Vielen Christinnen und Christen und besonders der Leserschaft dieser Zeitschrift mag dieser Titel doppelt gemoppelt erscheinen. Wie kann Fürsorge wahrhaft christlich sein, wenn sie nicht auf Gebet beruht? Die Christliche Wissenschaft, die sich vollständig auf die Bibel stützt, legt besonderen Wert auf Gebet. Gebet ist nicht die letzte Hoffnung, sondern die erste Hilfe, und die betende Person lernt schnell, dass ernstes, demütiges Gebet aufgrund des Verständnisses, dass Gott Alles-in-allem ist – alle Macht, Intelligenz, Liebe –, immer eine gute Wirkung erzielt. Es löst Furcht auf, öffnet das Denken dafür, göttliche Führung wahrzunehmen und zu befolgen, inspiriert liebevolles und weises Vorgehen und heilt.
Handlungen, die nicht auf einem gebetvollen Lauschen beruhen, führen oft zu Enttäuschung. So gut gemeint Hilfeleistung auch sein mag, sie kann unzulänglich sein, wenn sie sich nur auf menschliche Güte stützt – wenn wir das allwissende, göttliche Gemüt, Gott, nicht als die Quelle alles Guten anerkennen und der Führung des Gemüts nicht folgen. Dieser Einsatz kann ein gewisses Maß an Gutem bewirken, und menschliche Güte ist eindeutig besser als menschliche Bosheit. Doch der perfekte Ausdruck des von Gebet inspirierten Verständnisses und unserer Zielgerichtetheit kann wundervolle Dinge bewirken. Das ist für jeden Menschen erreichbar, der den ehrlichen Wunsch zu helfen hat. „Woher wussten Sie, dass ich das brauchte?“, kommt oft als Antwort auf eine von Gebet inspirierte fürsorgliche Tat.
Wenn wir sehen, dass jemand Hilfe braucht, wie können wir wissen, ob wir einfach beten oder etwas tun und sagen sollen, um zu helfen? Wir sollten immer beten – die Situation als in Gottes Hand erkennen. Ja, die Worte „einfach beten“ sagen nicht genug über das Gute aus, das christlich-wissenschaftliches Gebet für eine Situation bewirken kann. Gebet, das das göttliche Gemüt als unser Gemüt und unsere einzig wahre Quelle des Bewusstseins bekräftigt, hilft dabei, unser Denken an göttlicher Liebe, Gott, auszurichten. Dieses Gebet offenbart die Tatsache, dass unsere Aufgabe als Menschen darin liegt, die göttliche Liebe in allem widerzuspiegeln, was wir denken und tun. Wir entdecken klarere Sichtweisen von Gott als göttlicher Liebe und von der reinen, geistigen Identität aller anderen Menschen als den Ebenbildern der Liebe.
Durch eine Angewohnheit, in dieser Weise zu beten, sind wir bereit, tätig zu werden, wenn wir jemandem begegnen, der einen Bedarf hat. Wir fühlen augenblicklich einen göttlichen Impuls, still die Tätigkeit des Christus, den Ausdruck von Gottes heilender Macht und Liebe, zu bezeugen, der bereits zugegen ist, oder die richtigen Worte zu finden. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft, hat uns in einem ihrer Gedichte ein schlichtes Gebet für diese Bereitschaft gegeben, Hilfe zu leisten:
O lass mich täglich Gutes tun
für sie, für Dich,
ein Opfer reiner Lieb’, zu dem
Gott führet mich!
