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Erkenntnisse und Einsichten

Zu richtigen Erkenntnissen gelangen

Aus der April 2015-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft

Übersetzt aus dem Christian Science Journal, Ausgabe November 2014.


Dieser Audio-Vortrag war eine Unterhaltung zwischen Chet Manchester, dem Co-Leiter des Vortragsrats der Christlichen Wissenschaft, und Deborah Huebsch, einer Praktikerin und Lehrerin der Christlichen Wissenschaft, die in San Juan Capistrano, Kalifornien, USA zu Hause ist. Frau Huebsch war in der Vergangenheit außerdem Vortragende der Christlichen Wissenschaft. [Anm. d. Red.: Im Folgenden präsentieren wir Ihnen Auszüge aus dieser Unterhaltung.]

Würden Sie uns bitte ein wenig über Ihren Werdegang erzählen? Sind Sie in der Christlichen Wissenschaft aufgewachsen?

Nein. Ich lernte die Christliche Wissenschaft erst kennen, als ich bereits studierte. Mein Leben war damals völlig aus den Fugen geraten. Jemand drückte mir Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy in die Hand, doch ich sagte: „Nein, danke! Religion ist nichts für mich.“ Ich begann dann aber trotzdem damit, das Buch zu lesen, eigentlich nur deshalb, um zu beweisen, dass es nichts als eine „Krücke“ ist. Es konnte mir doch nichts geben – Religion konnte mir nichts geben. Ich war Agnostikerin geworden, fast schon Atheistin, aber dann las ich das Buch, und es hat mein Leben verändert!

Was genau meinen Sie denn mit „völlig aus den Fugen geraten“?

Nun, ich war damals gerade erst 21 Jahre alt, aber bereits drogenabhängig und sehr unglücklich verheiratet. Ich studierte an der Universität von Kalifornien in Berkeley, doch meine Leistungen waren katastrophal. Ich war nur noch ein menschliches Wrack.

... Haben die Ideen in Wissenschaft und Gesundheit Sie denn sofort angesprochen?

Nein, ganz im Gegenteil! Ich habe zunächst alles rot unterstrichen, was ich für absurd hielt. „Es gibt keine Materie.“ Ich sagte bei mir: „Was soll das heißen, es gibt keine Materie? Alles ist Materie – ich sitze auf Materie, ich bin Materie!“ Doch dann stieß ich auf einige Aussagen, die mich ansprachen und die ich mir sogar notierte. Die erste lautete: „Liebe ist unparteiisch und universal in ihrer Anwendbarkeit und in ihren Gaben“ (S. 13). Ich dachte: „Wie wäre es, wenn das wirklichwahr wäre?“ Und ich schrieb es auf.

Die andere lautete: „... Liebe steht dem ringenden Herzen bei, bis es aufhört, über die Welt zu seufzen, und beginnt, seine Schwingen himmelwärts zu entfalten“ (S. 57). Und ich dachte: „Wow! Ich bin ein ‚ringendes Herz‘ “, und so schrieb ich das auch auf. Ich habe dann einfach immer weitergelesen, weil ich so fasziniert davon war, und als ich das Buch durchgelesen hatte, war ich Christliche Wissenschaftlerin. Und dabei hatte ich niemals je die Absicht gehabt, eine zu werden – ganz im Gegenteil! Mein Großvater war Arzt und in meiner Familie spielte die Medizin eine große Rolle. Aber dies war die Wahrheit. ... Am Anfang las ich die wöchentlichen Bibellektionen aus dem Vierteljahresheft der Christlichen Wissenschaft noch mit einer Zigarette in der einen und einer Tasse Kaffee in der anderen Hand. Doch die Zigaretten gehörten schon sehr bald der Vergangenheit an. Ich erlebte eine völlige Umwandlung – und dann hatte ich eine körperliche Heilung, die mich vollends überzeugte.

