Kaum ein Christ wird nicht mit den Worten des kurzen Gebets vertraut sein, das Christus Jesus seinen Jüngern gab, als er sie das Beten lehrte. Ja, dieses Gebet, das in vielen Bibeln nur acht Zeilen lang ist, wird Millionen Mal am Tag von Millionen Menschen weltweit gebetet.
Wenn wir dieses Gebet beten, erwarten wir dann wirklich, dass dadurch alle unsere Bedürfnisse gestillt werden und wir Heilung erlangen? Wenn wir wirklich Ergebnisse beim Beten erwarten, warum gelangen wir durch dieses Gebet nicht immer augenblicklich ans Ziel? Fehlt irgendwo doch etwas?
Die Gründerin der Christlichen Wissenschaft, Mary Baker Eddy, beendete das Kapitel „Gebet“ in ihrem Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift mit einer geistigen Auslegung dieses allumfassenden Gebets, „das sich auf alle menschlichen Bedürfnisse erstreckt“, wie sie sagt (siehe S. 16–17). Doch vielleicht ist der fehlende Bestandteil augenblicklichen und verlässlichen Heilens in folgender Aussage zu finden: „Nur wenn wir uns über alle materielle Sinnlichkeit und Sünde erheben, können wir das vom Himmel stammende Streben und jenes geistige Bewusstsein erreichen, auf das im Gebet des Herrn hingewiesen wird und das die Kranken augenblicklich heilt“ (S. 16).
Somit ist dies das Gebet des vom Himmel stammenden Strebens und des geistigen Bewusstseins. Es ist das Gebet des geistigen Sinnes, das uns über alle materielle Sinnlichkeit und Sünde erhebt. Es ist kein Gebet des Verstandes, sondern des Herzens. Es kommt von Gott, nicht vom Menschen. Es ist selbstlos und anspruchsvoll und atmet die Inspiration von Gottes Allheit.
Dieses Gebet ist die kontinuierliche Bekräftigung von Gottes Gegenwart und Macht und unserer Einheit mit unserem Vater-Mutter-Gott. Es offenbart Gottes allharmonische Natur und die identische Natur des Menschen. Es erklärt, dass Gottes Reich der Harmonie bereits Wirklichkeit ist und nie vergehen wird. Ferner verdeutlicht es, dass Sein unbestreitbarer liebevoller Wille erhaben ist und jetzt und immer, hier und überall ausgeführt wird.
Das Gebet des Herrn bekräftigt, dass die Menschheit aufgrund der zärtlichen Beziehung des Menschen mit Gott immer und dauerhaft mit der Gnade ausgerüstet ist, jedem Umstand gewachsen zu sein, jeder schwierigen menschlichen Beziehung mit Liebe zu begegnen und gänzlich immun gegen Krankheit, Sünde und Tod zu sein. Es betont die Tatsache, dass der einzige Ort Sein himmlisches Reich und die einzige Macht Seine fraglose Gegenwart ist und dass Sein Licht und Seine Herrlichkeit unendlich, ewig und die einzige Wirklichkeit sind, die es gibt. Was für eine Feststellung und Bekräftigung der Vollkommenheit!
Immer wenn wir dieses Gebet beten, können wir frische Inspiration erlangen und uns mehr der wiederkehrenden Erkennungsmelodie bewusst sein, die diese Worte implizieren. Es ist in der Tat „das vom Himmel stammende Streben und jenes geistige Bewusstsein“, das seinen Kern ausmacht und uns allen zur Verfügung steht.
Unser Vater im Himmel!
Unser Vater-Mutter-Gott, all-harmonisch.
Jesus sagte: „Ihr sollt niemanden ‚Vater‘ nennen auf Erden; denn einer ist euer Vater, der im Himmel ist“ (Matthäus 23:9), und dies hallt in Mrs. Eddys Worten wider: „Jesus erkannte keine fleischlichen Bindungen an. ... Er erkannte Geist, Gott als einzigen Schöpfer und damit als den Vater aller an“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 31). Diese Wahrheit befreit uns von allen Begrenzungen des materiellen Lebens, seinen überlieferten Überzeugungen, Limitationen und der damit verbundenen sterblichen Genetik. Die zärtliche, liebevolle Beziehung zu unserem einen Vater-Mutter-Gott stattet uns mit unserem wahren Erbe und all den herrlichen Qualitäten wahrer Männlichkeit und Weiblichkeit aus; mit der Zärtlichkeit, Schönheit und Liebe der Mutterschaft und der Kraft, dem Verständnis und der Lebendigkeit der Vaterschaft. Sie offenbart, was wir wirklich sind.
Dein Name werde geheiligt.
Einzig Anbetungswürdiger.
Gott und der Mensch sind eins. Es gibt nur ein Leben, ein Gemüt, ein Sein – Gott, der sich als unsere unweigerliche Vollkommenheit offenbart. Der einzig Anbetungswürdige, also Gott und Mensch, schließt nichts Unharmonisches oder Störendes ein, und somit ist unsere Natur wie die von Gott immer anbetungswürdig, so wie Gott auch.
Dein Reich komme.
Dein Reich ist gekommen; Du bist immer-gegenwärtig.
