Kürzlich fühlte ich mich angeregt darüber nachzudenken, was es heißt, das Verbrechen im Zaum zu halten, und so befasste ich mich eingehend mit den Schriften Mary Baker Eddys, der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft. Dabei wurde meine Aufmerksamkeit besonders auf die folgende Stelle gelenkt: „Diese materielle Welt wird schon jetzt zum Schauplatz widerstreitender Gewalten. Auf der einen Seite wird es Disharmonie und Schrecken geben; auf der anderen Seite werden Wissenschaft und Friede sein. … Im Laufe dieses letzten Konfliktes werden bösartige Gemüter versuchen, Mittel und Wege zu finden, um mehr Böses anzurichten; aber diejenigen, die die Christliche Wissenschaft erfassen, werden das Verbrechen im Zaum halten. Sie werden beim Austreiben von Irrtum helfen. Sie werden Recht und Ordnung aufrechterhalten und freudig die Gewissheit der endgültigen Vollkommenheit erwarten“ (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 96–97).
Disharmonie und Schrecken kennzeichnen in diesem Abschnitt die dem Guten entgegengesetzten Kräfte. Christus Jesus, der Meister der Christenheit, zeigte uns auf einzigartige Weise, wie man solchen Kräften entgegentreten kann: durch Sanftmut und Vergebung.
Die Leute in einer Synagoge, die gegen Jesu Lehren waren, führten ihn einmal an den Rand eines Berges, um ihn hinunterzustoßen. „Aber er ging mitten durch sie hindurch“ (Lukas 4:30). Ein andermal, als eine von den Hohepriestern aufgestachelte Menschenmenge kam, um ihn festzunehmen, zog einer seiner Jünger, Simon Petrus, ein Schwert und hieb dem Knecht des Hohepriesters das Ohr ab (siehe Matthäus 26:47–52; Johannes 18:1–11). Man könnte das als eine normale Reaktion auf diese aggressive Handlung – die Festnahme des Meisters – ansehen. Doch nicht so Jesus. Er missbilligte das Tun seines Freundes und heilte das Ohr des Knechtes. Mir zeigen diese beiden Vorfälle, dass Jesus sich nur der Macht des Guten bewusst war. Und die ließ ihn in ersterem Fall durch die Menschenmenge hindurchgehen und in letzterem mit Liebe und Vergebung handeln, auch wenn eine gewaltsame menschliche Reaktion gerechtfertigt zu sein schien. Liebe ist der Kern des Christentums!
Doch wenn man ohne Gewalt auf eine Gewalttätigkeit reagiert, würde das nicht bedeuten, dass man diese Handlung billigt? Oder ihr ausgeliefert ist? Nein, niemals! Mit Vergebung auf Hass zu antworten ist kennzeichnend für ein liebevolles Wesen und missbilligt somit den Hass. Es ist sehr einfach, mit Hass auf Hass zu reagieren oder mit Liebe auf Liebe. Aber mit Liebe auf Hass einzugehen ist eine christliche Geste, wie auch unser Meister es gelehrt hat: „Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen“ (Lukas 6:27). Auch wenn eine freundliche Geste angesichts der Riesenhaftigkeit eines Problems bedeutungslos zu sein scheint, ist sie doch wirksam und kraftvoll.
In dem Maße, wie wir verstehen, dass Gott unendliche Liebe ist, verschwindet die Dunkelheit von Ignoranz, Furcht und Gewalt.
Ich vergleiche unser Denken gern mit einer Kerze in einem dunklen Raum. Wenn die Kerze angezündet ist, erhellt ihr sanftes Licht alles und jeden in seiner Reichweite. Wenn wir durch Gebet danach streben, Jesu Lehren zu befolgen und Liebe und Vergebung zu üben, erweitert sich unsere Sicht vom allumfassenden Licht Gottes. In dem Maße, wie wir verstehen, dass Gott unendliche Liebe ist, verschwindet die Dunkelheit von Ignoranz, Furcht und Gewalt und unser Handeln wird vom Licht des Guten, der Liebe und der Vergebung bestimmt. Dies sind geistige Eigenschaften, die von Gott, dem unendlichen Guten, kommen, und es gibt in Wirklichkeit keine Ihm entgegengesetzte Kraft.
Wir können immer beten und in jeder Situation die Allmacht von Liebe und Harmonie bekräftigen.
Bei der Anerkennung dieser Tatsache vermeiden wir zweierlei: das Böse zu ignorieren oder es zu fürchten. Wenn wir die Augen vor konfliktreichen Situationen verschließen oder einfach denken, dass wir nichts damit oder mit den daran Beteiligten zu tun haben, ignorieren wir das Böse. Wir können immer beten und in jeder Situation die Allmacht von Liebe und Harmonie bekräftigen.
Wenn wir uns verstecken oder die gleichen gewaltsamen Mittel einsetzen oder rechtfertigen, die von den sogenannten entgegengesetzten Kräften eingesetzt werden, fürchten wir das Böse. Die beste Verteidigung besteht darin, unseren Glauben leuchten zu lassen und darauf zu vertrauen, dass wir unseren Schutz in Gott haben, wie der 91. Psalm uns versichert: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der sagt zu dem Herrn: ‚Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich vertraue!‘“ (91:1, 2). Wenn wir im Gebet Zuflucht beim himmlischen Vater suchen, verbergen wir uns nicht einfach vor dem Bösen in dem Glauben, es sei weiter vorhanden und eine Gefahr. Vielmehr verliert durch das Vertrauen in die Allmacht Gottes, die Allheit des Guten und die Nichtsheit des Bösen, alles Bedrohliche seine trügerische Macht. Wir erkennen, dass nichts uns aus unserem sicheren Zufluchtsort herausholen kann, aus dem Schatten des Allmächtigen, wo wir alle leben und immer unverletzt sind.
Die Gegenwart und Allerhabenheit des Guten anzuerkennen bringt Frieden und segnet jedermann. Wenn wir das tun, werden wir erleben, wie das Gute Böses überwindet, Liebe den Hass austreibt, der Glaube Berge von Unverständnis beseitigt und Sanftheit der Brutalität ein Ende bereitet. Diese Siege ereignen sich ohne Tumult, wie die sanft fortschreitende Morgendämmerung, die niemand aufhalten kann, und so wird das Verbrechen letztlich im Zaum gehalten.