Ich war auf dem Weg in den Keller, um meine Wäsche in den Trockner zu tun, als ich mir die Hand an der rauen Klinkerwand aufschürfte. Ich weiß es noch wie heute: Ich stand auf der Treppe und schaute auf meine Hand. Die Knöchel bluteten. Ich sagte bei mir: „Ich laufe jetzt besser schnell ins Badezimmer, um das Blut abzuwaschen und Jod auf die Wunde zu tun.“ Aber dann hielt ich inne: „Nee, Moment mal. Was würdest du machen, wenn du Christliche Wissenschaftlerin wärst?“ Und ich dachte: „Das ist doch egal! Ich bin keine Christliche Wissenschaftlerin, also gehe ich jetzt nach oben und tue Jod drauf.“ Aber diese innere Stimme ließ nicht locker: „Aber wenn du eine Christliche Wissenschaftlerin wärst? Was würdest du dann machen?“ Ich dachte: „Nun, als Christliche Wissenschaftlerin wäre die Sache eigentlich ganz einfach: Gott ist gut, Gott ist Alles, außer Gott gibt es nichts, also auch keine aufgeschürften Fingerknöchel.“ Ich sah auf meine Hand: Sie war völlig verheilt. Ich war sprachlos! Erstmals in meinem Leben spürte ich, dass es eine höhere Macht gibt. Ich hatte das nicht gewusst. Nach diesem Erlebnis las ich das Buch noch weitaus aufmerksamer. ...

Als Praktikerin widmen Sie Ihr Leben der heilenden Praxis der Christlichen Wissenschaft, außerdem sind Sie Lehrerin der Christlichen Wissenschaft. Soviel ich weiß, haben Sie in den letzten Jahren eine Reihe von Klassentagsansprachen für Ihre Schülervereinigung zum Thema „Zu richtigen Erkenntnissen gelangen“ gehalten, gefolgt von „Zu tieferen Erkenntnissen gelangen“. Könnten Sie uns bitte erläutern, was es mit diesem Thema auf sich hat?

Mir wurde irgendwann bewusst, dass unser Ansatz häufig schief ist, dass unsere Begriffe verzerrt sind. Aber wenn man nicht mit dem richtigen Begriff beginnt, wenn man nicht von der richtigen Prämisse ausgeht, dann wird man auch nie zu den richtigen Schlussfolgerungen gelangen. Indem wir von der richtigen Prämisse ausgehen, sorgen wir dafür, dass unsere Metaphysik korrekt ist.

Meine erste Ansprache zu diesem Thema lautete „Zu richtigen Erkenntnissen gelangen“. Doch dann merkte ich, dass eine Ansprache nicht ausreichend war. Also setzte ich das Thema im folgenden Jahr unter „Zu richtigen Erkenntnissen gelangen - Teil II“ fort. Aber das war immer noch nicht genug! Daher ging es im dritten Jahr um das Thema „Zu tieferen Erkenntnissen gelangen“. Ich fand, dass es notwendig war, sich über die Begriffe im Klaren zu sein, denn wenn der Ansatz fehlerhaft ist und die Heilung ausbleibt, dann fragt man sich natürlich: „Wieso werde ich nicht geheilt?“ Zweifellos sehnen sich die Menschen danach, mehr Heilungen in ihrem Alltag zu erfahren, und der Grund dafür, dass die Heilungen ausbleiben, ist meiner Meinung nach, dass wir mit unseren Begriffen etwas danebenliegen.

Wir mögen die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit schon jahrelang studieren und gelernt haben, dass die Materie unwirklich ist. Wir mögen mit Mary Baker Eddys mutiger und revolutionärer „wissenschaftlicher Erklärung des Seins“ im Lehrbuch vertraut sein ... (siehe ebd., S. 468). Lassen Sie uns doch bitte an dieser Stelle einmal über diese Begriffe sprechen – diese Grundbegriffe –, die Ihrer Meinung nach von Grund auf überdacht werden sollten. Welche Gedanken und Gebete sind in Ihre Überlegungen dazu eingeflossen? Wo möchten Sie beginnen?

Nehmen wir uns einmal den Begriff „Materie“ vor. Für gewöhnlich stelle ich fest, dass Christliche Wissenschaftler sich der Tatsache, dass „kein Leben, keine Wahrheit, keine Intelligenz und keine Substanz in der Materie“ ist, durchaus bewusst sind, und doch klingt durch, dass sie sehr wohl an deren Existenz glauben. Sie birgt zwar kein Leben, keine Wahrheit, keine Intelligenz und keine Substanz in sich, aber sie ist da. Das ist ein latenter, fast unausgesprochener Gedanke.

