Wo immer man hinschaut, sieht man Anzeichen dafür, dass Menschen dem Bösen zu Diensten sind. Man kann kaum Nachrichtenquellen konsultieren, den Fernseher anschalten oder sich in sozialen Medien umsehen, ohne mitzuerleben, wie Menschenleben, Eigentum und die Umwelt zerstört werden – und festzustellen, dass verschiedene Gruppen diese Zerstörung befürworten.
Manchmal scheinen sogar Institutionen Hass zu verbreiten. Zum Beispiel nutzen einige politische Parteien Hass auf andere Menschen, um politische Erfolge zu erzielen.
Viele betrachten Hass als das Gegenteil von Liebe. Doch was ist Liebe? Aus menschlicher Sicht betrachten wir Liebe als eine Emotion, die Menschen aneinanderbindet. Sie ist in einer Zuneigung und Anerkennung des Guten und des Potenzials für das Gute in anderen verwurzelt. Gemäß der Lehre der Christlichen Wissenschaft ist das Gute bereits vorhanden. Die Bibel sagt, dass Gott alles gemacht hat, „und sieh, es war sehr gut“ (1. Mose 1:31). Somit ist die höhere Bedeutung von Liebe die Erkenntnis des göttlich Guten, das in jedem Kind Gottes vorhanden sein muss, was auch immer wir menschlich sehen mögen.
Wenn Hass das Gegenteil von Liebe ist, dann muss er die Verneinung des Guten und des Potenzials für das Gute im anderen sein. Doch wenn Gott, das unendliche Gute, den Menschen erschaffen hat, dann ist das Gute ein untrennbarer Bestandteil jedes Menschen. Dieses Gute in uns und anderen ist unserer Liebe wert und wird von Gott geliebt.
Die Frage ist natürlich: Wie sollen wir die Person, die etwas Schlechtes tut, betrachten? Wir lesen in der Bibel, dass Christus Jesus „die Gerechtigkeit geliebt und die Ungerechtigkeit gehasst“ hat (Hebräer 1:9). Daraus können wir schließen, dass Jesus weder Gutes noch ein Potenzial für das Gute in Ungerechtigkeit bzw. Sünde gesehen hat. Sein Hass auf Sünde war somit keine Verleugnung von etwas Gutem. Er beruhte auf der Überzeugung, dass Sünde kein Bestandteil des Menschen ist – nicht der wahren Natur eines Menschen entspricht –, denn sie hat keinen Platz in Gottes Schöpfung.
Obwohl er „die Gerechtigkeit geliebt und die Ungerechtigkeit gehasst“ hat, war Jesus das perfekte Beispiel für jemanden, der seine Mitmenschen zu jeder Zeit und unter allen Umständen ehrlich geliebt hat. Er liebte selbst diejenigen, die ihn als Feind betrachteten, und er liebte sie auch noch, als sie versuchten, ihn umzubringen. Die Bibel berichtet, dass er am Kreuz betete: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23:34).
Wenn Jesus selbst diejenigen geliebt hat, die gesündigt haben, dann muss er verstanden haben, dass Sünde selbst niemals auch nur ein Jota Gutes enthalten kann, weil jeder Mensch die Fähigkeit und die Gelegenheit hat, Sünde zu überwinden. Wenn wir erkennen, dass der von Gott erschaffene Mensch der unsterbliche Ausdruck von Gottes vollständig gutem Wesen und somit der Ausdruck von nur Gutem ist, dann ist es nicht schwer, diesen Menschen zu lieben. Dieses Verständnis erklärt Jesu Aufforderung: „Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde, segnet, die euch fluchen, tut denen Gutes, die euch hassen, betet für die, die euch beleidigen und verfolgen“ (Matthäus 5:44).
Mit anderen Worten: Es ist völlig legitim, es Jesus gleichzutun, die Ungerechtigkeit zu hassen, d. h. zu erkennen, dass Sünde nichts Wirkliches und Nützliches zu bieten hat. Doch die Sünde behauptet nicht einfach, etwas Abstraktes zu sein, sondern dass Einzelne oder Gruppen in ihrem Auftrag handeln. Wenn wir also mit etwas Bösem im Weltgeschehen konfrontiert werden, fragen wir uns vielleicht: „Wer macht das? Wer steckt dahinter?“ Doch damit stellen wir uns auf die Seite des Bösen bzw. dessen, was die Christliche Wissenschaft als „Irrtum“ bezeichnet, denn diese Frage bestätigt die Behauptung, das Böse sei wirklich, während es in Wirklichkeit unwirklich ist – eine Lüge. Wir fangen an, nach Übeltätern zu suchen. Und wenn wir glauben, sie gefunden zu haben, fühlen wir uns am Ende selbstgerecht und sind überzeugt, im Gegensatz zu den Übeltätern auf Gottes Seite zu stehen. Dann lassen wir vielleicht ein Gefühl von Opferdasein für uns ein oder erregen uns darüber, dass diese „schlimmen Menschen“ andere zu Opfern machen. Wenn wir das tun, sind wir dann nicht selbst Vertreter des Irrtums, indem wir die Existenz und Macht des Bösen bestätigen?
