„Du bist irgendwie defensiv“, teilte mir ein Freund behutsam mit. Ich erwiderte sofort: „Nein, das bin ich nicht!“ Und dann mussten wir beide lachen, weil meine Worte ihm offensichtlich recht gaben. Der Freund hatte nicht unrecht – ich betrachtete mich gern als menschlich vollkommen und erwartete von allen anderen, dass sie mich ebenso sahen. Ich war oft beleidigt oder wütend, wenn ich kritisiert wurde, und das führte zu defensiven Reaktionen.
Diese Art von Abwehrhaltung entsteht, wenn man meint, das sterbliche Verständnis vom eigenen Selbst sei unter Beschuss. Inzwischen weiß ich, dass es ein Gegenmittel dafür gibt. Durch mein Studium der Christlichen Wissenschaft habe ich gelernt, zwischen einem sterblichen Konzept von uns und unserer wahren, geistigen Identität zu unterscheiden. Als geistige Widerspiegelung des vollkommenen Gottes, dem göttlichen Geist, ist jeder von uns in Wahrheit ohne Fehl. Doch wir arbeiten noch daran, diese geistige Vollkommenheit menschlich auszudrücken.
Damit wir geistig wachsen und unsere gottgegebene Vollkommenheit besser demonstrieren können, müssen wir unser Denken und Handeln ehrlich prüfen. Wenn ich beispielsweise überlege, wie ich auf etwas eingehen soll, das jemand gesagt hat, hilft es mir, mich zu fragen: „Bringe ich wirklich den Christus-Geist zum Ausdruck – lasse ich mich bei meiner Antwort durch Gott, Liebe, leiten?“ Mary Baker Eddy, die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft, schreibt in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Ehrlichkeit ist geistige Macht“ (S. 453). Eine Bereitschaft, sich ehrlich zu prüfen, gestattet uns zu sehen, welche unnützen Eigenschaften wir aufgeben müssen – einen Irrtum in unserem Denken zu erkennen, damit wir ihn ausräumen können.
Diese Ideen haben mir geholfen, Gott demütig um Führung zu bitten, wie ich angesichts von Kritik wahre Liebe und Christlichkeit ausdrücken kann, statt eigensinnig zu denken: „Ich bin vollkommen! Wieso merkt das keiner?“
Auch wenn eine Abwehrhaltung unserem geistigen Fortschritt schadet, so ist es doch wichtig, sich geistig zu schützen. Geistige Verteidigung besteht darin, wirklich zu spüren und zu wissen, dass wir Gottes kostbare, vollkommene geistige Idee sind.
Wenn wir uns wirklich in diesem Licht sehen lernen, fällt die Neigung, irrational defensiv zu reagieren, von uns ab. Wir verstehen, dass Gott uns bereits anerkannt hat, und werden dadurch ermächtigt, diesem Zustand besser gerecht zu werden – und dazu gehört, bescheiden genug zu sein, um zu überlegen, ob die kritische Bemerkung eines anderen vielleicht angebracht ist. Wenn ja, können wir unser Denken und Verhalten ändern. Wenn nicht, können wir die Kritik liebevoll und voll Vergebung loslassen und uns anderen Dingen zuwenden.
Ich hatte die Gelegenheit, dies umzusetzen, als ich in meiner Kirche Christi, Wissenschaftler, ins Leseramt gewählt wurde. Insgesamt erhielt ich sehr viel Unterstützung und Ermutigung. Hin und wieder äußerte ein Mitglied Kritik. Durch Gebet wurde ich dazu geführt, liebevoll zu antworten: „Danke, dass Sie mich darauf aufmerksam gemacht haben“, statt defensiv zu reagieren. Und dann habe ich innig über die Bemerkung gebetet. Dadurch, dass ich demütig auf Gottes Führung gelauscht habe, konnte ich jeweils erkennen, ob eine Veränderung notwendig war oder nicht, und Gottes Führung bereitwillig und liebevoll folgen.
Jeder von uns kann die Bereitschaft nähren, unser Denken zu prüfen und in Einklang mit Gottes Führung und unserer Natur als Gottes Kindern zu bringen. Das ist das Gegenmittel für eine Abwehrhaltung.