Wenn wir jedoch glauben, dass es die Materie gibt, dass sie tatsächlich existiert, dann ist das Reich nicht mehr nur in einer Hand, dann haben wir es mit einer dualistischen Sichtweise zu tun. Ich höre viele Christliche Wissenschaftler von der Materie reden: „Nun ja, das ist eben meine materielle Denkweise.“ Oder auf die Frage: „Woraus bestehen Sie?“ geben sie zur Antwort: „Ich bestehe zwar nicht aus Materie – aber ich bin doch materiell, und daher ...“ ... Oder: „Vielleicht verstehe ich das ja alles eines Tages, aber im Moment habe ich diesen Körper, und er tut weh und muss wieder in Ordnung gebracht werden. Und offen gestanden, denke ich, dass er wahrscheinlich doch materiell ist.“ Wenn ich von diesem Ansatz ausgehe, versuche ich dann nicht, Gott dazu zu bringen, „meine“ Materie zu manipulieren, sie in Ordnung zu bringen und besser zu machen? Danach kann Gott dann ja wieder Geist sein! Auf diese Weise haben wir Dualismus, nämlich den Glauben, dass beide, Materie und Geist, wirklich sind.

Mrs. Eddy schreibt: „...Geist und Materie [treffen] weder im Menschen noch im Universum zusammen“ (ebd., S. 319). Wenn wir also glauben, dass Materie und Geist beide existieren, dann haben wir es von vornherein mit einem fundamentalen Irrtum zu tun, der dazu geneigt ist, uns vom Weg zur Heilung abzubringen. ...

Als ich mich einmal mit meiner Lehrerin der Christlichen Wissenschaft darüber unterhielt, sagte sie zu mir: „Ich nehme die Materie gar nicht mehr wahr. Für mich existiert sie überhaupt nicht.“ Ich erwiderte: „Wirklich? Wie machen Sie das?“ Sie antwortete, dass sie einfach wisse, dass Gott Alles ist und dass alles und jeder ein Ausdruck Gottes ist. Sie sah alles als eine geistige Idee anstatt ein materielles Objekt oder eine materielle Wesenheit.

Ich dachte noch lange über diese Unterhaltung mit ihr nach. Es leuchtete mir ein, dass wenn Geist, Gott, Alles ist, kein Gegenteil existieren kann. Alles ist unermesslich, es ist alles. Man kann es nicht verändern; man kann nichts hinzufügen. Wenn alles Geist ist, dann ist das die fundamentale Tatsache. Und so gehe ich oft von der Allheit Gottes aus. Ich mache mir klar, dass Gott allgegenwärtig, allmächtig, allwissend und alles Wirken ist, und gewinne auf diese Weise eine klare Vorstellung von Gottes Allheit. Damit nimmt mein Glaube an die Wirklichkeit der Materie ab und ich erkenne, dass wir es beim Heilen überhaupt nicht mit materiellen Zuständen zu tun haben, sondern mit irrigen menschlichen Vorstellungen. Das ist es ja gerade, was die Christliche Wissenschaft so genial macht! Sie befasst sich nur mit dem Denken, also mit dem Bewusstsein, und indem wir das Denken vergeistigen und die Wahrheit – Gottes Ideen, Gottes Liebe – einlassen, wird jede gegenteilige Vorstellung, die wir gehegt haben mögen, berichtigt – sie verschwindet, und wir erfahren eine Heilung. Doch im Grunde erleben wir eine Vergeistigung des Denkens. Oder auch ein Erwachen, eine Erneuerung des Denkens, eine Umwandlung. ...

Mrs. Eddy definiert Tempel als Körper (ebd., S. 595), und ich meine, dass es im Hinblick auf das Heilen unerlässlich ist, eine korrekte Auffassung vom Körper zu gewinnen. Wenn Mary Baker Eddy beispielsweise von Augen und Ohren spricht, so bezieht sie sich nicht auf die körperlichen Organe. Wenn wir anfingen, unseren Körper, also unsere wirkliche Individualität, als eine Verkörperung von Ideen zu begreifen, so wäre dies ein Schritt nach vorn. Der Körper kann ja gar nicht materiell sein, wenn Gott Alles und Geist ist. In der Allheit des Geistes – und die schließt auch meinen Körper, meine geistige Identität ein – ist es schier unvorstellbar, dass irgendwo irgendwelche Materie existieren könnte. ...

