Als Gott sich Mose auf dem Berg Horeb in einer feurigen Flamme aus einem Dornbusch offenbarte, sprach Er zu ihm: „... zieh die Schuhe aus von deinen Füßen; denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land!“ (2. Mose 3:5). Wieso „heiliges Land“? Weil Gott dort war. Gott ist heilig und allgegenwärtig, daher können wir uns nie an einem Ort befinden, der nicht heilig ist, mit anderen Worten, an einem schlechten Ort oder am falschen Platz.
2006 bot sich mir die Gelegenheit, die Insassen des zentralen Gefängnisses von Douala mit der Christlichen Wissenschaft bekanntzumachen. Bei meinen Besuchen wurde ich mit dem Anblick von Armut, Leiden, menschlicher Entwürdigung, Grausamkeit und sogar Tod konfrontiert. Als Praktikerin der Christlichen Wissenschaft betete ich darum, die Wirklichkeit der Allgegenwart Gottes, der göttlichen Liebe, und Seiner beschützenden Macht besser zu verstehen und insbesondere die Liebe Gottes zu Seinen Kindern, die sich stets in Seiner Gegenwart befinden, klarer zu erkennen. Zitate aus der Bibel sowie aus dem Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy, halfen mir dabei, mein Denken zu vergeistigen.
Für manche Insassen war das Gefängnis die reinste Hölle, da täglich ein oder zwei Häftlinge infolge der schlechten Haftbedingungen (unzureichende Nahrung und Kleidung sowie mangelnder Schutz vor Kälte, Hitze und Regen) starben.
Unter den Insassen, die sich mit den Lehren der Christlichen Wissenschaft befassten, gab es etliche, die anfingen, mir bezüglich der Zustände, die im Gefängnis herrschten, Fragen zu stellen. Neben dem Angebot, die Gottesdienste zu besuchen, bestand für Interessierte ebenfalls die Möglichkeit, einen Gesprächstermin mit mir zu vereinbaren sowie um Behandlung durch Gebet zu bitten. Ich hatte darüber hinaus auch die Genehmigung bekommen, die Gefängnisinsassinnen zu den Gottesdiensten einzuladen.
Viele Häftlinge fingen an, sich für die Lehren der Christlichen Wissenschaft zu interessieren und ihnen Glauben zu schenken, als sie die Heilungen sahen, die durch Gebet vollbracht wurden, u. a. Heilungen von Hautkrankheiten, Fieber, Gelbsucht, Kopf- und Zahnschmerzen, von einer Brandwunde an der Hand, einem entzündeten Fuß und einer schweren Augenverletzung. Vor allem aber konnte ich einen Verhaltenswandel beobachten. Viele beschlossen, ihre kriminelle Vergangenheit ein für allemal hinter sich zu lassen.
Einige unter den Häftlingen, die unschuldig im Gefängnis saßen, gelangten zu der Einsicht, dass sie ihren Anklägern vergeben mussten und mithilfe der Christlichen Wissenschaft nach vorne schauen konnten. Mehreren Insassen gelang es, den Kontakt mit ihren Angehörigen und Freunden wieder aufleben zu lassen, als sie verstanden, dass Gott das einzige Gemüt ist, das jedes Seiner Kinder regiert. Andere wiederum, die zuvor von Mitinsassen gemobbt und tyrannisiert worden waren, konnten sich von dieser Schikane befreien. Alle diese Beispiele bestätigen die folgende Aussage von Mary Baker Eddy, der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft: „Die beste Predigt, die je gehalten wurde, ist die Wahrheit, die durch die Zerstörung von Sünde, Krankheit und Tod praktiziert und demonstriert wird“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 201).
Ich schlug den Häftlingen, die regelmäßig und getreulich den Gottesdiensten beiwohnten, vor, gemeinsam zu beten, um die Wirklichkeit des Guten und der Harmonie im Gefängnis zu demonstrieren. Unser Meister Christus Jesus sagte: „Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubt nur, dass ihr es bekommt, dann werdet ihr es erhalten“ (Markus 11:24). Wir mussten lernen auf diese Verheißung zu vertrauen, und wir bemühten uns darum, die folgenden Erklärungen aus Wissenschaft und Gesundheit in die Tat umzusetzen: „Die Hingabe des Denkens an eine ehrliche große Leistung macht diese Leistung möglich“ (S. 199) und „Halte das Denken beständig auf das Dauernde, das Gute und das Wahre gerichtet, und du wirst diese in dem Verhältnis erleben, wie sie dein Denken beschäftigen“ (S. 261).
