Es hängt ganz von unserer Sicht der Realität ab, wie wir die Welt wahrnehmen.
Wenn ein normaler Mensch in ein Zimmer hinein sieht, wird er vermutlich sagen, dass er hauptsächlich Luft vor sich hat – natürlich abgesehen von den Möbeln und der Wand auf der gegenüberliegenden Seite. Doch stellt man einem Physiker dieselbe Aufgabe, „sieht“ er erheblich mehr. Seine Ausbildung und Erfahrung gestatten es ihm beispielsweise, Teilchen und Felder wahrzunehmen bzw. zu verstehen.
Ich habe mich schon oft gefragt, was Christus Jesus in seiner Umgebung wohl wahrgenommen hat. Aus den Evangelien geht hervor, dass er die Welt anders wahrnahm als wir es mit den physischen Sinnen tun. Er sah tief in die geistige Wirklichkeit hinein. Die Bibel sagt uns, dass Gott Liebe ist (siehe 1. Johannes 4:16). Und wir haben klare Beweise, dass Jesus die Allmacht und Allheit Gottes, der göttlichen Liebe, überall erkannte.
Dieses Verständnis befähigte ihn, Aussätzige sowie Blinde und Lahme zu heilen und vom Grab aufzuerstehen, nachdem er denen vergeben hatte, die seine Kreuzigung verschuldet hatten. Die große Tatsache, dass Gott Liebe ist, ist eine Offenbarung, eine zunehmende Erkenntnis der Wirklichkeit im Bewusstsein der Menschen. Sie versetzt uns in die Lage, mehr von der geistigen Wahrheit zu erkennen, die in Heilung resultieren kann – einschließlich Heilung von Hass.
Hier ist ein kleines Beispiel dazu: Eine Freundin von mir bemerkte, dass eine Kollegin eine tiefe Feindschaft gegen sie entwickelte. Es kam so weit, dass es den Anschein hatte, als ob diese Freundin ihre Stelle würde aufgeben müssen. Doch als sie darum betete, mehr Frieden in den Arbeitsplatz einzubringen, kam ihr die klare Offenbarung, dass Gott Liebe ist. Diese Offenbarung wandelte ihr Denken vollständig um: Sie sah sich und ihre Kollegin als von Gott, der allgegenwärtigen göttlichen Liebe, geliebt ‒ als zwei Personen, die von demselben Gott dazu geschaffen worden waren, Seine Liebe zum Ausdruck zu bringen, indem sie einander liebten. Und das war ihr normaler Wesenszustand.
Eines Tages, als es den Anschein hatte, als würde die Situation am Arbeitsplatz einen Siedepunkt erreichen, umarmte die Freundin ihre Kollegin liebevoll und sagte: „Lassen Sie uns doch freundlich zueinander sein.“ Das löste den Hass völlig auf und die beiden Frauen wurden gute Freundinnen.
Das mag nur ein kleines Beispiel sein, doch es verdeutlicht eine große Wahrheit: Wenn eine Seite fähig ist, die Macht und Gegenwart der universalen Liebe zu erkennen, wird es möglich, dem Hass Einhalt zu gebieten. Bedeutet dies, dass man Hass einfach ignorieren soll? Ganz und gar nicht! Doch es bedeutet, dass wir uns dem Hass der Welt in den Weg stellen und anfangen können, ihn aufzulösen, indem wir die Offenbarung der Liebe ihrem Wert gemäß erkennen. Wenn wir beginnen, die Allheit der Liebe mithilfe von Gebet zu erkennen, wirkt sich dies in ähnlicher Weise aus, wie wenn in einem dunklen Zimmer das Licht eingeschaltet wird. Die Liebe zerstört alles, was ihr unähnlich ist.
Die große Tatsache, dass Gott Liebe ist, ist eine Offenbarung, eine zunehmende Erkenntnis der Wirklichkeit im Bewusstsein der Menschen.
In Wirklichkeit sind wir nicht hilflos, nicht einmal angesichts der aggressiven Anzeichen von Hass, die sich in der heutigen Welt so sehr in den Vordergrund drängen. Durch Gebet können wir die Wirklichkeit des von Liebe verbreiteten Lichts genau da festigen, wo die Dunkelheit des Hasses sich breitmachen möchte. Manchmal hören wir, dass Leute schreckliche und unerklärliche Dinge tun. Solche Taten können unter anderem dadurch verhütet werden, dass man sich einmal kritisch ansieht, wie Hass vorzugehen scheint. Oft ist er hypnotisch. Wir sehen fast täglich Beispiele dafür in den Nachrichten, nämlich die Mentalität derjenigen, die sich mit der Gruppe Islamischer Staat assoziieren. Ihre Taten des Hasses schockieren friedliebende Leute in aller Welt. Die Folgen der Taten einer relativ kleinen Gruppe haben sich im Denken ängstlicher Menschen – besonders in westlichen Ländern – verwurzelt. Und das hat sie wiederum zu Taten veranlasst, die schädliche Auswirkungen auf viele weitere unschuldige Menschen haben. Diese Art von Dunkelheit kann sich nur verbreiten, wenn es kein Licht gibt.
Die herkömmliche Reaktion ist, die Hasser zu töten. Doch Christus Jesus hat uns gezeigt, dass die Offenbarung der Liebe, die zum menschlichen Bewusstsein kommt, den Hass zerstört. Licht, statt mehr Dunkelheit. Sie können mit dem heilenden Gebet, das die Oberfläche einer mentalen Umgebung von Furcht und Hass durchdringen kann, sehr viel bewirken. Hier und jetzt können Sie damit beginnen, die Atmosphäre von Gottes Allheit und Licht als allgegenwärtige Liebe mit Überzeugung zu erkennen.
Die Gründerin dieser Zeitschrift, Mary Baker Eddy, hat in ihrer eigenen Heilarbeit auf der Grundlage von Jesu Lehren immer wieder bewiesen, dass die göttliche Liebe den Sieg davonträgt. Sie schrieb über die Liebe: „Welch ein Wort! In Ehrfurcht stehe ich davor. Über was für Welten und aber Welten waltet und herrscht es! Das ursprüngliche, das unvergleichliche, das unendliche All des Guten, der alleinige Gott ist Liebe“ (Vermischte Schriften 1883–1896, S. 249–250). Ein Verständnis der Liebe kann unsere Sicht auf die Welt umwandeln. Dem Hass kann Einhalt geboten werden. Das Licht der Liebe siegt über die Dunkelheit des Hasses.
Übersetzt aus dem Christian Science Monitor, Ausgabe 29. Februar 2016