Das Eingeständnis, dass wir keine materiellen Wesen mit nachlassendem Seh- oder Hörvermögen sind, sondern im Geist ständig erneuert werden, gewährt uns eine feste Grundlage, von der wir ausgehen können. Nehmen wir einmal an, jemand hätte z. B. ein Problem mit der Atmung. Dann müssen wir die Gedanken von der Materie weg- und zum Geist hinlenken. Wir müssen uns für Gottes Inspiration – in diesem Fall gebrauche ich das Wort als Synonym für Einatmung – öffnen und die materielle Auffassung von den Dingen, von Ausatmung, aufgeben bzw. sie loslassen. Im Grunde genommen geht es darum zu erkennen, dass falsche materielle Vorstellungen kein Teil von uns sind. Mir gefällt Mrs. Eddys Aussage, dass man Dinge in Gedanken auflöst und die Gegenstände des Sinnes – einen kranken Körper, einen langweiligen Job etc. – gegen die heilende Inspiration der Seele eintauscht, die das Denken zu unserer geistigen Beziehung zu Gott erhebt, zu den Ideen der Seele (ebd., S. 269). Die Atmung ist eine Idee der Seele, die wir dann nach außen hin und auf sichtbare Art und Weise ausdrücken. Das heißt aber trotzdem nicht, dass wir es hierbei mit Materie zu tun haben.

Könnten Sie vielleicht ein paar Beispiele aus Ihrer Erfahrung mit uns teilen, wo infolge eines klareren Verständnisses vom Körper als „Idee“ und der Auflösung von Dingen in Gedanken tief greifende Heilungen bewirkt wurden? ...

Ja, gerne. Ich machte einmal einen Ausritt, als plötzlich ein Fahrradfahrer buchstäblich auf das Pferd auffuhr. Das Pferd scheute natürlich, ich wurde abgeworfen und landete mit voller Wucht mit dem Rücken auf hartem Gestein. Bei dem Sturz zog ich mir eine ziemlich ernsthafte Verletzung zu – ein Forstbeamter musste kommen und mich nach Hause fahren. Da es so aussah, als hätte ich mir eine Rippe gebrochen, stellte ich mir folgende Frage: „Welche Funktion haben die Rippen?“ Und ich dachte: „Rippen haben eine Schutzfunktion; sie schützen die inneren Organe des Körpers.“ Doch obwohl diese Funktion sehr wichtig war, musste ich diesen rein körperlichen Begriff durch ein höheres Verständnis von Schutz ersetzen – eines Schutzes, der nicht brechen oder brüchig werden konnte. Bei diesem Schutz handelt es sich um die Tatsache, dass der Mensch – Gottes geistige Idee – stets eins mit Gott ist und immerdar in den unendlichen Armen der Liebe Geborgenheit findet. Diese geistige Struktur konnte keinen Bruch erleiden, und das war und ist die geistige Wirklichkeit, die einen jeden von uns einschließt. ...

Wir würden niemals behaupten, wir hätten ein von Gott getrenntes Gemüt, nicht wahr? Denn es gibt nur ein Gemüt – das göttliche Gemüt, das wir alle zum Ausdruck bringen. Ganz genauso verhält es sich, meiner Auffassung nach, auch mit dem Körper: Wir bringen den Körper zum Ausdruck, wir drücken die göttliche Idee der Nützlichkeit aus. In unserer Erfahrung zeigt sich das konkret durch unsere Fähigkeit zu schreiben, zu laufen, andere zu umarmen usw. Anstatt also zu denken, dass ich einen materiellen Körper besitze, mache ich mir lieber klar, dass ich die geistigen Eigenschaften und Funktionen von „Körper“ ausdrücke, und zwar durch meine Identität als Gottes Idee. Wenn ich es dann mit einem körperlichen Problem zu tun habe, so gehe ich bereits davon aus, dass ich geistig und vollkommen bin, anstatt mich aus der Vorstellung herausarbeiten zu müssen, dass mit meinem Körper etwas nicht stimme. Dieser geistige Ausgangspunkt verleiht mir größere Autorität, wenn dem Augenschein nach etwas  nicht in Ordnung ist und ich darüber beten muss. Es geht einfach um das Erkennen, dass ich Gottes Ausdruck bin, und das schließt den sogenannten Körper mit ein.

Genau. Und Mary Baker Eddy löst das Rätsel von Seele im Körper in ihrer Antwort auf die Frage: „Was sind Körper und Seele?“ Sie schreibt: „Identität ist die Widerspiegelung des Geistes...“ (ebd., S. 477).

