In einem Vortrag über die Christliche Wissenschaft berichtete der Sprecher von einer Erfahrung, die er als Leiter einer Abenteuerreise für Jugendliche gemacht hatte. Ein Jugendlicher in seiner Gruppe verhielt sich ihm und den anderen gegenüber feindselig. Der Vortragende weigerte sich, dieses Verhalten als Ausdruck des wahren Charakters dieses jungen Mannes zu akzeptieren. Schon bald änderten sich die Einstellung und das Verhalten dieses Teilnehmers vollständig. Er wurde kooperativ und freundlich.
Diese Geschichte hat mich sehr inspiriert. Sie zeigte so deutlich, wie wir in allen Menschen das sehen müssen, was Christus Jesus in anderen sah, nämlich ihre wahre, Christus-ähnliche Natur, in der Gottes Güte zum Vorschein kommt. Statt das falsche Bild eines Sterblichen mit aggressivem Charakter zu akzeptieren, dürfen wir nur die Wirklichkeit anerkennen, dass alles Sein geistig und jede individuelle Idee Gottes harmonisch und ewig ist. Mary Baker Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Lass Disharmonie jedes Namens und jeder Art nicht mehr gehört werden und lass die harmonische und wahre Auffassung von Leben und Sein vom menschlichen Bewusstsein Besitz ergreifen“ (S. 355).
Während des Elementarunterrichts in der Christlichen Wissenschaft vor mehreren Jahren hatte ich eine Gelegenheit, Jesu Beispiel zu folgen. Beim Spaziergehen begegnete ich einem wohnungslosen Mann, der in Not war. Der geistige Auftrieb, den ich während des Unterrichts gefühlt hatte, hatte mein Denken beflügelt und mir eine bessere, geistigere Sichtweise von Gottes Schöpfung gegeben. Ich fühlte mich veranlasst, auf den Mann zuzugehen, während ich zuvor aus Angst einen Bogen um ihn gemacht hätte.
Das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft gibt uns ein erweitertes Verständnis von Gottes Liebe, die jede Angst überwindet. Wir lesen darin: „Millionen vorurteilsfreier Gemüter – schlichte Sucher nach Wahrheit, müde Wanderer, durstend in der Wüste – warten und halten Ausschau nach Ruhe und Erquickung. Gib ihnen einen Becher mit kaltem Wasser in Christi Namen und fürchte niemals die Folgen“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 570). Als ich an diese Stelle dachte, verschwand meine Angst. Gleichzeitig verlor ich jede selbstsüchtige Besorgnis, was ich zu dem Mann sagen sollte, und ich wurde zuversichtlich, dass Gott mich führen würde.
Der Mann sagte, dass er immer, wenn er in dieser Stadt arbeitete, auf einer Bank schlief. Er war an einem weit entfernten Ort zu Hause, an dem es ihm nicht gelungen war, eine Arbeitsstelle zu finden. Er beklagte, dass er oft Streit mit anderen anfing, da er vom Teufel besessen sei. Augenblicklich erklärte ich still für mich, dass das Böse unwirklich und machtlos ist und sich niemals an diesen Mann anhängen kann. Gott, das Gute, ist die einzige Macht und Gegenwart und der einzige Einfluss. Dann sprach ich eine ganze Weile über seine wahre Identität als Gottes Kind mit ihm.
Nachdem ich erwähnt hatte, dass ich an einem Kurs über die Christliche Wissenschaft teilnahm und lernte, wie man heilt, fragte er mich, ob ich für ihn beten würde. Ich nahm seine Hand in meine und versicherte ihm, dass sein Wesen nicht böse war und dass er, wie jeder von uns, Gottes Güte widerspiegelte, denn sie ist jedem verfügbar.
Die Gesichtszüge des Mannes nahmen einen sichtlich entspannteren Ausdruck an. Mit sanfter Stimme äußerte er seine Dankbarkeit dafür, dass ich mir die Zeit genommen hatte, mit ihm zu sprechen. Ich weiß nicht, wie es ihm ergangen ist, seit wir miteinander gesprochen haben, doch ich bin sicher, dass ihm unsere Begegnung eine neue Sicht von sich selbst gegeben und sein Leben auf irgendeine Weise gesegnet hat.
Bei einer anderen Gelegenheit hatte ich eine unerwartete Auseinandersetzung mit einer Bekannten und wurde ein weiteres Mal dazu geführt, alles aus geistiger Sicht zu betrachten und Gottes Sichtweise einzunehmen. Diese Bekannte hatte ohne große Ankündigung ihr Vorhaben abgesagt, eine Aktivität auf einer Veranstaltung zu leiten, die ich ausrichtete. Unser Telefonat darüber artete in Streit aus und endete damit, dass ich verletzt und gestresst war.
Nachdem mich ein Familienmitglied wegen der Situation bedauert hatte, war ich noch bekümmerter, hauptsächlich wegen der Art und Weise, wie ich mich selbst verhalten hatte. Die Christliche Wissenschaft lehrt nicht, man solle immer wieder über ein Problem nachdenken, doch im Grunde tat ich genau das. Dadurch wird aber nur hervorgehoben, was von vornherein überhaupt keine Wirklichkeit hat. Stattdessen musste ich die wahre Natur meiner Bekannten und ihre vielen guten Eigenschaften hervorheben, zu der Selbstlosigkeit im Dienst verschiedener würdiger Ziele gehörte. Und ich musste den Glauben zurückweisen, dass es jemals einen Konflikt zwischen Gottes Kindern geben könnte. Ich bemühte mich, das immer dann zu tun, wenn ich an diese Bekannte dachte.
Nach unserem Gespräch stieß ich auf eine Stelle in Wissenschaft und Gesundheit, die mir als Autorin immer viel bedeutet: „Diejenigen, die in der Christlichen Wissenschaft unterrichtet sind, haben die herrliche Wahrnehmung erlangt, dass Gott der einzige Urheber des Menschen ist“ (S. 29). Ich dachte außerdem daran, dass Gott der Urheber von uns allen ist, und welch ein wertvolles Geschenk das ist. Ich dachte an meinen Mann, an andere Angehörige und auch an diese Bekannte und stellte mir die liebevolle Fürsorge vor, mit der die göttliche Liebe uns als geistige Ideen erschaffen hat und nicht als fehlerhafte materielle Wesen mit unterschiedlichen Sichtweisen und Zielen.
Als ich in den darauffolgenden Tagen weiter still auf Gottes Gedanken lauschte, wurde ich auf einmal ganz ruhig. Ich wusste, dass alles in Ordnung sein würde.
Einige Tage vor der Veranstaltung fragte mich diese Bekannte freundlich, ob sie sich noch anmelden könnte, so, als ob nichts zwischen uns vorgefallen sei. Ich sagte ihr, wie sehr es mich freute, dass sie teilnehmen würde. Am Ende der Veranstaltung äußerte sie ihre Dankbarkeit für die Erfahrung. Die Teilnehmenden waren liebevoll und freundlich zueinander, und die Atmosphäre war harmonisch und erhebend.
Welch einen Segen habe ich daraus erlangt, alle Kinder Gottes in ihrem wahren Licht wahrzunehmen!
