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„Auf daß wir nicht vergessen.“

Aus der September 1906-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Einer der interessantesten Punkte für Touristen, welche den Rhein stromauf- oder stromabwärts bereisen, ist das große Denkmal auf Höhen über Rüdesheim. Wenn man vom Dorfe unten den Berg hinaufsteigt und die Anlagen erreicht, welche das Monument umgeben, so kann man nicht umhin, von der Größe, der Ehrfurcht heischenden Pracht der Umgebung ergriffen zu werden, welche sich dem Anblick darbietet. Tief unten, gleich einem wirklichen Strom von Silber, glitzernd in der frühen Morgensonne, fließt der Rhein und windet seinen Weg zwischen den hohen Bergen hindurch. Ergriffen von diesem Anblick, wenden wir uns dem Monument zu, das in seiner mächtigen Höhe vor uns emporragt und sehen darauf die Inschrift des Liedes „Die Wacht am Rhein.” Dieses Monument wird „das Denkmal” genannt, ein deutsches Wort, welches bedeutet „das Erinnerungszeichen” oder wie Kipling sagen würde, „daß wir nicht vergessen.”

Indem wir an dieses Denkmal und an diese Worte denken, werden wir unwillkürlich veranlaßt die Bedeutung und den Zweck der verschiedenen Monumente zu erwägen, welche auf der ganzen Welt errichtet wurden. Das eben erwähnte Denkmal soll an den Sieg des französisch- preußischen Krieges von 1870 erinnern. Andere Denkmäler der Welt wurden in gleicher Weise errichtet, um große geschichtliche, religiöse oder andere Ereignisse zu feiern, während viele zu Ehren von Persönlichkeit gesetzt wurden, welche durch irgend eine große Tat Einfluß auf die Civilisation der Welt hatten. Alle diese Monumente wurden zu dem Zwecke errichtet, in dem Gedächtnis der Menschen irgend etwas lebendig zu erhalten, was getan oder vollbracht worden war. Dies ist ebenso wahr von religiösen Gebräuchen, Fasttagen oder Festtagen. Diese sind in hohem Grade zum Gedächtnis oder zur Erinnerung „auf daß wir nicht vergessen.”

Jedes Jahr begehen die Menschen des jüdischen Glaubens, wo sie auch in der Welt verstreut sind, die Feier des Passahfestes ungefähr zu derselben Zeit wo viele christliche Sekten sich versammeln, um Ostern und die Auferstehung zu feiern. Dies sind nur Denkmäler um die Erinnerung an religiöse Ereignisse in der Weltgeschichte lebendig zu erhalten. Bei der alljährlichen Wiederkehr des jüdischen Passahfestes ist es seit undenklichen Zeiten Sitte gewesen, in den Synagogen, wie in den Häusern der Juden, eine Erzählung vorzulesen, welche in allen Einzelheiten die Geschichte der Kämpfe, Prüfungen und Trübsale der Kinder Israel in vergangenen Zeiten schildert, als sie in Gefangenschaft gehalten wurden, und auch ihren Auszug aus Ägypten unter Moses’ Führung erzählt. Diese Erzählung beschreibt die vierzigjährige Wanderung dieses Volkes in der Wüste, ehe es das Land der Verheißung erreichte. Sie spricht von ihrem Murren und Klagen, wie sie den einen Gott verließen und sich ihren Abgöttern zuwandten, und wie einige von ihnen sogar Moses baten, sie wieder in die Sklaverei mit all ihren Leiden zurückkehren zu lassen, aus der sie befreit worden waren. All dies wird Jahr für Jahr in seinen Einzelheiten kund getan, so daß alt und jung, von Geschlecht zu Geschlecht einen Eindruck von dieser Lektion empfangen kann und nicht vergessen, was ihre Väter erlitten haben als sie „des Herrn, ihres Gottes, vergaßen.”

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