Wissen Sie, eine Zeitlang wäre es mir lieber gewesen, wenn die Antwort folgendermaßen gelautet hätte: „Der Körper ist dieses und die Seele ist jenes.“ Aber stattdessen schreibt Mary Baker Eddy: „Identität ist die Widerspiegelung des Geistes, die Widerspiegelung des lebendigen Prinzips, Liebe, in mannigfaltigen Formen.“ Was für ein wunderbarer Gedanke: Wir sind geformt! In einem Kirchenlied heißt es: „Die Sinnenwolken weichen und enthüllen eine Form, die von göttlicher Schönheit ist“ (Nr. 51 [wörtliche Übersetzung], Mary Alice Dayton, Liederbuch der Christlichen Wissenschaft [englische Ausgabe]). „Eine Form, die von göttlicher Schönheit ist“ – damit ist unser Körper gemeint. ... Sie besitzen eine Identität, die für mich sichtbar ist. Wir mögen sie „Körper“ nennen, aber es handelt sich in Wirklichkeit um Identität, die zum Ausdruck gebracht wird, fühlbar und erkennbar ist. In dieser Weise über den Körper zu denken ist hilfreich, finden Sie nicht?

„Zu tieferen Erkenntnissen gelangen“: Sprechen wir doch einmal über Gebet und Behandlung in der Christlichen Wissenschaft. Wie betet man, um Probleme zu lösen?

Ich habe mal in der Konkordanz nachgeschaut, in welchem Zusammenhang Mrs. Eddy das Wort Behandlung gebraucht, denn mir ist schon oft aufgefallen, dass jemand sagt: „Ich habe diesem oder jenem Problem ‚eine Behandlung‘ gegeben.“

Und wissen Sie was? Zu meiner großen Überraschung stellte ich fest, dass Mrs. Eddy diesen Ausdruck in einem ganz anderen Zusammenhang benutzt! Sie gebraucht das Wort Behandlung nämlich dort, wo sie auf die unterschiedlichen Methoden, die existieren, um ein Leiden zu heilen, abhebt. Verlässt man sich auf die Christliche Wissenschaft, auf Homöopathie oder auf die Schulmedizin? Mrs. Eddy selbst spricht nirgends von „einer christlich-wissenschaftlichen Behandlung“. Wir tendieren zu der Ansicht, dass das, was wir „Behandlung“ nennen, die Heilung vollbringt, aber ich glaube, dem ist nicht so. Als ich das Buch Mary Baker Eddy: Ein Leben dem spirituellen Heilen gewidmet las, war ich tief beeindruckt von Mrs. Eddys Heilarbeit. Sie atmete und heilte – sie ging umher und heilte. Für sie war das Heilen etwas völlig natürliches und die Heilungen traten immer unverzüglich ein. Man hat nicht den Eindruck, dass es sich dabei um einen Prozess handelte. Das war wirklich charakteristisch für ihre frühen Heilungen – ebenso wie auch für Jesu Heilungen. Er heilte, während er sich inmitten der Menschenmenge umherbewegte. ...

Wenn man heilen möchte, muss sich das Denken an einem sehr heiligen „Ort“ befinden – es muss sozusagen unter dem „Schirm des Höchsten“ sein (Psalm 91:1), dort, wo Mrs. Eddy verweilte, ja, lebte. ...  Erst wenn wir uns geistig an diesem „Ort“ aufhalten, kann die Heilung eintreten.

„Wie kommt man dorthin?“ – so lautet also die große Frage! Mrs. Eddy lehrte zunächst den Gebrauch von Argumenten, von Bejahung und Verneinung. Sie riet uns, unerschütterlich an der Wahrheit festzuhalten und gab klare Anweisungen, wie dies zu bewerkstelligen sei. Doch ich glaube, was sie damit bezweckte, war, uns zu helfen, diesen „Ort“ zu erreichen – den Sinn der vollkommenen Übereinstimmung des Menschlichen mit dem Göttlichen zu erlangen –, wo das Denken mit Gemüt übereinstimmt, mit dem, was das göttliche Gemüt uns mitteilt, was Gott über eine Situation weiß. Das ist der Punkt, an dem die Heilung vollbracht wird; der Prozess, der Weg an sich, ist es nicht, was heilt. Wir mögen hingegen die Auffassung akzeptiert haben, dass es der Prozess ist, der die Heilung bringt, anstatt den Weg bis zum Ende zu gehen. Es gibt ein wunderbares Zitat von Mary Baker Eddy, das meiner Ansicht nach eine perfekte Anleitung zum Heilen darstellt; es lautet: „Wenn wir uns der unendlichen Aufgaben der Wahrheit bewusst werden, halten wir inne – warten auf Gott. Dann drängen wir vorwärts“ – d. h., wir schleichen weder noch kriechen wir, sondern wir drängen vorwärts! –, „bis sich der unbegrenzte Gedanke begeistert erhebt und das uneingeschränkte Erfassen beschwingt die göttliche Herrlichkeit erreicht“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 323). Und dort geschieht die Heilung! ...

