Vor vielen Jahren brachte der Christian Science Monitor einen religiösen Artikel zum Thema Gehorsam („Why obedience?“, 15. September 1985), der mich tief beeindruckte. Der Verfasser zeigte, wie wichtig Gehorsam ist, am Beispiel seines Vaters, der in einer Gegend aufgewachsen war, die aktive und stillgelegte Kupferminen aufwies. Als der Vater noch ein kleiner Junge war, ging er einmal mit seinem Vater in den Hügeln spazieren. Er war ein paar Schritte vorangelaufen, als sein Vater plötzlich sagte: „Stopp!“ Der Junge blieb augenblicklich stehen – unmittelbar vor einem ungesicherten Minenschacht. Ein Schritt weiter, und er wäre in den Schacht gefallen. Der Verfasser hatte darauf hingewiesen, dass der Junge nicht gefragt hatte, warum er anhalten sollte, und auch nicht erst einen weiteren Schritt getan hatte, bevor er angehalten war. Sein augenblicklicher Gehorsam hatte ihn vor Verletzung bewahrt und ihm vielleicht sogar das Leben gerettet.
In dieser Erfahrung gehorchte der Junge, bevor er verstand, warum sein Vater ihm befohlen hatte, anzuhalten. Erst kam der fraglose Gehorsam und dann erfuhr er, warum. Mary Baker Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Kinder sollten ihren Eltern gehorchen; Widersetzlichkeit ist ein Übel, das die Ansätze der Selbstbeherrschung verkümmern lässt“ (S. 236). Gehorsam Gott und Seinen geistigen Gesetzen, Geboten und Vorschriften gegenüber ist eine göttliche, geistig wissenschaftliche Regel und spiegelt die Forderung unseres himmlischen Vater-Mutter-Gottes dahingehend wider.
Der Patriarch Abraham ist ein hervorragendes Beispiel des einfachen und selbstlosen Gehorsams gegenüber den göttlichen Forderungen – der Gehorsam aufgrund seiner Liebe zu Gott. Wir lesen im Hebräerbrief: „Durch Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in das Land zu ziehen, das er als Erbe bekommen sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme“ (11:8). Wie andere berühmte geistig gesinnte Figuren in der Bibel fragte Abraham nicht, warum er eine göttliche Forderung erfüllen musste, bevor er gehorchte.
Viele Bibelgeschichten zeigen ein unkompliziertes, unvoreingenommenes Vertrauen auf Gott, Geist, das zweifellos durch immer neue Beweise dafür gestärkt wurde, dass Gehorsam den Segen der Führung, der Sicherheit, des Friedens, der Versorgung, des Sieges über Feinde und sogar der richtigen Lebensbegleitung mit sich bringt. Warum? Weil Gehorsam die grundlegendste Wahrheit über unsere Beziehung zu Gott demonstriert: unsere Einheit – geistige, wissenschaftliche Eintracht – mit Ihm. Gott, das göttliche Gemüt, ist die einzige Quelle der Existenz, Intelligenz und Kraft, und Gehorsam Gottes Gesetzen gegenüber exemplifiziert, demonstriert und erhält unsere Einheit mit dieser Quelle.
Viele Bibelfiguren sind, oft durch unangenehme Erfahrungen, zu der Erkenntnis gelangt, dass Ungehorsam Gott gegenüber das Gefühl nach sich zieht, von göttlicher Liebe, der Quelle alles Guten, abgeschnitten zu sein. Mary Baker Eddy schreibt: „Wenn wir in Ungehorsam gegen Ihn leben, sollten wir uns nicht in Sicherheit wiegen, auch wenn Gott gut ist“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 19).
Sicherlich ist nichts wichtiger für das geistige Wachstum und unverzichtbarer für die Überwindung von Disharmonie, als das Verständnis von Gott und Seinen Gesetzen, denn der Ungehorsam Gott gegenüber ist der Urheber aller Disharmonie. Doch Gehorsam Gott gegenüber führt dazu, dass wir Ihn verstehen, da die Essenz der Identität des Menschen Widerspiegelung ist.
Man könnte sagen, dass eine Widerspiegelung ein alles übersteigendes Beispiel für Gehorsam ist. Sie kann nichts aus sich selbst tun. Ja, sie ist dem Original unablässig gehorsam. Christus Jesus sagte: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts aus sich selber tun, sondern was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut in gleicher Weise auch der Sohn“ (Johannes 5:19). Was für eine ausgezeichnete Beschreibung der Widerspiegelung!
Sie stimmt mit der Beschreibung in Wissenschaft und Gesundheit von dem geistigen, wahren Menschen, dem genauen Ebenbild und perfekten Gleichnis Gottes, überein, die u. a. lautet: „das, was nicht eine einzige Eigenschaft hat, die nicht von der Gottheit stammt; das, was kein Leben, keine Intelligenz noch schöpferische Kraft aus sich selbst besitzt, sondern alles geistig widerspiegelt, was zu seinem Schöpfer gehört“ (S. 475).
