Kürzlich verspürte ich den Wunsch, über das Leben der ersten Christinnen und Christen nachzudenken. Angesichts der enormen Probleme, mit denen sie konfrontiert waren, hätten sie einen einfacheren Weg wählen und ihren Glauben ablegen können. Sie hätten sogar vorgeben können, die römischen Götter anzubeten.
Auf den ersten Blick wäre das vielleicht sicherer gewesen. Doch sie hatten etwas von der geistigen Natur des Lebens erkannt, die ihnen in den Heilungen und der Auferstehung Christi Jesu so umfassend bewiesen worden war. Und das war ausreichend, um ihr Leben umzuwandeln. Es gab also keinen Weg zurück zu einer unerleuchteten Denk- und Lebensweise. Um durchzuhalten brauchten sie Mut und eine Entschlusskraft, die möglich waren, weil sie sich auf den Christus, die Wahrheit, gründeten, der Gottes Gegenwart und Macht in ihrem Leben offenbarte.
Der Apostel Paulus ermahnte die frühen Christinnen und Christen, über ihre unmittelbaren Lebensumstände hinauszublicken und die Wirklichkeit des Daseins wahrzunehmen, das vollständig geistig ist. Er sagte: „Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern verändert euch durch die Erneuerung eurer Gesinnung, damit ihr prüfen könnt, was der gute, wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist“ (Römer 12:2). Das Vorbild, das Jesus und die Apostel gaben, war von grundlegendem Wert. Die frühen Christen fanden Kraft und Freude in ihrem wachsenden Verständnis von Gott und der geistigen Natur des Daseins.
Jahrhunderte später schrieb Mary Baker Eddy, die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft: „Für richtiges Folgern sollte im Denken nur eine Tatsache festgehalten werden, nämlich das geistige Dasein“ (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 492).
Unser geistiges Dasein korrekt einzuschätzen, hat praktische Auswirkungen. Wir erfahren von diesen frühen Nachfolgerinnen und Nachfolgern Jesu mehr darüber, wenn wir beispielsweise betrachten, wie sie einander unterstützt und in einer Gemeinschaft mit anderen gelebt haben, die ihre Liebe zu Gott teilten und diese Liebe in allem, was sie taten, an erste Stelle stellten. Das bedeutete beispielsweise, dass sie füreinander beteten, für die anderen Gläubigen mit sorgten und oft zusammen aßen. Diese Aspekte des Lebens in einer Gemeinschaft waren unverzichtbar und gründeten sich auf die Liebe der göttlichen Liebe, Gottes, für alle – die Liebe, die sie aus den Lehren Jesu sowie aus dem Engagement der Apostel beim Verbreiten des Evangeliums gelernt hatten. Diese Beziehungen hatten nichts mit einer Volkszugehörigkeit zu tun und waren auch nicht exklusiv. Alle wurden liebevoll willkommen geheißen und ermuntert, sich ihnen anzuschließen. Das ist ein Standard für alle Kirchen.
Die christliche Gemeinschaft, die wir heute durch unseren Umgang innerhalb und außerhalb eines Kirchengebäudes miteinander erleben, ahmt die Geschwisterlichkeit der frühen Christinnen und Christen nach. Sie fördert einen tieferen Austausch und tiefere Verbindungen miteinander, die uns befähigen, einander und Menschen in unserem weiteren Umfeld besser zu unterstützen. Unser Miteinander ist viel mehr als nur eine freundliche Begrüßung derer, mit denen man ein- bis zweimal in der Woche eine Kirchenbank teilt; sie stärkt uns individuell und kollektiv, besonders bei Problemen.
Die frühen Christen ignorierten Schwierigkeiten nicht, sondern fanden Führung und Hilfe bei dem Bestreben, ihr Denken an Gott, dem göttlichen Gemüt, auszurichten und Seine Eigenschaften auszudrücken. Die Bibel enthält folgende Anweisung: „Strebe ... nach der Gerechtigkeit, dem Glauben, der Liebe und nach dem Frieden mit denen, die den Herrn aus reinem Herzen anrufen“ (2. Timotheus 2:22). Es war diese Reinheit, die sie befähigte, die scheinbare Wirklichkeit und Macht einer dem unsterblichen Gemüt entgegengesetzten Mentalität zu hinterfragen, die Paulus als „Gesinnung des Fleisches“ (Römer 8:7) bezeichnete und die Jesu Leben und Heilungen als machtlos bloßgestellt hatten.