Ich definiere Behandlung gern als das, was erforderlich ist, um das Denken mit der göttlichen Liebe, dem göttlichen Gemüt in Übereinstimmung zu bringen. Manchmal kann das geschehen, indem man die Bibellektion der Christlichen Wissenschaft liest, sich einen Gedanken daraus vornimmt und darüber nachdenkt. Ein andermal mag man vielleicht auf- und abgehen, während man argumentiert und die Wahrheit behauptet. Bisweilen muss man dabei sehr nachdrücklich sein! Und hin und wieder geht es einfach nur darum, ganz stille zu werden und darauf zu lauschen, was Gemüt einem offenbart. Sie sehen also, es gibt keine „Formel“.

Mir ist aufgefallen, dass sich das menschliche Gemüt oft eifrig bemüht, mithilfe des Buchstabens so zu argumentieren, dass eine Heilung zustande kommt. Aber beim Heilen in der Christlichen Wissenschaft geht es darum, jegliche Vorstellung eines von Gott getrennten Gemüts aufzugeben. Die geistige Argumentation dient also lediglich dazu, uns zu dem Punkt zu bringen, an dem wir erkennen, dass alles unendliches Gemüt ist, nicht wahr?

Ja, so ist es. Wer zieht denn die Schlussfolgerungen, wenn wir argumentieren? Und wer argumentiert? Ich glaube nicht, dass Gemüt argumentieren muss, daher stellt sich die Frage: „Was argumentiert denn hier?“ Nun, es ist das Denken, das bestrebt ist, höher zu steigen und sich aus der Vorstellung von Krankheit, Schmerzen, Disharmonie oder was es auch immer sein mag, das einem zu schaffen macht, zu erheben. Es ist das Bemühen, davon loszukommen und zum Göttlichen zu gelangen.

Deborah, ... was die Gesundheitsfürsorge angeht, so sehen wir uns heutzutage in erster Linie mit sehr materialistischen Anschauungen über Gesundheit und Körper konfrontiert. Ich weiß, dass Sie sich bereits mit diesen Ansichten, die der Öffentlichkeit gewissermaßen aufgedrängt werden, mit den tiefer gehenden Überzeugungen, die durch Gebet gehandhabt und beim Heilen berücksichtigt werden müssen, auseinandergesetzt haben. Würden Sie bitte ein wenig näher darauf eingehen?

Nach meinem Reitunfall saß ich fünf Wochen lang praktisch nur in meinem Sessel. Die meiste Zeit hatte ich furchtbare Schmerzen und konnte mich kaum bewegen. Als ich eines Tages mit einer Patientin sprach, schlug ich ihr vor: „Lassen Sie uns doch einmal gemeinsam im Kapitel ‚Wissenschaft, Theologie, Medizin‘ in Wissenschaft und Gesundheit die Abhandlung über Medizin lesen.“ Obwohl ich dabei in erster Linie die Patientin im Sinn hatte, las ich diese Abhandlung ebenfalls.

Bei der Lektüre erregte Seite 155 meine besondere Aufmerksamkeit, und ich bezweifle, dass ich ihren Inhalt je zuvor besonders zur Kenntnis genommen hatte. Was ich da las, öffnete mir die Augen – lassen Sie mich Ihnen ein Stück daraus vorlesen:

„Der universale Glaube an die Physik wirkt den hohen und mächtigen Wahrheiten der christlichen Metaphysik entgegen. Dieser irrige allgemeine Glaube, der die Medizin stützt und der alle ihre medizinischen Resultate bewirkt, arbeitet gegen die Christliche Wissenschaft; und der Anteil an Macht auf der Seite dieser Wissenschaft muss die Macht des allgemeinen Glaubens gewaltig überwiegen, um einen einzigen Krankheitsfall zu heilen.“

