Wir alle werden im Leben mit Versuchungen konfrontiert. Diese Versuchungen können für jeden verschiedene Formen annehmen, doch alles, was uns von gottgegebener Reinheit, Liebe und Folgsamkeit fortziehen möchte, ist eine Art von Bösem, das überwunden werden muss.
Grund zu großer Freude ist daher die Erkenntnis, dass jede Versuchung durch Gottes Gnade und Kraft zu überwinden ist. Denn Gott bringt in den zu Seinem Bild und Gleichnis geschaffenen Menschen immer den Mut, die Stärke und Güte hervor, die über „die Welt, das Fleisch und den Teufel“ (wie die traditionelle christliche Theologie es nennt) triumphieren.
Jesu ganzes Leben war ein siegreiches Mosaik aus Herausforderungen, die eine nach der anderen bewältigt wurden.
Zweifellos war unser gesegneter Meister Christus Jesus in dieser Beziehung das größte Vorbild. Ja, sein ganzes Leben war ein siegreiches Mosaik aus Herausforderungen, die eine nach der anderen bewältigt wurden. Jedes Mal wenn Jesus vor einer Versuchung stand, erkannte er sie als einen Versuch des Bösen bzw. des Teufels, eine falsche Behauptung über Gottes geistige Schöpfung aufzustellen. Er wusste, dass der Teufel „ein Lügner und der Vater derselben“ ist (Johannes 8:44). Von einem geistigen Standpunkt aus verstand Jesus, dass eine Lüge niemals wahr ist, und ohne Wahrheit hat eine Lüge keine Substanz und kann nie wirklich sein. Jesus erkannte also, dass der Teufel unwirklich und somit machtlos ist, Gottes Schöpfung zu widerstehen.
Zu Beginn der Heiltätigkeit Jesu gab es jedoch einen Moment, wo der Teufel (in der Christlichen Wissenschaft als „tierischer Magnetismus“ bezeichnet; siehe Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy, S. 103) mit drei verlockenden Vorschlägen zu ihm kam.
In Matthäus 4, Vers 1, lesen wir, dass Jesus „vom Geist in die Wüste geführt [wurde], um vom Teufel versucht zu werden“. Wörtlich genommen, könnte man meinen, dass der Heilige Geist – die stabile, doch liebevolle Gegenwart Gottes – Jesus in die Wüste führte, um ihn vom Teufel prüfen zu lassen. Aber würde Gott denn je Seinen „einziggeborenen Sohn“ (Johannes 1:18) oder eins Seiner anderen Kinder in Versuchung führen? Niemals! In der Bibel heißt es: „Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemanden.“ (Jakobus 1:13)
Vielleicht ist es daher richtiger, Jesu Begegnung mit dem Teufel als ein Beispiel dafür zu betrachten, wie Gott Jesus aus Versuchung herausgeholfen statt in Versuchung geführt hat. In den Psalmen lesen wir, dass Gott es war, „der sein Volk durch die Wüste führte“ (136:16). So können wir sagen, dass Geist Jesus, als die teuflischen Versuchungen kamen, durch die Wüste hindurch- und herausführte. Diese herrliche geistige Tatsache trifft auf alle Kinder Gottes zu. Gott führt uns niemals in Versuchung. Stattdessen gibt Er uns die Kraft, sie zu besiegen.
Jesu Zeit in der Wüste wirft eine offensichtliche Frage auf – was hat er dort gelernt, das ihn gegen die teuflischen Anfechtungen gefeit sein ließ? In Wissenschaft und Gesundheit finden wir eine hilfreiche Antwort in der Definition des Wortes Wüste im Glossar, die zum Teil lautet: „… der Vorhof, in dem eine materielle Auffassung der Dinge verschwindet und der geistige Sinn die bedeutenden Tatsachen des Daseins entfaltet“ (S. 597).
Die Wüste kann ein Ort sein, wo wir die Nähe Gottes finden.
Die Wüste ist sozusagen ein Ort, wo ein sterblicher Schöpfungsbegriff, der das Böse in all seinen Formen umfasst, für unwirklich erkannt und der wahre Begriff von Gott und Seiner geistigen Schöpfung offenbart und verstanden wird. Um es mit den Worten des Paulus zu sagen, die Wüste ist ein Ort oder Bewusstseinszustand, wo wir lernen, „den alten [materiellen] Menschen mit seinen Werken“ auszuziehen und „den neuen [geistigen]“ Menschen anzuziehen. (Kolosser 3:9, 10)
Der Heilige Geist führte Jesus also durch seine Wüstenzeit, damit er mit Gott Gemeinschaft haben und „die bedeutenden Tatsachen des Daseins“ (siehe obige Definition von „Wüste“) bestätigen konnte. Als Jesus betete, um die Unwirklichkeit einer unvollkommenen materiellen Schöpfung zu erkennen, spürte er zugleich die Allheit des göttlichen Geistes, seines
Vater-Mutter Gottes. Wir können Jesu Beispiel folgen und ebenso die Macht und Gegenwart Gottes in der Wüste empfinden oder wenn wir das Gefühl haben, einer Versuchung ausgesetzt zu sein.
Es ist auch hilfreich, die Definition von „Wüste“ als Vorhof näher zu betrachten. In biblischen Zeiten wurden von Priestern und Gottesmännern im äußeren Vorhof des Tempels Gottes Gesetze zuerkannt. Die Bibel erklärt die Funktion des Vorhofs von König Salomons Tempel folgendermaßen: „[Er] baute auch eine Thronhalle [Vorhof], in der er Gericht hielt, die Gerichtshalle“ (1. Könige 7:7).
