Eine Freundin und ich hatten eine holperige Beziehung; manchmal waren wir Freundinnen und manchmal stritten wir uns. Um Frieden zu wahren, fühlte ich mich immer verpflichtet, die Schuld für alle unsere Probleme auf mich zu nehmen und nachzugeben.
Ich hatte als Kind in der Sonntagsschule der Christlichen Wissenschaft gelernt, dass Gott Liebe ist und dass wahre Harmonie eine Qualität der Liebe ist. Doch wenn es in meinen Beziehungen Probleme gab, betrachtete ich diese schwierigen Zeiten nicht als Gelegenheit für Gebet – geistig zu erkennen, dass in Wirklichkeit Harmonie vorherrscht –, sondern glaubte irrtümlich, dass ich etwas falsch gemacht haben musste.
Als ich reifer wurde, erkannte ich, dass Gott nicht nur Liebe ist, sondern auch Prinzip, und dass die Eigenschaften des Prinzips auch Fairness und Güte umfassen. Eine ungesunde Beziehung war weder fair noch gütig mir gegenüber. Das half mir zu verstehen, dass Harmonie tatsächlich das Ende von Beziehungen bedeuten könnte, die diese Qualitäten des Prinzips nicht zum Ausdruck bringen.
Nach dem College schloss diese Freundin mich vollständig aus ihrem Leben aus, und als ich ihr einmal begegnete, verhielt sie sich kalt mir gegenüber und zeigte kein Interesse, mit mir zu sprechen. Ich war verletzt, und doch schickte ich ihr einige Monate später eine SMS, in der ich mich dafür entschuldigte, sie irgendwie verletzt zu haben, obwohl ich sicher war, nichts getan zu haben.
Als Tage, Wochen und Monate der Beklemmung vergingen, ohne dass ich eine Antwort bekam, wurde ich immer defensiver und wütender. Bis sie schließlich antwortete, hatte ich viel Zeit, über unsere Freundschaft nachzudenken und zu erkennen, dass ich nicht weiter mit ihr befreundet sein wollte. Doch ich wollte auch nicht weiter so wütend sein, daher fing ich an, aktiver hinsichtlich meiner Gefühle zu beten.
Ich dachte viel über die Bergpredigt im Matthäusevangelium der Bibel nach, denn Jesu Lehren in dieser Predigt sind auf so viele Bereiche des Lebens anwendbar, einschließlich Beziehungen. Jesus sagt seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern: „Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich aber sage euch, dass ihr dem Bösen nicht widerstreben sollt; sondern, wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem halte auch die andere hin. ... Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde, segnet, die euch fluchen, tut denen Gutes, die euch hassen, betet für die, die euch beleidigen und verfolgen“ (Matthäus 5:38, 39, 43, 44).
Ich hatte meinen Fokus immer auf den Teil der Botschaft gerichtet, bei dem es um die Nächstenliebe ging. Doch bei dem Versuch, Jesu Beispiel zu folgen, hatte ich zugelassen, dass ich in einem Zyklus aus schlechter Behandlung und Vernachlässigung verharrte. Als ich nun weiter über diese Lehren nachdachte, verstand ich, dass ich den Sinn verfehlt hatte. Ich verstand auf neue Weise, dass man seinen Nächsten lieben muss, wenn man in der Beziehung zu Gott wachsen will. Man kann nicht Gott lieben und Seine Schöpfung hassen – das widerspricht sich. Doch seinen Nächsten zu lieben bedeutet nicht, dass man sich weiter der schlechten Behandlung anderer aussetzt. Wenn man dies tut, vergisst man, einen anderen Teil von Gottes Schöpfung zu lieben, nämlich sich selbst. Beim Beten wurde ich mir selber gegenüber ehrlicher in Bezug auf die Zeiten, in denen ich meiner Freundin eine schlechte Freundin gewesen war.
Die andere Backe hinzuhalten kann so schnell mit dem Konzept „vergeben und vergessen“ verwechselt werden. Ich „vergebe und berichtige“ lieber – die Tat vergeben und von der Person trennen. Mit anderen Worten, ich musste das Verhalten meiner Freundin von meinem Verständnis dessen trennen, wer sie als Widerspiegelung Gottes, der göttlichen Liebe, wirklich ist. Das half mir, ihr – zumindest aus der Entfernung – zu vergeben und sie zu lieben.
Am Ende ging ich liebevoll auf ihre SMS ein, doch so, dass ich davor geschützt war, in einen unproduktiven Kreislauf zurückzuverfallen. Ich fühlte mich frei, sie aufs Ganze gesehen zu lieben, selbst wenn ich mich von unserer Freundschaft entfernte. Auch wenn wir vielleicht nie wieder eng befreundet sein werden, ist das für mich in Ordnung.
Dies mag keine herkömmliche Geschichte der Heilung einer Beziehung sein, doch für mich war das ein großer Durchbruch. Heute lasse ich keine schädlichen Beziehungen für mich mehr zu, denn ich verstehe, dass es mich einschließt, wenn ich andere so liebe, wie Jesus es gelehrt hat.
