Eine Karikatur, die ich in einer Zeitschrift sah, war ein Anstoß für mich, darüber zu beten, wie ich der Sache der Christlichen Wissenschaft und meiner Zweigkirche Christi, Wissenschaftler, besser dienen kann. Die Karikatur stellte einen allmächtigen Gott dar, den Schöpfer des Universums, der mit einem winzigen Menschen redete und dabei Seine Muskeln spielen ließ und Seine Kraft zur Schau stellte. „Ich brauche deine Hilfe nicht, um Mich zu verteidigen oder Meine Wirklichkeit zu verkünden, denn Ich bin mächtig genug und habe alles geschaffen – dich eingeschlossen“, sagte Er. (Es kann sein, dass ich nicht den genauen Wortlaut wiedergegeben habe, aber das war sinngemäß die Botschaft, die der Karikaturist vermitteln wollte.)
Als ich die Zeichnung sah, war mein erster Gedanke, mir wieder einmal Mary Baker Eddys Definition von Gott in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift durchzulesen, zu der sie durch ihr Studium der Bibel inspiriert worden war: „Gott ist Gemüt, Geist, Seele, Prinzip, Leben, Wahrheit, Liebe – unkörperlich, göttlich, allerhaben, unendlich“ (S. 465).
Beim Lesen dieser Definition stellte ich mir folgende Fragen: Ist es möglich Gott entsprechend dieser Definition bildlich darzustellen? Kann man unendliche Liebe, göttliche Wahrheit, vollkommenes Prinzip überhaupt zeichnen? Lässt sich dieses wissenschaftliche Konzept mithilfe eines Bildes vermitteln? Kann man alle diese Synonyme für Gott in einer Zeichnung wiedergeben? Die Antwort auf diese Fragen lautet: nein.
Ein unendlicher und liebevoller Gott, unser Schöpfer, der allmächtig, allgegenwärtig und alles Wirken ist, bedarf keiner Hilfe.
Wenn wir die Definition von Gott in Wissenschaft und Gesundheit verstehen und bejahen, spüren wir diese allmächtige Liebe, die uns beschützt und leitet; sie ist eine kontinuierliche, tröstende Gegenwart. Diese Wahrheit, diese Allheit Gottes, kann kein menschliches Gesicht haben; sie lässt sich nicht durch eine Zeichnung darstellen. Man kann den „Alles-in-allem“ nur geistig verstehen. Er übersteigt alle materiellen Vorstellungen und enthüllt die Widersprüchlichkeit und Unwirklichkeit der Materie.
Wir lesen in der Bibel: „Er hat ein weises Herz und große Kraft. ... Er tut große Dinge, die nicht zu erforschen sind, und Wunder ohne Zahl. Sieh, er geht an mir vorüber, bevor ich es sehe, und geht vorbei, bevor ich es merke“ (Hiob 9:4, 10, 11). In diesem Text begrenzt der Verfasser Gott nicht auf eine menschliche Form, sondern beschreibt Ihn vielmehr als eine liebevolle Präsenz, die allein geistig erkannt und verstanden wird. Ein unendlicher und liebevoller Gott, unser Schöpfer, der allmächtig, allgegenwärtig und alles Wirken ist und daher keiner Hilfe bedarf. Es ist absurd zu glauben, dass man der Wahrheit nachhelfen könnte, wahrhaftiger zu sein, oder dass sich durch unsere menschlichen Bemühungen ein „Mehrwert“ für den Unendlichen ergeben würde.
Diese Überlegungen regten mich an, meine eigene Rolle, meine Mission und meine Nützlichkeit zu überdenken. Schon seit geraumer Zeit war ich der Kirchenarbeit überdrüssig geworden. Sie bereitete mir keine Freude mehr, sondern schien mir zur Last zu fallen. Ich bekleide das Amt des Schatzmeisters einer Zweigkirche in Paris, und Anfang des Jahres gibt es immer besonders viel zu tun, weil der Jahresabschluss für das Vorjahr erstellt werden muss. Zu allem Überfluss stellte sich diesmal heraus, dass die Zahlen der Buchhaltung nicht mit denen des Schatzmeisters übereinstimmten – somit fiel also zusätzliche Arbeit an. Dies war besonders frustrierend, denn ich fand, dass ich meine Zeit weitaus sinnvoller verbringen könne, etwa indem ich intensiver für die Kirche betete. Meiner Meinung nach nahm dieser Jahresabschluss zu viel Zeit und Energie in Anspruch. Ich befürchtete außerdem, dass der Kirche Nachteile daraus erwachsen könnten, wenn bestimmte Schritte unterlassen würden. Brauchte Gott also nicht doch meine menschlichen Bemühungen, um die Sache der Christlichen Wissenschaft voranzubringen?
