniert: „Eine irrige Auffassung wird durch die Wahrheit zerstört. Ändere die Aussage und es verschwindet das, was dieser falschen Auffassung vorher wirklich erschienen war, und das menschliche Bewusstsein steigt höher. So wird die Wirklichkeit des Seins erreicht ...“ (Mary Baker Eddy, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 297, Randüberschrift „Selbstvervollkommnung“).
Der Christus, der göttliche Einfluss im menschlichen Bewusstsein, macht uns diese Zerstörung falscher Überzeugungen leichter. Wenn wir uns diesem göttlichen Einfluss fügen, führt uns der Christus fort von menschlichem Perfektionismus und dazu, mehr von der göttlichen Vollkommenheit und Herrlichkeit zu erleben, die eine Kenntnis Gottes und das Wissen über uns selbst als vollständige, herrliche Ideen mit sich bringt, die all die Liebe empfangen, die Gott für uns hat. Dann werden wir uns wie Christus Jesus, der vom Standpunkt absoluter Vollständigkeit aus gelebt hat, unserer göttlichen Natur bewusst und fangen an, in seine Fußstapfen zu treten und Heilung zu erlangen und in der Welt zu verbreiten.
Larissa Snorek
Stellvertretende Chefredakteurin