Diese fleischliche Gesinnung, die in Wissenschaft und Gesundheit und anderen Schriften von Mrs. Eddy sterbliches Gemüt genannt wird, schien die Beweise von Gottes Güte zu trüben. Das Christentum brachte die Menschheit eindeutig in Aufruhr, doch obwohl Jesus viele der etablierten Regeln und Praktiken hinterfragte, predigte er keineswegs den Umsturz der Regierung. Ebenso wenig billigte er Angriffe auf Einzelpersonen. Seine Werke wurden nicht durch menschlichen Willen oder Einsatz bewerkstelligt; er stützte sich auf die Macht der göttlichen Liebe, die Menschheit individuell und kollektiv umzuwandeln. Das ist ein wichtiges Vorbild für die heutigen Nachfolgerinnen und Nachfolger Christi, denn dieses Vorgehen vermeidet die Politisierung von Kirche, da die Zielsetzung ist, Jesu reines Leben nachzuahmen – ein Leben ohne Parteilichkeit, das immer auf der Seite des einen Gottes, des Guten, stand.
Ich habe einige schwere Zeiten erlebt und dann auf die gleiche Ressource zurückgegriffen, die sich für die frühen Christen und viele andere seitdem als so nützlich erwiesen hat: Hinwendung zu Gott. Wenn ich das tat und darum betete, die geistige Wirklichkeit der Situation zu erkennen, hat sich das Blatt manchmal augenblicklich gewendet. Zu anderen Zeiten löste sich das Problem nicht sofort, und Standhaftigkeit war gefordert. Die Prüfungen, die ich zu bestehen hatte, waren sicher weniger umfangreich als die der frühen Christinnen und Christen, doch ich war wie sie jeweils dankbar für die Gebete und praktische Unterstützung der anderen in meiner Glaubensgemeinschaft. Dieses Miteinander hat nichts mit einer Clique zu tun. Es heißt alle Menschen willkommen und enthält keine Hierarchie aufgrund von „Dienstjahren“. Die Kirche quillt über mit der Fülle der göttlichen Liebe für alle.
Vor ein paar Jahren hat mich dieser liebevolle Gemeinschaftsgeist besonders gesegnet. Es ging mir körperlich nicht gut, und ich erhielt eine metaphysische Behandlung von einem Praktiker der Christlichen Wissenschaft. Und obwohl es möglich war, Hilfe von einer Pflegerin in der Christlichen Wissenschaft zu erhalten, musste sie abreisen, bevor ich ganz ohne Unterstützung auskam. Sofort leisteten andere Christliche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbstlose praktische Hilfe. Eine Person, die ich nicht einmal kannte, hörte von meinem Bedarf, fuhr liebevoll eine Stunde bis zu meinem Haus und verbrachte die Nacht bei mir, damit ich nicht allein sein musste. Eine Frau, die zu Besuch bei Verwandten in einer anderen Stadt war, opferte Zeit mit der Familie, um mir zu helfen. Ich war dankbar für all die unmittelbare Hilfe und die fröhliche Freundlichkeit, die mir gegenüber zum Ausdruck gebracht wurde. Schon bald ging es mir wieder gut. Diese Art von aktivem Ausdruck der göttlichen Liebe deutet auf die Möglichkeiten und die Macht unserer Kirchenfamilie hin, während wir als Heilerinnen und Heiler Fortschritte machen.
Das Nachdenken über das Leben der frühen Christen hat meinen Glauben inspiriert und beflügelt. Es hat meine Sichtweise verändert und meine Hingabe daran gestärkt, meinen Blick auf Gott, Geist, zu richten, Beständigkeit und christliche Gemeinschaftlichkeit zu üben und um Führung zu beten. Ich kann mir keine bessere Herangehensweise an das Leben vorstellen. Ich bin so dankbar für die Opfer und Beispiele der frühen Christen und die Gelegenheit, meinerseits die Lehren zu lernen, die ihre Erfahrungen uns bieten – Lehren, die durch die Christliche Wissenschaft praktische Formen annehmen.
