Wie wichtig es doch ist, während einer Zeit, in der Christen in aller Welt der Tragödie von Jesu Kreuzigung gedenken, die Freude nicht aus den Augen zu verlieren, die ebenfalls mit Ostern einhergeht! Jesu Auferstehung und Himmelfahrt krönen die Osterzeit mit neuer Hoffnung, mit der Verheißung ewigen Lebens.
Der Sohn Gottes erduldete die Kreuzigung, damit wir an Gott glauben mögen – an seinen und unseren Vater. Die gesamte Heilungs- und Erlösungsmission Jesu war darauf ausgerichtet, die Menschheit von den Sünden des Fleisches und allem Leid zu befreien, indem er die Sohnschaft des Menschen – die Einheit mit Gott – unter Beweis stellte.
Der Bibel zufolge ist die Auferstehung der Beweis von Gottes erhabener Liebe zum Menschen, Seinem geliebten Kind. Wir lesen im Johannesevangelium: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einziggeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben“ (Johannes 3:16). Und Mary Baker Eddy erklärt dazu in dem Kapitel „Versöhnung und Abendmahl“ ihres Lehrbuches Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Jesus von Nazareth lehrte und demonstrierte das Einssein des Menschen mit dem Vater, und dafür schulden wir ihm endlose Ehrfurcht. Seine Mission war beides, individuell und kollektiv. Er erfüllte sein Lebenswerk in der richtigen Weise, nicht nur, um sich selbst gerecht zu werden, sondern auch aus Erbarmen mit den Sterblichen – um ihnen zu zeigen, wie sie ihr eigenes Lebenswerk erfüllen können, jedoch nicht, um es für sie zu tun, noch um ihnen eine einzige Verantwortung abzunehmen“ (S. 18).
Da Jesus seinen Nachfolgern auftrug, so zu lieben, wie er liebte, genügt es nicht, wenn wir uns lediglich damit begnügen, uns von Gott geliebt zu fühlen. Nein, unsere Aufgabe ist vielmehr, unseren Mitmenschen die gleiche Liebe entgegenzubringen, die Jesus zum Ausdruck brachte. Viele Christen sind ernstlich bemüht, dieser Aufforderung nachzukommen, indem sie Anderen mit Freundlichkeit, Zuvorkommenheit, Achtsamkeit, Treue, Wärme und Aufmerksamkeit begegnen, und das ist zweifellos ein ganz wunderbarer und auch unerlässlicher Anfang. Doch darüber hinaus demonstrierte Christus Jesus, was er unter Liebe verstand, indem er heilte. Er heilte die Menschen von Sünde, Krankheit und Tod. Das ist der höchste Ausdruck von Liebe. Die Christliche Wissenschaft erklärt, dass diese heilende Liebe die Krone des Christentums ist – die höchste Demonstration von Gottes Liebe zum Menschen. Sie ist es, die Ostern seine eigentliche Bedeutung verleiht.
Vor ca. zwölf Jahren war mein Vater bei uns zu Besuch. Es ging ihm nicht gut und eines Abends, nachdem ich mich bereits hingelegt hatte, wurde ich nach unten in sein Zimmer gerufen. Ich sah, dass es ihm sehr schlecht ging und er kaum atmen konnte. Ich fragte ihn, ob ich ihm etwas aus der Bibel und aus Mary Baker Eddys Schriften vorlesen durfte. Da ihn die Nachrichten aus aller Welt, über die zuvor in den Medien berichtet worden war, sehr erregt hatten, nahm ich die Konkordanzen zur Hand, schlug so ziemlich jede Stelle nach, die sich auf Frieden bezog, und las sie ihm vor. Er beruhigte sich und es schien ihm besser zu gehen, während ich vorlas. So verbrachten wir die ganze Nacht.
Als die ersten Lichtstrahlen sanft durch das Wohnzimmerfenster glitten, saß mein Vater ganz still da; sein Atem ging normal. „Mir ist, als sei ich von den Toten auferstanden“, sagte er nur. Wir hatten das Gefühl, als stünden wir auf heiligem Boden, und uns erfüllte die tiefe Gewissheit, dass allein die universale Liebe uns und die gesamte Menschheit regierte.
