Es wird zunehmend wichtiger zu wissen, wem und worauf wir vertrauen können. Umfragen der letzten Jahre haben ergeben, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in große Einrichtungen wie die Presse und in Personen des öffentlichen Lebens, insbesondere Volksvertreter, stetig nachlässt. Auch das zwischenmenschliche Vertrauen scheint abzunehmen, da immer weniger Menschen ihre Nachbarn gut kennen, gemeinsam zur Kirche gehen oder sich in Vereinen und Gruppen engagieren.
Was ist die Lösung, wenn wir das Gefühl haben, jemandem oder etwas misstrauen zu müssen, oder meinen, dass unser Vertrauen missbraucht wurde? Ist es möglich, das Vertrauen wieder aufzubauen?
Mary Baker Eddy, die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft, hat einen Satz geschrieben, der für mich zur Grundlage jedes Vertrauens geworden ist: „Vertraut auf die Wahrheit, und vertraut auf nichts anderes“ (Die Erste Kirche Christi, Wissenschaftler, und Verschiedenes, S. 171). Wahrheit ist hier ein Synonym für Gott. Das Buch Sprüche drückt es so aus: „Verlass dich auf den Herrn von ganzem Herzen, und verlass dich nicht auf deinen Verstand; sondern denke an ihn in allen deinen Wegen, dann wird er dich recht führen“ (3:5, 6).
Ein gutes Beispiel für jemanden, der diese Anweisung befolgte, war für mich immer Josef in der Bibel, einer von Jakobs Söhnen. Er hatte wenige Gründe, anderen zu vertrauen. Seine eigene Familie hatte ihn verraten – seine eifersüchtigen Brüder hatten ihn in die Sklaverei verkauft. Später kam er unschuldig ins Gefängnis. Doch trotz allem verließ er sich vollständig darauf, dass Gott allein sein Leben regierte und beschützte, und es hat den Anschein, dass sein Vertrauen nie nachgelassen oder versagt hat.
Am Ende wurde Josef vor den ägyptischen Pharao gebracht, um einen Traum zu deuten. Als er dies tat, indem er auf Gottes Führung lauschte, machte der Pharao ihn zum zweitmächtigsten Mann des Landes. Nun war Josef fähig, viele Menschen – darunter seine eigene Familie – vorm Verhungern zu bewahren, als eine große Hungersnot ausbrach. Und das führte zu der Gelegenheit, eine vertrauensvolle, freundliche Beziehung zu seinen Brüdern aufzubauen. Josefs Geschichte ist ein überzeugendes Beispiel für die Tatsache, dass menschliche Einrichtungen versagen und Freunde und Angehörige uns enttäuschen können, doch die göttliche Wahrheit uns nie im Stich lässt. Es liegt im Wesen der göttlichen Wahrheit, Vertrauen zu schaffen und wiederherzustellen.
Vor einigen Jahren hatte ich ein Erlebnis, das mir dies überzeugend nahebrachte. In meinem Stadtrat wurde unerwartet eine Position frei, und ich war einer von acht Bewerbern für die verbleibende Amtszeit. Die Wahl traf auf mich. Einer der anderen Kandidaten war ein junger Bankangestellter, dem sehr daran gelegen schien, in der Gemeinde aktiv zu werden. Als mir das klar wurde, nominierte ich ihn für ein örtliches Industriegremium, um ihn zu unterstützen.
Am Ende meiner Amtszeit sah es so aus, als würde es keinen Gegenkandidaten für meine Position geben. Doch in der allerletzten Minute rief mich der junge Bankangestellte an, um mir zu sagen, dass er gegen mich kandidieren würde. Natürlich hatte er jedes Recht, für ein Amt zu kandidieren, doch ich fühlte mich von jemandem verraten, dem ich etwas Gutes getan hatte.
