Die ältere Dame hatte gerade problemlos und elegant ihr Auto in eine winzige Parklücke manövriert. „Siehst du, ich kann das noch!“, sagte sie zufrieden. „Wieso noch?“, fragte ich. Für mich hatte es keinen Zweifel gegeben, dass sie das konnte. Sie war schließlich eine ausgezeichnete Autofahrerin.
Nach diesem kurzen Austausch fiel mir diese Verbindung aus einer Fähigkeit und „noch“ immer wieder auf. Die beiden werden so oft miteinander kombiniert, dass uns kaum bewusst wird, was damit ausgesagt wird. Wir lesen, dass der 30-jährige Tennisspieler noch mit seinem viel jüngeren Gegenspieler mithalten kann, dass die Mittvierzigerin noch gut aussieht und das Ehepaar in den Sechzigern noch tolle Reisen unternimmt. Kaum einer denkt sich etwas dabei.
Doch betrachten wir die Denkweise hinter dieser Wendung näher, dann stellen wir fest, dass sie die Menschheit in Ketten legt. Sie engt die Aussage und damit die Erwartung der Fähigkeit ein, um die es geht. Kinder verkünden stolz, dass sie etwas schon können. Wer hat nicht den strahlenden Triumph eines Kindes gesehen, das gerade das Radfahren erlernt hat? Irgendwann verschwindet dieses schon dann aus der Ausdrucksweise, und über mehrere Jahrzehnte kann man Dinge, ohne sie näher verbal auszuschmücken. Und dann schleicht sich irgendwann das noch ein. Die Implikation ist klar: Eines Tages ist es mit dem Können vorbei. Statt etwas Neues zu lernen, werden Dinge verlernt. Damit folgt man, ohne es zu merken, dem Muster von Wachstum, Reife und Verfall, das die materielle Natur vorgibt.
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