Die korrekte Frage ist niemals, wer, sondern, was im Auftrag des Irrtums handelt. Und die Antwort ist: der Irrtum selbst. Der Mensch gehört vollständig und uneingeschränkt zu Gott. Es gibt keine einzige Idee Gottes, die fähig wäre, im Auftrag des Irrtums zu handeln. Daher geht es nie um ein „wir gegen euch“, sondern um göttliche Wahrheit gegen die Falschheit des Irrtums.
Um Jesu Befehl zu folgen, unsere Feinde zu lieben und diejenigen zu segnen, die uns verdammen, müssen auch wir uns weigern, die Sünde an den sogenannten Sünder zu binden. Auch wir müssen die lieben, die uns hassen, indem wir erkennen, dass das in ihnen enthaltene Gute – selbst wenn wir es nicht wahrnehmen – die Wahrheit über sie ist, während die Sünde eine Unwahrheit über sie darstellt. Wenn wir wirklich verstehen, dass der Irrtum keine wahren Vertreter hat, fangen wir an, Heilungen zu erleben.
Vor Jahren verdiente eine Christliche Wissenschaftlerin als Schülerin Geld damit, Eintrittskarten für einen Naturpark zu verkaufen. Eines Tages war sie allein in ihrem Schalterhäuschen in einer entlegenen Gegend. Ein Mann fuhr in einem Lieferwagen vor, stieg aus und machte Anstalten, sie zu vergewaltigen. Sie versuchte, sich körperlich gegen den Angriff zu wehren, und betete währenddessen, indem sie bekräftigte, dass Gott gegenwärtig war und sie beschützte.
Sie hatte ein altes Funkgerät und versuchte, damit Hilfe zu rufen, doch der Parkaufseher war kurz aus seinem Fahrzeug ausgestiegen und hörte sie nicht. Eine andere Teenagerin, die an einem anderen Eingang arbeitete, hörte den Hilferuf, geriet aber in Panik und verriet über Funk, dass der Parkaufseher nicht da war, sodass der Angreifer erfuhr, dass niemand ihn stoppen würde.
Das Mädchen hielt das mehrere Pfund schwere Funkgerät in der Hand und wollte den Mann damit angreifen, als ihr ein Engelsgedanke von Gott kam. Sie begriff, dass sie zwar darum gebetet hatte, ihre eigene Sicherheit zu erkennen, aber nicht, den Mann als beschützt zu sehen. Er war ebenfalls ein Kind Gottes und musste daher von Natur aus unschuldig und gut sein. Das materielle Bild eines Vergewaltigers entsprach nicht seiner wahren Identität.
Das war nicht nur Theorie. Einen Augenblick lang sah sie den Mann nicht als Gegner, sondern als den vollkommenen Ausdruck Gottes, der Liebe – als vollständig, aufrecht und vernünftig. Es konnte keinen Konflikt zwischen ihnen geben, denn sie waren beide auf Gottes Seite. Der Mann schien zur Vernunft zu kommen. Er ließ von ihr ab, stieg in seinen Wagen und fuhr weg.
Als der Parkaufseher erfuhr, was passiert war, meldete er den Vorfall der Polizei und gab eine Beschreibung des Mannes und des Lieferwagens durch. Das Mädchen hielt in Gedanken weiter an der wahren, geistigen Identität des Mannes fest. In jenem Sommer gab es keine weiteren Vorfälle dieser Art.
Mary Baker Eddy schreibt in einem Artikel mit dem Titel „Liebet eure Feinde“: „Selbst der Annahme nach hast du nur einen Feind (und diesen nicht in Wirklichkeit), und dieser eine Feind bist du selbst – es ist deine irrige Annahme, dass du Feinde habest, dass das Böse wirklich sei und dass in der Wissenschaft etwas außer dem Guten bestehe“ (Vermischte Schriften 1883–1896, S. 10). Wir alle müssen die Verantwortung für die eigene Überzeugung vom Bösen übernehmen und diese Überzeugung überwinden. Wenn wir das tun, werden wir nicht nur weniger für unsere eigenen Sünden leiden (da wir uns weniger sündig verhalten, aufgrund dessen wir leiden können), sondern wir werden außerdem feststellen, dass wir den Sünden anderer weniger ausgesetzt sind. Warum? Weil wir, wenn wir den Glauben an ein wahres und mächtiges Böses in unserem eigenen Denken überwinden, die Machtlosigkeit alles Bösen offenbaren, was auch immer der vorgebliche Auslöser oder wer auch immer der Übeltäter zu sein scheint.
Die Liebe, mit der wir das Gute in unserem Mitmenschen erkennen, ist das Allheilmittel von Disharmonie, Konflikten und Hass. Mrs. Eddy schreibt über die göttliche Liebe: „Die Liebe regiert das Universum, und sie hat das Gebot erlassen: ‚Du sollst keine anderen Götter haben neben mir‘ und: ‚Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.‘ Lasst uns das Molekül des Glaubens haben, das Berge versetzt – des Glaubens, der mit dem Verständnis der Liebe ausgerüstet ist, wie in der göttlichen Wissenschaft, wo das Recht regiert“ (Die Erste Kirche Christi, Wissenschaftler, und Verschiedenes, S. 278).
Bedenken Sie das Gute, das wir für die Welt bewirken können, wenn wir dies akzeptieren und praktizieren!
