Es war eine beeindruckende Metapher in einem wasserarmen Land. Für den Propheten war Friede nicht nur einfach die Abwesenheit von Konflikten, eine Ruhe oder Stille. Vielmehr war Friede eine unwiderstehliche, belebende und gleichbleibende Macht, die alles Leben nährte. Er erquickte die Erschöpften und Mutlosen. Er ließ sich von menschlichen Grenzen nicht beirren, sondern machte seinen Weg durch die Nationen, verband sie und stärkte sie alle mit denselben lebendigen Wassern. Und vor allem kam er von Gott.
Friede wie ein Strom (siehe Jesaja 66:12) verflüchtigt sich nicht mit dem Ende der Weihnachtszeit, wenn die Dekorationen weggeräumt sind und wir uns dem Alltag des neuen Jahres zuwenden. „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“ (Lukas 2:14) fließt kontinuierlich durch unsere Gedanken, unser Leben und unsere Umgebung. Doch weil das eine geistige Macht ist, benötigen wir geistige Erkenntnis, damit wir sie verstehen und Heilung und Erneuerung daraus schöpfen können.
Kann eine solche Macht wirklich präsent sein, wenn die Schlagzeilen in übergroßen Lettern von internationalen Konfrontationen und örtlichen Konflikten berichten? Gibt es einen Frieden, der eine positive, erhaltende Gegenwart ist und nicht nur eine Zäsur zwischen zwei Gewaltausbrüchen? Wie greifen wir darauf zu, wenn wir Furcht haben oder entmutigt sind?
Die einfachste und tiefgreifendste Antwort finden wir, wenn wir Jesu Beispiel folgen. Er wandte sich beständig im Gebet an Gott, Geist. Geist verleiht eine geistige Sichtweise, eine wahre Sichtweise von allen Menschen als den Kindern des einen Vaters, der einen Mutter. Und wie soll ein unendlich guter Gott diese Kinder ansehen und kennen? Welche geistigen Eigenschaften definieren ihre wahre Identität? Kann Wut zu einem Kind Gottes gehören? Oder Hass? Furcht? Hoffnungslosigkeit?
Nein. Nichts davon kann das Produkt einer unendlichen, liebevollen Quelle sein. Daher konnte der Meister sie alle mit geistiger Autorität als ohne Legitimität, Macht oder Gegenwart abweisen. Und das hatte deutliche Auswirkungen. Wo die Leute am Ort beispielsweise seit Langem einen psychisch labilen und gewalttätigen Mann gekannt hatten, der ohne Kleider zwischen den Gräbern herumlief, stellten sie mit Erstaunen fest, dass er auf einmal bekleidet und ruhig zu Jesu Füßen saß. Seine psychische Gesundheit war völlig wiederhergestellt (siehe Markus 5:1–20). Geistiger Friede floss nun wieder durch sein Leben und damit auch durch den Ort.
Wir mögen in Versuchung kommen, eine Sichtweise der Realität zuzulassen, die mit unberechenbaren Leuten und Ereignissen erfüllt ist, oder von den endlosen Nachrichtenschleifen mesmerisiert zu sein, die Tragödien immer wieder neu nacherzählen. Doch Gott wird uns nie das vorenthalten, was wir individuell oder kollektiv benötigen, um uns von diesen Dingen zu befreien.
„Den menschlichen Hilferuf aus der Trostlosigkeit menschlicher Anschauungen vernimmt die göttliche Liebe und antwortet ihm; und die Stimme der Wahrheit verkündigt die göttlichen Wahrheiten des Seins, die die Sterblichen aus den Tiefen der Unwissenheit und des Lasters befreien. Das ist der Segen des Vaters. Er stellt dem menschlichen Leben Aufgaben, leitet das Verständnis, erfüllt das Gemüt mit geistigen Ideen, erneuert die jüdische Religion und offenbart Gott und Mensch als Prinzip und Idee alles Guten“ (Mary Baker Eddy, Vermischte Schriften 1883–1896, S. 81–82).
Die ganze Prämisse des Bösen wird als Lüge aufgedeckt. Die Christliche Wissenschaft setzt sich radikal für die Tatsache ein, dass allein das Gute wirklich ist und Gott und der Mensch untrennbar sind. Gottes unendliche Natur als Liebe und Wahrheit ist genauso untrennbar von uns wie die Sonne nicht von ihren Strahlen getrennt werden kann. Liebe ist nicht losgelöst von den unbegrenzten Beweisen von Liebe und Güte. Wahrheit ist nicht losgelöst von der beständigen Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit, die unser wahres Selbst ausmachen.
Diese Einheit mit unserer göttlichen Quelle ist die geistige Tatsache, an die wir uns klammern, wenn wir mit dem Gegenteil konfrontiert sind. Durch ehrliches und beständiges Gebet halten wir uns daran fest, bis wir von Herzen davon überzeugt sind und ihre heilende Macht wirklich spüren – und „dieser Friede ergießt sich wie ein Strom in eine uferlose Ewigkeit“ (Vermischte Schriften, S. 82).
Viele von uns haben erlebt, dass eine schwierige Situation dieser Macht des Guten nicht standhalten kann. Vor einigen Jahren nahm ich an der Planungsveranstaltung einer Organisation teil, die aus verschiedenen religiösen Gruppen mit sehr unterschiedlichen Ideologien bestand. Die Mitglieder hatten jahrzehntelang zusammengearbeitet, um gemeinsam auf die Bedürfnisse ihrer Stadt einzugehen. Diese Veranstaltung fand allerdings unmittelbar nach einem Gerichtsurteil über eine sehr umstrittene Sache statt. Die dort am Tisch versammelten Personen vertraten absolute Standpunkte hinsichtlich der Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit dieser Entwicklung. Als jemand eine kontroverse Meinung äußerte, spannte sich die Atmosphäre im Raum. Langjährige Arbeitsbeziehungen schienen plötzlich kein wirkliches Standbein mehr zu haben.
Die ganze Gruppe wandte sich an die Vorsitzerin der Versammlung um Erlaubnis, das Thema zu debattieren. Sie war ein ruhiger, überlegter Mensch. Längere Zeit sagte sie nichts. Viele von uns begriffen, dass sie nicht zögerte, sondern betete. Und wir beteten ebenfalls. Als sie schließlich zu sprechen begann, gelang es ihr, uns sanft von dem zwiespältigen Thema weg- und zu dem Zweck hinzuführen, den wir wirklich verfolgten: das Koordinieren unserer kollektiven Bemühungen zugunsten einer Gruppe von Frauen und Kindern in Not.
Und da zeigte er sich. Friede wie ein Strom, der die Feindschaft im Raum wegspülte und das Bewusstsein von Gottes Gegenwart und Liebe wiederherstellte, die Fortschritt mit sich brachte. Er war so machtvoll, so fühlbar, dass wir alle hinterher darüber sprachen.
Wahrer Friede geht über menschliche Bemühungen hinaus. Er erfordert ein Verständnis von seiner göttlichen Quelle direkt in Gott. Jeder von uns spielt eine Rolle dabei, das anzuerkennen und sich dem zu fügen, was Gott ist und als die Quelle dieses Friedens leistet. Wenn wir die unparteiische und integrierende Natur des Geistes erkennen, sehen wir wie der Prophet, was uns wirklich und beständig zufließt, durch uns hindurch fließt und uns alle umgibt.
Robin Hoagland
Übersetzt aus dem Christian Science Sentinel, Ausgabe 11. Januar 2016