Wenn wir also die Wüste als Vorhof sehen, ist vielleicht das Bild eines Gerichtssaals hilfreich. Wir betreten die Wüste, aber nicht um als unvollkommene Sterbliche gerichtet oder verurteilt zu werden und den Acker eines trüben materiellen Daseins zu bebauen. Stattdessen kann die Wüste ein Ort sein, wo wir die Nähe Gottes finden, der liebevoll über uns als Seine kostbaren Kinder urteilt, und wo der Teufel oder das Böse zu seiner eigenen Nichtsheit verurteilt wird.
Wenn die Wüste als Gerichtssaal fungiert, können wir folgern, dass Jesus in die Wüste geht, um sich auf eine Gerichtsverhandlung vorzubereiten. Im heiligen Vorraum seines eigenen erhobenen Bewusstseins bereitet er seinen Fall vor, indem er sich mit Gottes unfehlbaren Gesetzen in Einklang bringt, die die wahre geistige Natur des Menschen enthüllen. Übrigens kommt das in dieser Geschichte für „versuchen“ benutzte griechische Wort peirazo von einem Wort, das auch die Bedeutung von Gericht hat. Nachdem Jesus 40 Tage in der Wüste verbracht und an seiner Einheit mit Gott festgehalten hat, ist er auf das Gericht vorbereitet.
Eine wichtige Frage bleibt aber noch. Wer steht denn vor Gericht, als der Teufel Jesus versucht? Scheint es nicht Jesus zu sein? Die intensive Attacke in dieser Geschichte scheint tatsächlich vom Teufel zu kommen. Gehen wir jedoch zum Anfang der Geschichte zurück. Wie war Jesus in den „Wüsten-Gerichtssaal“ gekommen? Er wurde „vom Geist“ dorthin geführt. Der Heilige Geist regt also dieses Gericht an, um die Machtlosigkeit des Teufels, des Bösen, bloßzustellen – und der Teufel ist es, der hier verfolgt wird! Der Teufel behauptet, er sei gekommen, um den Christus anzugreifen. Doch der göttliche Geist leitet die Verhandlung.
Das Böse kann trotz aller gegenteiligen Behauptungen niemals wirklich einen Konflikt mit Gottes Kindern entfachen, denn Geist, Gott, allein besitzt alle Macht und bringt alle Tätigkeit hervor! M. B. Eddys Lehren bestätigen das, wenn sie sagt: „Die Wissenschaft hat den nicht zu unterdrückenden Widerstreit zwischen Sinn und Seele eingeleitet. Das sterbliche Denken kämpft mit diesem Sinn wie einer, der in die Luft schlägt, aber die Wissenschaft überwältigt ihn und beendet den Streit.“ (Vermischte Schriften 1883–1896, S. 102) So ist es denn die Christliche Wissenschaft – die geistigen Gesetze Gottes –, die allen Streit mit dem Teufel und seinen vermeintlichen materiellen Einflüsterungen sowohl beginnt als auch beendet.
Das zu wissen, ändert alles. Es bedeutet, dass jedes Gericht, jede Versuchung, vor der wir stehen, eigentlich kein Angriff gegen uns ist. Vielmehr bringt Gott einen Irrtum an die Oberfläche, damit die fadenscheinigen Behauptungen des Bösen zerstört werden können. Der Teufel lügt über seine Rolle als Angreifer. Er bläht sich in einer Rolle auf, die ihm nie zustand, und in der Wüste durchschauen wir seine Vortäuschungen. Der Heilige Geist leitet jeden von uns zu einem größeren Verständnis der Macht und Gegenwart Gottes, wobei der falsche materielle Schöpfungsbegriff letztendlich verschwinden muss.
Jesus erkannte, dass der Teufel unwirklich und somit machtlos ist, Gottes Schöpfung zu widerstehen.
Wenn wir daher im Leben Ungewissheiten oder Widrigkeiten ausgesetzt sind oder uns gewissermaßen auf einer öden Wüstenwanderung befinden, können wir immer darauf vertrauen, dass wir nicht allein sind. Jesus bewies für die ganze Menschheit, dass selbst in der Wüste der Heilige Geist bei uns ist und uns Gott näher bringt. Da Gott uns liebt, ist es nur natürlich, dass Er in der Wüste bei uns ist und uns hilft, uns über alles zu erheben, was vom Guten abweicht, wobei Er unsere wahre christusgleiche Natur in höchstem Maße zum Ausdruck bringt.
Denken wir daran, dass die Wüste der Vorhof des Tempels Gottes ist. Jedes Mal wenn wir in der Wüste einen Sieg erringen und materielle Versuchungen durch die Stärke und Kraft Gottes meistern, gewinnen wir mehr geistiges Verständnis und die Fähigkeit, den heiligen Tempel selbst zu betreten. M. B. Eddy spricht in Wissenschaft und Gesundheit von diesem Phänomen: „Das Verständnis der göttlichen Allmacht, selbst in geringem Grade, zerstört die Furcht und setzt die Füße auf den wahren Weg – den Weg, der zu dem Haus führt, das ohne Menschenhand gebaut ist, ,das ewig ist im Himmel‘.“ (S. 454)
Das bedeutet für mich, „vom Geist in die Wüste geführt“ zu werden. Weil der Heilige Geist bei jeder Widrigkeit, jedem „Gericht“ in der Wüste bei uns ist, hat der Teufel den Fall schon verloren, bevor er überhaupt sein Lügenmaul aufgemacht hat. Und Christus ist immer der Sieger!
