„Fünf Minuten!“ kennen Theaterfans als den Ruf des Regisseurs zu einer kurzen Probenpause. Es sagt eigentlich: „Macht kurz Pause, entspannt euch und seid pünktlich wieder zurück!“
Als Oberstufenschülerin ging ich in den Sommerferien einmal am Tanglewood Theater in North Carolina „in die Lehre“. Da vermittelte mir die große schwedische Schauspielerin Signe Hasso eine ganz neue Perspektive auf diese „fünf Minuten!“ Die Meisten von uns stürmten in der Pause aus dem brütend heißen Probesaal an die frische Luft und tranken etwas Kühles. Signe Hasso aber, die in unserer Produktion der Anastasia die Hauptrolle spielte, hat sich einfach hingesetzt, die Augen geschlossen, den Kopf zurückgelegt und ruhte so in ihren eigenen privaten Gedanken aus. Und wenn sie zur Probe zurückkehrte, war sie frisch und erholt.
Das hat mich inspiriert und so verbrachte ich von da an meine Probenpausen anders. Ich nahm mir die wenigen Minuten, um Gottes Liebe und Seinen Frieden zu empfinden, genau dort in der hektischen Welt des Sommertheaters. Und sobald ich damit begonnen hatte, verschwanden der Druck und das Heimweh, die ich kurz zuvor noch empfunden hatte. Den Rest des Sommers habe ich einfach nur genossen!
Jahre später, als unsere Kinder schon herangewachsen waren und ich für meine Arbeit als Lehrkraft an der Universität jeden Tag 150 km pendeln musste, fühlte ich mich oft gestresst. Eines Tages hab ich mich über die Situation einmal bei meinem Vater beklagt. Der hat nur gelächelt und mir seine Hand mit den fünf ausgestreckten Fingern hochgehalten. „Nur fünf Minuten!“, sagte er. „Bete fünf Minuten am Tag, Schatz, und du wirst einen Unterschied feststellen.“
Er hatte recht. Zwar las ich jeden Tag die Bibellektion. Aber hatte ich mir immer die Zeit genommen, für meine Familie und mich selbst zu beten? Ehrlich gesagt, nein. Also begann ich meinen Arbeitsweg besser zu nutzen. Ich habe speziell mit drei Satzungsbestimmungen gebetet, die laut Kirchenhandbuch jedes Mitglied „täglich“ erfüllen sollte: „Eine Richtschnur für Beweggründe und Handlungen“, „Tägliches Gebet“ und „Pflichttreue“ (S. 40-42). Das alles führte mich zu einer aktiven Gemeinschaft mit meinem Vater-Mutter Gott und zu einer schönen Wahrnehmung vom Reich der Wahrheit und Liebe in mir selbst und in anderen. Sehr schnell habe ich den heilsamen Stoß entdeckt, den selbst nur wenige Momente der Zwiesprache mit Gott auslösen können. „Werde dir einen einzigen Augenblick bewusst, dass Leben und Intelligenz rein geistig sind – weder in noch von der Materie –, und der Körper wird keine Beschwerden äußern“, erklärt Mary Baker Eddy (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 14).
Der „Körper“ meines Alltags hat sich von da an dramatisch verändert. Mein Familienleben glättete sich und ich beklagte mich nicht mehr. Außerdem stellte ich fest, dass ich statt einiger Minuten nun einige Stunden betete. Und mein Berufsleben gestaltete sich völlig um. Innerhalb eines Jahres gab ich meine Position an der Uni auf und wurde Praktikerin der Christlichen Wissenschaft.
Warum haben einige Momente des Gebets solche unmittelbaren und weitreichenden Auswirkungen? Vielleicht, weil wir uns im Gebet gar nicht auf neues Terrain begeben. Wir sind schon eins mit dem großen „Ich Bin“ – diesem Gott im Hier und Jetzt, dessen allmächtige Hilfe nie versagt. Und wenn wir das im Strudel des menschlichen Alltags einmal vergessen sollten, erinnert uns Gottes rettender Christus beständig und geduldig wieder daran. Wir müssen nur lange genug innehalten, um wirklich zuzuhören – „fünf Minuten“ mit unserem Schöpfer.
Gekürzte Übersetzung aus dem Christian Science Journal vom Oktober 2012