Gottes Reich, Seine Herrschaft der Harmonie, des Friedens und des Wohlbefindens, ist nichts, was in der Ferne oder auf dem Weg zu uns ist; es ist hier und jetzt vorhanden, egal was die materiellen Sinne behaupten mögen. Und das ist das Gebet der Bekräftigung des gegenwärtigen, jetzigen Guten. Dieses Himmelreich ist inwendig in uns, wie Jesus sagte – ein all-gutes Reich. Mary Baker Eddy schrieb: „Was ist das Himmelreich? Die Wohnstätte des Geistes, das Reich des Wirklichen. Dort gibt es keine Materie, dort gibt es keine Nacht – nichts, das da Gräuel tut und Lüge. Ist dieses Reich weit entfernt? Nein, es ist immer-gegenwärtig, hier“ (Vermischte Schriften 1883-1896, S. 174).
Vollkommenheit ist weder verspätet noch aufgeschoben. Gott drückt sich in diesem Augenblick aus, und wir müssen dieses allgegenwärtige Reich des göttlichen Wohls und der göttlichen Fülle nur freudig anerkennen. Sie sind hier und jetzt vorhanden!
Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.
Befähige uns zu wissen, dass Gott – wie im Himmel so auf Erden – allmächtig, allerhaben ist.
Gottes Wille ist die Tätigkeit der göttlichen Liebe, die alle segnet und nichts außer dem Guten gestattet, sich in Seiner Schöpfung zu manifestieren. Sein Wille ist endgültig, unanfechtbar, unumstößlich. Intrigen eines gefälschten Gemüts können den Status und die Macht von Gottes allgegenwärtigem Willen nicht an sich reißen. Menschliche Pläne sind nicht der tätige göttliche Wille, und die echte Bereitschaft, das göttliche Gemüt sich als unser Leben ausdrücken zu lassen, wird uns aus Zweifeln, Unsicherheit oder Furcht vor gegenwärtigen oder zukünftigen Ereignissen heben. Der Wille Gottes ist immer gut und immer richtig, und nur Sein Wille geschieht.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Gib uns Gnade für heute; speise die hungernden Herzen.
Wenn wir die absolute Sicherheit des Guten bekräftigen, folgt daraus ganz natürlich, dass der Mensch als Kind Gottes immer mit allem versorgt ist, was er braucht. Er erhält sein tägliches Brot, das laut Mrs. Eddy Gnade, Gehorsam und Liebe umfasst (siehe Vermischte Schriften, S. 127). Ein Wörterbuch definiert Gnade als den göttlichen Einfluss, der immer im Menschen wirkt, um zu regenerieren und zu weihen. Die Bibel sagt, dass Jesus voller Weisheit war, „und Gottes Gnade war auf ihm“ (Lukas 2:40). Gnade stillt jeden menschlichen Bedarf, Gnade ist Geduld, Sanftheit, Zärtlichkeit und Anteilnahme, und es gibt keinen Umstand, in dem die Fülle von Gottes Gnade nicht für jeden bereitsteht. Dies speist unser hungerndes Herz bzw. unsere unerfüllte Liebe und bereichert unser Leben.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unseren Schuldigern vergeben.
Und Liebe spiegelt sich in Liebe wider.
Worin genau besteht unsere Schuld? Ist es möglich, dass wir unseren Mitmenschen nur eines schuldig sind: sie so zu sehen, wie sie wirklich sind – nicht als krank, alternd, sündig, sondern so, wie Gott sie sieht: vollständig, aufrecht und frei? Wenn wir uns weigern, das sterbliche Konzept vom Menschen zu akzeptieren, und nur seine vollkommene, geistige Identität anerkennen, öffnen wir der Möglichkeit Tür und Tor, dass Vergebung durch Liebe in unser Leben tritt und jedes Gefühl von Schuld oder Verdammung des Menschen als sterblich oder Sünder austreibt.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Und Gott führt uns nicht in Versuchung, sondern erlöst uns von Sünde, Krankheit und Tod.
Gott, die göttliche Liebe, würde Seine geliebte Schöpfung niemals in Versuchung führen, sondern verteidigt alle und schützt sie vor jeglicher Suggestion von Disharmonie oder Not. Eine Versuchung ist nichts als der Glaube an eine Schöpfung, ein Gemüt oder eine Existenz neben Gott. Doch wenn wir bekräftigen, dass Sein Reich gekommen ist und Sein Wille geschieht, verschwindet der Glaube, dass eine andere Macht am Werk ist.
Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Denn Gott ist unendlich, die Allmacht, alles Leben, alle Wahrheit, alle Liebe, über allem und Alles.
Und damit bringt das Gebet unsere Gedanken wieder zurück zu Gottes Allheit, zu Seiner unendlichen, ewigen Gegenwart, Seiner Macht und Seinem Willen, denen sich nichts in den Weg stellen kann. Genauer betrachtet sieht es so aus: „Dein ist das Reich“ – es gehört Gott; dort leben wir als geliebte Kinder. „Dein ist ... die Kraft“, die Kraft, durch die wir leben, die Kraft des Guten. Also ist Gott alles, was sich auf der Welt zuträgt. Und „Dein ist ... die Herrlichkeit“. Das Licht und die Strahlkraft von Gottes Gegenwart vertreiben Dunkelheit, Zweifel und Furcht und offenbaren, dass Gott unendlich, ewig und alles ist, egal, was die materiellen Sinne behaupten mögen.
Wenn wir mehr damit vertraut werden, dieses Gebet von einem höheren Standpunkt, von dem vom Himmel stammenden Streben und in diesem geistigen Bewusstsein zu beten, stellen wir fest, dass es augenblicklich mit Inspiration heilt, die täglich frisch und neu ist. So betete Christus Jesus und so lehrte er seine Nachfolger zu beten. Und es deckt heute wie zu seiner Zeit alle menschlichen Bedürfnisse.