(Vermischte Schriften 1883–1896, S. 397)
Ein logisches Ergebnis des Wunsches, „täglich Gutes [zu] tun ..., zu dem Gott führet mich“, wäre, die Pflege in der Christlichen Wissenschaft aufzugreifen, die Mary Baker Eddy im Kirchenhandbuch vorsieht. Die spezialisierte Ausbildung in der sinnvollen und weisen Versorgung von Menschen in Situationen, in denen Fähigkeiten und Erfahrungen benötigt werden, ist eine natürliche Erweiterung der auf Gebet beruhenden christlichen Fürsorge. Die Ausbildung zur Pflegerin bzw. zum Pfleger in der Christlichen Wissenschaft (die sich erheblich von einer medizinischen Ausbildung unterscheidet) bereitet uns darauf vor, zuversichtlich und gelassen auf Bedürfnisse einzugehen, die Angehörige oder Kirchenmitglieder ohne diese Ausbildung vielleicht nicht handhaben können.
Christliche Fürsorge, einschließlich der Pflege in der Christlichen Wissenschaft, ist kein Ersatz für Gebet und auch nichts, das man verwendet, wenn die heilenden Ergebnisse von Gebet noch nicht sichtbar sind. Sie geht mit einer christlich-wissenschaftlichen Behandlung durch Gebet einher, indem sie die Gegenwart und Macht der göttlichen Liebe bezeugt, Heilung zu bewirken. Es kann so hilfreich sein, jede Art von Fürsorge oder Pflege als Beweis für die Allgegenwart der Liebe zu erkennen, die menschliche Bedürfnisse sanft und präzise stillt.
Ohne diesen Beweis kann unsere individuelle Erfahrung und die Erfahrung der Kirche unzulänglich sein. Christliche Fürsorge ist in unserer Beziehung zu Gott verwurzelt. In Wahrheit versorgt die göttliche Liebe ihre Ideen bzw. Kinder, und wenn wir andere so ehrlich liebevoll und fürsorglich behandeln, wie Christus Jesus es uns gelehrt hat, dann drücken wir die unaufhörliche Fürsorge der Liebe aus. Wenn wir beten, aber Liebe nicht auf fühlbare Weise zum Ausdruck bringen, oder wenn wir etliches Gutes tun, uns aber nicht durch Gebet führen lassen, dann müssen wir die Untrennbarkeit von Gebet und das durch Gebet inspirierte Vorgehen besser schätzen lernen. Das beschert dem einzelnen und kollektiven geistigen Wachstum die notwendige Gnade und Ausgeglichenheit.
Was ist, wenn wir uns nicht ganz sicher sind, dass das, was wir fühlen, ein göttlicher Impuls ist? Vielleicht fürchten wir, dass andere meinen, wir mischen uns ein oder kritisieren sie, indem wir implizieren, dass sie unsere Hilfe brauchen. Wenn wir uns nicht sicher sind, können wir im Gebet immer nachfragen, ob dieses Zögern eine legitime Sorge oder eine grundlose Furcht ist, die an die Oberfläche gebracht wurde, um geheilt zu werden. Wir können fragen: „Vater, was trägst Du mir auf? Was würde ich wollen, wenn ich an der Stelle der anderen Person wäre? Wie kann ich meine Hilfe am besten anbieten? Hilf mir, alle falschen Befürchtungen aufzugeben, die mich davon abhalten würden, Deine Liebe freigiebig und bereitwillig zum Ausdruck zu bringen.“ Diese Art von Gebet erfordert Lauschen, geistige Intuition, reingewaschene Motive und Taktgefühl.
Die Offenheit dafür, anteilnehmende Hilfe anzubieten oder anzunehmen, hilft, die Eigenschaften von Liebe und Dankbarkeit zu kultivieren und zu stärken, und öffnet unser Herz dafür, mehr von der zärtlichen Unterstützung unseres geistigen Fortschritts vonseiten der Liebe zu empfangen. Durch Gebet inspirierte christliche Fürsorge erweitert und stärkt die gottgegebenen Eigenschaften der Weisheit, Intuition, Geduld und Selbstlosigkeit, die alle wesentlich für unsere wirksame heilende Praxis und unseren Fortschritt als Einzelne sowie als Kirchenfamilie sind.
Linda Kohler
Auf Einladung der Redaktion