Im Anschluss an die Wahlkampagne wurde ich mit einem anderen Vertrauensbruch konfrontiert. Ich erfuhr, dass ein Bekannter, der viel Aufhebens darauf gemacht hatte, mein Wahlplakat in seinem Garten aufzustellen, und der mir am Wahltag gesagt hatte, er habe für mich gestimmt, in Wirklichkeit überhaupt nicht gewählt hatte. Das Gefühl, verraten worden zu sein, war besonders schmerzhaft, da ich nur sehr knapp verloren hatte.
Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Freunde werden dich betrügen und Feinde dich verleumden, bis die Lektion ausreicht, dich zu erheben; denn ‚wenn die Not am größten, ist Gottes Hilf’ am nächsten‘.“ Und sie fügt hinzu: „Die Autorin hat diese Prophezeiung und deren Segnungen selbst erfahren. So lehrt Er die Sterblichen, ihre fleischliche Gesinnung abzulegen und Geistigkeit zu gewinnen. Dies geschieht durch Selbstverleugnung“ (S. 266).
Angesichts der Zwietracht, die heute überall vorzuherrschen scheint, müssen wir uns besser denn je vor der Versuchung schützen zu glauben, dass Personen, die anderer Meinung sind als wir, nicht nur falsch liegen, sondern unsere Feinde und gar schlechte Menschen sind. Ich wandte mich demütig im Gebet an Gott und verstand, dass ich eine Wahl zu treffen hatte. Ich konnte bitter über die Ergebnisse und nachtragend sein oder mich anderen Dingen zuwenden. Doch mich anderen Dingen zuzuwenden würde Selbstverleugnung erfordern – den Gewinner unterstützen und ihm eine Chance geben. Mit anderen Worten, es würde bedeuten, meine persönliche Meinung von dem aufzugeben, was richtig war, und zu vertrauen, dass Gott uns alle regierte. Ich beschloss, dass dies mein Weg war. Der andere Mann und ich trafen uns zum Mittagessen und sprachen freundlich über den Wahlkampf, und ich bot ihm meine Hilfe an, falls er sie jemals brauchen würde.
Was den Mann anging, der wegen seiner Wahlbeteiligung gelogen hatte, so wusste ich, dass ich das Gefühl des Betrugs nur überwinden würde, wenn ich ihm verzieh. Christus Jesus hat gelehrt: „Segnet, die euch fluchen ... betet für die, die euch beleidigen und verfolgen“ (Matthäus 5:44). Und Mrs. Eddy fasst diese Lehre in eigene Worte: „Nie vergilt Böses mit Bösem, und vor allem bilde dir nicht ein, dir sei Unrecht geschehen, wenn es nicht der Fall war“ (Vermischte Schriften 1883–1896, S. 12).
Als ich über diese Situation betete, wurde mir klar, dass kein Mensch die Macht hatte, mir zu schaden oder meine Stellung als Gottes Idee bzw. Ausdruck zu beeinträchtigen. Unsere göttliche Vater-Mutter versorgt uns alle liebevoll, und nichts, was jemand sagt oder tut, kann uns stören oder unseren Frieden und das uns zustehende Gute rauben. Die geistige Wirklichkeit war, dass mein Bekannter kein unehrlicher Sterblicher, sondern der Ausdruck der Wahrheit, Gottes, war. Den Mann wie auch den jungen Bankangestellten auf diese Weise korrekt zu sehen bedeutete, auf nichts anderes als Wahrheit zu vertrauen.
Uns und andere als Ideen Gottes, des Gemüts, zu betrachten, befreit uns von den Begrenzungen eines Glaubens, dass unser Glück, unsere Versorgung oder unser Wohlbefinden von jemandem oder etwas außer Gott abhängt. Und wenn wir wissen, dass alles Gute von Gott kommt, ist es leichter, die Arbeit unserer Mitmenschen zu unterstützen und anzuerkennen. Dieses Wissen befähigt uns, selbst gute, treue und vertrauenswürdige Familienmitglieder, Kollegen, Nachbarn und Bürger zu sein.