Jedes Mal, wenn sich im Denken oder Charakter ein Wandel vollzieht, der körperliche oder mentale Heilung mit sich bringt, haben wir es mit einer Art Auferstehungserfahrung zu tun. Das menschliche Bewusstsein wird zum Erfassen des geistigen Menschen und des geistigen Universums erweckt, die unter der Regierung Gottes stehen. Es geht dabei aber um mehr, als nur vorübergehend Trost zu finden, zeitweilig Schmerzen zu lindern oder lediglich ein neues Verhaltensmuster überzustreifen; es handelt sich um eine dauerhafte Umwandlung des Charakters und des Lebens. Wenn die materielle Auffassung vom Leben dem geistigen Verständnis weicht, ändert sich das Denken und göttliche Intelligenz und Substanz treten in Erscheinung. Wenn wir unsere Mitmenschen so sehr lieben, dass wir klar erkennen, dass das göttliche Gemüt sowohl sie als auch uns regiert, dann führt das zur Heilung durch die Macht Gottes.
Wie sehr Jesus im Grab wohl mit der Versuchung gerungen haben mag, dem Hass des fleischlichen Gemüts gegenüber Wahrheit und Liebe, die er repräsentierte, Wirklichkeit einzuräumen! Und dennoch kam es für Christus Jesus nicht einmal ansatzweise infrage, zu grollen, zu reagieren oder am Leben – Leben als die Widerspiegelung Gottes – zu verzweifeln. Noch ließ er zu, dass die Dunkelheit, die den Christus-Geist zu verhüllen suchte, sich seiner bemächtigte. Er bewies ein für alle Mal, dass das geistige Bewusstsein (der geistige Sinn des Körpers oder des Menschen) Gott, Leben, nie verlässt. Jesus war sich von Anfang an seiner Mission und seines Lebenszwecks bewusst: den Beweis zu erbringen, dass das Leben des Menschen in Gott ewig ist.
Was konnten Jesu Feinde gegen den Christus unternehmen? Was konnten sie der geistigen Botschaft von Leben und Liebe anhaben? Nicht das geringste! Sie konnten zwar versuchen, den Botschafter zu töten, aber die Botschaft von Heilung und Liebe konnten sie nicht zum Schweigen bringen. „Er ist auferstanden!“ erklärten die Engel am Grab (siehe Lukas 24:6). Durch seine Auferstehung, nach der Jesus sich zunächst den beiden Marias und anschließend Hunderten seiner Nachfolger zeigte, bewies er, dass seine Botschaft unsterblich ist. Und der unsterbliche Christus lebt fort und bringt uns auch heute Heilung.
Bei Jesu Himmelfahrt wurden die Jünger Zeugen seiner höchsten und endgültigen Demonstration. Wir bezeugen diese Erhebung über die Materie in den Geist, wenn wir täglich Ostern feiern, indem wir zu dem geistigen Verständnis vom vollkommenen Gott und vollkommenen Menschen gelangen. Doch dazu müssen wir die Werke auch tun, die unser geliebter Meister tat. Die vollkommene Liebe steht bereit, um jegliche Furcht, dass wir nicht heilen oder dieses geistige Verständnis des Lebens nicht demonstrieren könnten, zu zerstören. Die Allgegenwart der Liebe erfüllt allen Raum, und nichts kann unser Geist-wärts gerichtetes Aufwärtssteigen aufhalten.
Wir können hier und jetzt das Kreuz auf uns nehmen und lernen, die Leiden der Menschheit zu heilen, indem wir Gott und Mensch so lieben wie Jesus dies tat. Mit jedem kleinen Sieg über die Materie oder die Begrenzungen des sterblichen Gemüts, mit jeder Bemühung, Frieden zu stiften, mit jedem liebevollen Trost, den wir spenden, bauen wir mit an einem aufsteigenden Turm aus heilender Liebe, der niemals einstürzen wird. Mit jeder neuen Auferstehung des geistigen Verständnisses erleben wir die Verheißung von Ostern: Leben ist ewig.