Alles, was die materiellen Sinne über den Menschen aussagen, wird von dieser Beschreibung widerlegt. Der Mensch ist in Wirklichkeit für Gott das, was Zahlen für das Prinzip der Mathematik sind – die Wirkung einer Ursache, und eine Wirkung kann nichts anderes sein als das, was ihr Urheber hervorruft. In ähnlicher Weise entspringt geistiges Verständnis nicht im Menschen, sondern ist Gemüt, das sich durch den Menschen manifestiert.
Unsere Bereitschaft, die Notwendigkeit anzuerkennen, göttliche Forderungen zu erfüllen, noch bevor wir sie verstehen, hängt davon ab, wofür wir uns halten. Wir sind keine endlichen Sterblichen mit eigenem Gemüt und freiem Willen, die göttliche Gesetze und Gebote ablehnen und sich ihnen widersetzen, bis sie meinen, sie verstanden zu haben. Wir besitzen nichts Eigenes, keine persönliche, von Gott getrennte Intelligenz, sondern sind hier und jetzt die geistige und individuelle Manifestation des göttlichen Gemüts und reflektieren das unendliche Verständnis, das Geist verleiht. Diese wissenschaftliche Beziehung der geistigen Idee zu ihrem göttlichen Prinzip stellt die geistige Sohnschaft in der unveränderlichen Wissenschaft des Seins dar, in der alles mit Gott, der einzigen Ursache, beginnt.
Nur menschliche Logik und menschlicher Stolz auf der Grundlage der Illusion eines persönlichen, von dem einen Ego, Gott, getrennten Egos macht uns glauben, dass wir eine Erklärung brauchen, bevor wir eine göttliche Anweisung befolgen – dass bedingungsloser Gehorsam blinder Gehorsam ist, der jeder Intelligenz entbehrt. Die Vorstellung, ein göttliches Gesetz demütig zu befolgen, ist dem menschlichen Gemüt und seinem stolzen Intellekt zuwider. Und unter bestimmten Umständen ist der Widerstand gegen göttliche Gesetze ein Hinweis auf den Wunsch, ein falsches Verhalten fortzusetzen und zu rechtfertigen.
Doch wie bei den biblischen Wegbereitern vor alters demonstriert gerade das demütige, ehrliche Ablegen und bereitwillige Opfern eines sterblichen Egos mit seiner persönlichen Intelligenz und der damit einhergehende Gehorsam gegenüber dem allwissenden Gemüt unsere Einheit mit Geist, dem ewigen Quell geistigen Verständnisses.
In Wirklichkeit ist Gottes Liebe zu uns der Auslöser einer göttlichen Anweisung. Und wie bei den Patriarchen und Propheten inspiriert und veranlasst unsere Liebe zu Gott unseren Gehorsam. Wissenschaft und Gesundheit bestätigt in Bezug auf Jesus: „Durch seinen Gehorsam gegenüber Gott demonstrierte er auf geistigere Weise als alle anderen das Prinzip des Seins“ (S. 25).
Jesus, der geistig von Maria, seiner jungfräulichen Mutter, empfangen wurde, kam durch seinen Vater, Gott, zur Menschheit und erschien durch das Vorgehen des Heiligen Geistes. Jesus exemplifizierte die göttliche Sohnschaft durch seinen geistigen Ursprung vollkommen. Er gab uns die Bergpredigt, eine Reihe machtvoller Regeln, die wir befolgen müssen, da sie von Gott kommen und nicht auf menschlichem Willen oder Gutdünken beruhen. Und wir können darauf vertrauen, dass Verständnis mit Gehorsam einhergeht, denn Gehorsam den geistigen Forderungen in der Bergpredigt gegenüber bringt das menschliche Bewusstsein in Übereinstimmung mit Gott und mit Gottes erhabenem Willen und erhabener Weisheit.
In Erfüllung der Prophezeiung Jesu haben wir den Tröster, von dem er sagte, dass er „für immer bei [uns] bleiben wird“ (Johannes 14:16). Und Mrs. Eddy erklärt: „Unter diesem Tröster verstehe ich die Göttliche Wissenschaft“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 55). Diese Forderung, die geistigen Gebote und Statuten in der Bibel, die Regeln und Gesetze im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft und die Satzungsbestimmungen im Handbuch der Mutterkirche zu befolgen, gründet sich auf die Tatsache, dass alle drei Bücher durch göttliche Offenbarung und nicht persönliche Meinung oder menschlichen Intellekt zur Menschheit gekommen sind. Die Bibel ist das offenbarte Wort Gottes. Mrs. Eddy erklärt, dass das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft die Offenbarung der göttlichen Wissenschaft enthält (siehe Wissenschaft und Gesundheit, S. 559). Und sie schreibt über die Regeln und Satzungsbestimmungen im Kirchenhandbuch: „Sie waren weder willkürliche Meinungen noch diktatorische Forderungen, wie ein Mensch sie an einen anderen stellen könnte. Sie wurden von einer Macht veranlasst, die man nicht sein eigen nennen kann ...“ (Vermischte Schriften 1883-1896, S. 148).
Wenn wir dieser zeitlosen Führung, die beständig aus der göttlichen Liebe zu uns fließt, gehorchen, haben wir alles Verständnis, das wir uns jemals wünschen können, denn Gehorsam Gott gegenüber demonstriert unsere geistige Sohnschaft, unsere Einheit mit Gemüt, der Quelle des unendlichen Verständnisses.
