Ich bin in großen Städten schon oft durch Wohngegenden gelaufen und habe die jeweiligen architektonischen Stilrichtungen der Häuser betrachtet, manche wohlwollend, andere mit Ablehnung. Dann wurde mir eines Tages bewusst, dass ich nicht entscheiden musste, welche Häuser mir gefallen und welche nicht – es war unnötig, sie zu bewerten. Ich hatte ja nicht vor, sie zu kaufen, und niemand hatte mich um meine Meinung gebeten. Ich konnte bei jedem Gebäude einfach die Besonderheiten schätzen und gleichzeitig klar wissen, dass es nicht mein Haus war.
„Das ist nicht mein Haus!“ Dieser neue Gedanke ist jetzt für mich über die buchstäbliche Bedeutung hinaus von Wert. Er hält mich davon ab, Situationen, die ich nicht lösen muss, zu bewerten und möglicherweise Lösungen dafür anzubieten. Wenn ich einmal geneigt bin, ungefragt meine Meinung zu äußern, sage ich mir: „Das ist nicht mein Haus. Lass es sein!“
Ich bin durch etwas Tiefergehendes als ein schlichtes Ablehnen einer menschlichen Meinung zu diesem Schluss gekommen. Er entstand durch das wachsende Bewusstsein, dass ich besser begreifen musste, was mein „Haus“ – meine wahre Identität – ist, und mir ganz klar darüber sein, wer ich als Gottes geliebtes und versorgtes Kind bin. Dieses „Haus“, diese geistige Identität, ist vollständig, mit allem ausgestattet, was ich brauche, um meinen einzigartigen gottgegebenen Zweck zu erfüllen. Und da die Quelle des Lebens eines jeden Menschen Gott, die Unendlichkeit, ist, unterscheidet sich der Ausdruck unserer eigenen Vollständigkeit gänzlich von der aller anderen. Ein Vergleich ist daher unnötig.
Diese neue Denkweise aus geistiger Sicht rüttelte mich wach und machte mich auf einige versteckte und sogar böswillige Gedanken aufmerksam, die ich gehegt hatte. Und es war viel befriedigender, über die Vollständigkeit, Erfüllung und Freude meiner wahren Identität als von meinem Vater-Mutter-Gott ausgehend nachzudenken, statt, stolz oder neidisch, meine Erfahrungen mit denen anderer zu vergleichen.
Ob Mary Baker Eddy, die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft, Menschen heilte, die Christliche Wissenschaft lehrte oder eine Kirche gründete, immer wurde sie bewundert oder gar verehrt und um persönliche Ratschläge gebeten. Mrs. Eddy sagte ausdrücklich, dass man sich nur an Gott, das göttliche Gemüt, wenden darf, um Führung und ein Verständnis der eigenen wahren Identität zu erlangen. Sie erklärte: „Jeder menschliche Gedanke muss sich ganz natürlich an das göttliche Gemüt als seinen einzigen Mittelpunkt und seine einzige Intelligenz wenden. Ehe dies geschieht, wird der Mensch nie als harmonisch und unsterblich erfunden werden.
Wer immer sich um seiner Gesundheit oder Heiligkeit willen an mich als Person wendet, begeht einen Fehler. Wer sich aus menschlicher Liebe oder menschlichem Hass oder irgendeiner anderen Ursache an meine materielle Person klammert, geht sehr in die Irre, verzögert seinen eigenen Fortschritt und verfehlt den Pfad zu Gesundheit, Glück und Seligkeit“ (Vermischte Schriften 1883–1896, S. 307–308).
Wenn es für Mrs. Eddys Schülerinnen und Schüler wichtig ist, sich nicht auf sie persönlich – oder, entsprechend meiner obigen Analogie, auf ihr „Haus“ – zu konzentrieren, argumentierte ich, dann ist es auch für uns wichtig, nicht das Leben eines anderen zu betrachten oder mit unserem zu vergleichen. Ebenso wenig müssen wir es bewerten, um herauszufinden, was wir in unserem Leben brauchen. Stattdessen müssen wir uns direkt an Gott wenden.
Das Verlangen, Gott, Gemüt, als den Schöpfer aller Dinge und gleichzeitig als den Architekten, Versorger und Erhalter unseres Seins zu verstehen und zu erkennen, ist maßgeblich für unser geistiges Wachstum. Aus dieser Sicht erkennen wir nur das, was in dem, was wir und andere erleben, wahr ist. Die geistige Natur eines jeden Menschen als die Idee des göttlichen Gemüts zu erkennen, hebt das Denken über die materielle Sichtweise, und dazu gehört die Bewertung persönlicher Situationen oder Handlungen, sodass wir freudig geistige Hinweise auf die Güte Gottes, des Geistes, wahrnehmen können. Das Ergebnis ist ein mit Liebe für uns und unsere Mitmenschen gefülltes Bewusstsein. Dieses mit Liebe gefüllte Bewusstsein ist mein Haus! Wie Mrs. Eddys geistige Auslegung des 23. Psalms sagt, ist das Haus, in dem wir ewig leben, das „Bewusstsein der Liebe“ (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 578).
Ich lerne, mich zurückzuhalten, wenn die Entscheidung eines anderen Menschen nicht mit dem übereinstimmt, was ich für richtig halte. Stattdessen betrachte ich meine eigene Beziehung zu Gott und nehme meine Identität und die der jeweils anderen Person als Sein Kind wahr. Wenn etwas berichtigt werden muss, kann ich darauf vertrauen, dass das göttliche Gemüt die nötige Berichtigung vornehmen wird, und das inspiriert mich manchmal möglicherweise dazu, einen hilfreichen Gedanken zu äußern, wenn es angebracht ist. Gott, die göttliche Liebe, regt das menschliche Bewusstsein an, bis es sich Gottes Anweisung fügt.
Diese Gebete haben meinen fortlaufenden Weg dahin unterstützt, das Gefühl loszulassen, ich müsse eine Meinung darüber haben, wie andere ihren Alltag meistern, und mein Denken auf die geistige Identität aller Menschen als Ausdruck Gottes gerichtet zu halten. Es reicht, wenn wir uns um unser eigenes Haus, unser eigenes Bewusstsein, kümmern.