Und so machten wir es uns in unserer gebetvollen Arbeit alle zur Aufgabe, eine klarere Vorstellung von dem Ort zu gewinnen, wo Gottes Kinder wirklich leben, nämlich dem Himmelreich, das im Glossar von Wissenschaft und Gesundheit folgendermaßen definiert wird: „Die Herrschaft der Harmonie in der göttlichen Wissenschaft; das Reich des unfehlbaren, ewigen und allmächtigen Gemüts; die Atmosphäre des Geistes, in der Seele allerhaben ist“ (S. 590). Wo höllische Zustände zu herrschen scheinen, müssen wir erkennen, dass Gott immer und überall gegenwärtig ist, und wir dürfen keinen Augenblick lang akzeptieren, dass es eine andere Macht geben könnte.
Weniger als ein Jahr, nachdem ich meine ehrenamtliche Tätigkeit im Gefängnis aufgenommen hatte, bemerkte ich eines Morgens bei meinem Besuch eine Gruppe von Insassen, die in einer Schlange anstanden. Ich erfuhr, dass jemand, der in dem Gefängnis inhaftiert war, sich bereit erklärt hatte, die Kosten für drei tägliche Mahlzeiten für diejenigen Häftlinge zu tragen, die weder auf die Hilfe von Angehörigen noch auf anderweitige Unterstützung zählen konnten. Diese Person sorgte außerdem dafür, dass zwei große Zelte aufgestellt wurden, sodass Insassen, die im Gefängnishof unter freiem Himmel schlafen mussten, vor den Elementen geschützt waren.
Es war noch nicht einmal ein Monat vergangen, da war das Gefängnis kaum wiederzuerkennen: Es gab keine Gefangenen mehr, die infolge von Hunger, Kälte oder Krankheit entkräftet waren, und weniger Menschen wurden krank oder starben.
Ungefähr zur gleichen Zeit erließ die Regierung unseres Landes eine Verordnung, wonach die Bedingungen für eine Inhaftierung überarbeitet werden sollten. Einige der Häftlinge, die die Christliche Wissenschaft studierten, saßen schon seit über einem Jahr in Untersuchungshaft. Andere wiederum hätten längst entlassen werden sollen, blieben aber inhaftiert, weil ihre Akten unauffindbar waren und es an Personal mangelte, um sie zu suchen. Es gab eine ganze Reihe ähnlicher ungerechter Fälle. Eine Regierungskommission wurde eingesetzt, was dazu führte, dass mehr als fünfhundert Insassen entlassen wurden, unter ihnen auch Mitglieder der christlich-wissenschaftlichen Gefängnis-Gruppe.
Für viele aus dieser Gruppe war das Gefängnis nicht mehr die Hölle. Es war zwar immer noch kein Paradies, aber die Zustände hatten sich dramatisch verbessert. Es herrschte eine Atmosphäre der Zuversicht. Einige Insassen betrachteten ihre Inhaftierung inzwischen als eine Gnade Gottes, dank derer sie zur Christlichen Wissenschaft gefunden hatten.
Mittlerweile sind etliche von denen, die die Christliche Wissenschaft während ihres Gefängnisaufenthalts ernsthaft studierten, aktive Zweigkirchenmitglieder geworden, und einige von ihnen traten sogar der Mutterkirche bei.
Ich bin unserem Vater-Mutter Gott täglich dankbar, dass es mir vergönnt war, fünf Jahre lang in diesem Gefängnis ehrenamtlich tätig zu sein, und es freut mich ebenfalls, dass andere Kirchenmitglieder die Insassen weiterhin betreuen. Für mich waren die Probleme, mit denen ich bei meinen täglichen Besuchen im Gefängnis konfrontiert wurde, ein Anstoß zu beten und mein Vertrauen auf Gott sowie meine Überzeugung, dass die Lehren der Christlichen Wissenschaft wahr sind, zu festigen. Aufgrund der Veränderungen, die ich damals mit eigenen Augen beobachten durfte, kann ich heute, egal wo ich mich befinde und was immer die Herausforderung auch sein mag, sagen: „Dies ist ein heiliger Ort – hier und jetzt“, und ich sehe Beweise dafür, denn Gott ist überall gegenwärtig.
 
    