Die Antwort, die mir kam, war die, dass meine Mission unter anderem darin besteht, mehr von der unendlichen göttlichen Macht zu erfassen, die Beziehung, die ich zu Ihm habe, besser zu verstehen und Seine Allgegenwart zu bezeugen. In Wissenschaft und Gesundheit gibt Mary Baker Eddy auf die Frage: „Gibt es mehr als einen Gott oder ein Prinzip?“ folgende Antwort: „Nein. Prinzip und seine Idee ist eins, und dieses eine ist Gott, allmächtiges, allwissendes und allgegenwärtiges Wesen, und Seine Widerspiegelung ist der Mensch und das Universum“ (S. 465 f.). Im Gegensatz zu der eingangs beschriebenen Karikatur stelle ich mir Gott natürlich nicht als ein menschliches Wesen vor, aber mir wurde bewusst, dass ich Seine Macht begrenze, wenn ich Ihm mit meinem menschlichen Aktivismus „nachzuhelfen“ versuche.
Mit einem Male begriff ich, dass mein menschliches Engagement für die Kirche keinen Nutzen brachte, solange ich mir nicht der Gegenwart, Liebe, Allwissenheit und Allmacht Gottes bewusst war. Ich erkannte, dass Gott für die Verbreitung der Wahrheit, die frei macht, „zuständig“ ist. Worauf es also am meisten ankommt, ist nicht unser menschliches Tun, sondern das Verständnis, das wir von Gott haben. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch – selbstverständlich müssen wir die erforderlichen menschlichen Schritte präzise, ehrlich, effizient und liebevoll tun – wodurch wir unserer Identität als Kinder Gottes nach besten Kräften Ausdruck verleihen (und darin liegt unsere Mission) –, doch ist die unendliche und immer-gegenwärtige Harmonie aller Dinge die einzige Realität, und sie kommt von Gott.
Meine Mission besteht unter anderem darin, die Beziehung, die ich zu Gott habe, besser zu verstehen und Seine Allgegenwart zu bezeugen.
Es war Mary Baker Eddys Wunsch, dass jedermann für sich selbst beten solle. In ihrem Werk Vermischte Schriften 1883-1896 drückt sie es folgendermaßen aus: „Eines habe ich innig gewünscht, und ich bitte noch einmal ernstlich darum, dass die Christlichen Wissenschaftler, hier und überall, täglich für sich selbst beten, nicht hörbar noch auf Knien, sondern im Herzen, demütig und inbrünstig“ (S. 127). Das Wort demütig erregte meine Aufmerksamkeit. Der Glaube, dass irgend etwas in meinem Bewusstsein fähig sein könnte, die Harmonie und den Fortschritt meiner Kirche zu stören, entsprach keinesfalls einem demütigen Verständnis von Gottes Macht; das wäre, als ob ich glaubte, ich könnte mich in das göttliche Wirken „einmischen“.
Diese Überlegungen haben meine Sichtweise radikal verändert und ich gehe jetzt ganz anders an die Kirchenarbeit heran. Mir ist klarer geworden, dass durch rein menschliche Bemühungen der Harmonie und Vollständigkeit Gottes nichts hinzugefügt wird, wohl aber sind sie eine Gelegenheit, meine Beziehung zu Gott besser in die Praxis umzusetzen. Außerdem wurde ich mir zunehmend der Tatsache bewusst, dass man seine Zeit nicht in menschlichen Aktivismus hier und Gebet dort segmentieren kann, sondern dass Gott, der einzige Schöpfer, die einzig wahre Ursache von allem ist. Diese Einsicht befreite mich von dem Gefühl, ich würde meine Zeit verschwenden. Was die Kirchenarbeit betraf, die noch zu erledigen war, so half mir dieser neue, weitaus geistigere Ansatz zu erkennen, dass ich mich nicht in mehreren verschiedenen „Welten“ bewege, sondern nur in dem einen göttlichen Universum, dem einzig wirklichen. Die geistige Tatsache, dass ich die Eigenschaften ausdrücke, die Gott mir als Seine Widerspiegelung verliehen hat, und dass Gottes Wirken die einzige Tätigkeit ist, erschien mir nun viel plausibler. Diese neue Sichtweise führte dazu, dass ich die Kirchenarbeit weniger als eine Belastung empfand, sondern vielmehr als eine Bereicherung, und ich betrachte sie jetzt als Gelegenheit, meine Kenntnisse über Gott, den Alles-in-allem, zu erweitern.
Mit diesem neuen Konzept von Kirchenarbeit war der Abgleich der Geschäftsbücher überhaupt kein Problem mehr. Die Erkenntnis der Allmacht Gottes sowie das Erfassen der Tatsache, dass Er für Seine Schöpfung zuständig ist, befreite mich von der Last, mich persönlich verantwortlich zu fühlen und zu glauben, dass rein menschlicher Aktivismus erforderlich wäre, um die Wahrheit zu verbreiten.
Nein, Gott lässt sich nicht zeichnen, aber ich bin tief dankbar für das Wissen, dass Er allmächtig ist und dass ich Seine vollkommene Widerspiegelung bin. Welch eine Befreiung!