Dies rüttelte mich auf! Damit hatte ich mich bisher überhaupt nicht intensiv beschäftigt. Ich war zwar darauf bedacht gewesen, alle möglichen anderen Annahmen zu handhaben, aber den „allgemeinen Glauben“ hatte ich völlig unterschätzt. Während ich also da saß und darauf lauschte, was wohl zu tun wäre, kamen mir auf einmal drei Dinge zu Bewusstsein. Sie hatten mit dem zu tun, was einige Personen, die von meinem Problem wussten, zu mir gesagt hatten. Eine dieser Personen war eine Krankenschwester, die sich äußerst besorgt über meinen Zustand geäußert hatte; sie befürchtete, dass es in meinem Alter sehr lange dauern könne, ehe ich völlig wiederhergestellt sei.

Ich hatte ihren Befürchtungen keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt, doch an jenem Tage setzte ich mich gründlich damit auseinander. Ich nahm mir jeden einzelnen Anspruch vor und fand dazu jeweils die entgegengesetzte Tatsache, die, laut Mrs. Eddy, erforderlich ist, um zu heilen (ebd., S. 233).

Die entgegengesetzte Tatsache für Altern ist altersloses Sein. Ich bin in Wirklichkeit keine alternde Sterbliche, sondern alterslos. Ich bin von jeher alterslos gewesen und werde es immerdar sein, denn ich bestehe zugleich mit meinem Schöpfer. Als nächstes nahm ich mir den Anspruch vor, dass es dauern kann, ehe etwas geheilt ist. Aber Gott kennt weder Tage noch Wochen; ja, Er weiß nicht einmal, dass sich überhaupt ein Unfall ereignet hat. Zeit ist kein Teil von Gemüt. Gemüt ist das immer-gegenwärtige Jetzt – das einzige Jetzt. Wir besitzen also nur das Jetzt.

Ein weiterer Anspruch, den es zu handhaben galt, waren die Schmerzen. Ich beschloss, mich gegen sie aufzulehnen. Ich brauchte den Glauben, wonach es außerhalb Gottes eine vermeintliche Ursache und Wirkung gebe, dass ich mir eine Rippe gebrochen hatte und deshalb Schmerzen litt, nicht zu akzeptieren, sondern ich konnte diesen Anspruch zurückweisen. Nein, nein, nein – Nein! Ich hatte mir keine Rippe gebrochen, und deshalb war das Einzige, was ich erleben konnte, Harmonie. Ich setzte mich gründlich mit diesen Ansprüchen auseinander.

In jener Nacht war ich zum ersten Mal seit fünf Wochen wieder dazu in der Lage, mich im Bett richtig hinzulegen. Bis dahin hatten mir die starken Schmerzen immer wieder den Schlaf geraubt; ich war bisweilen außerstande gewesen, tief Luft zu holen und das Einatmen tat weh. Doch in jener Nacht, nachdem ich alle Ansprüche dieses allgemeinen Glaubens behandelt hatte, konnte ich spüren, wie sie förmlich in sich zusammenfielen und verschwanden. Drei Tage später saß ich wieder im Sattel. Für mich war dies ein einschneidendes Erlebnis und es brachte mir zu Bewusstsein, dass wir äußerst wachsam sein und den irrigen allgemeinen Glauben, der, wie Sie eingangs schon sagten, uns von allen Seiten umgibt, handhaben müssen.

Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit, dass man den Einfluss der „Gemüter“, die den Patienten umgeben, nicht unterschätzen darf (S. 424). Wir haben es ständig mit Gedanken zu tun, die sich um Körperlichkeit, Materialität, Krankheiten und ihre Heilmittel drehen – bzw. um Behandlungsmethoden für diese Krankheiten in Ermangelung von Heilmitteln. ...

Ich würde sagen, dass rund 85 Prozent der Fälle, denen ich in meiner Praxis begegne, auf den allgemeinen Glauben zurückzuführen sind, der nicht gehandhabt wurde. Wenn wir jedes Mal, wenn wir beten oder die Wahrheit behaupten, den allgemeinen Glauben handhaben, so helfen wir damit gleichzeitig der ganzen Menschheit, denn das kollektive Denken bzw. der allgemeine Glaube ist aus den  Gedanken von Einzelpersonen zusammengesetzt, und jeder Einzelne von uns leistet daher einen Beitrag zum kollektiven Denken. Wir alle können zu Heilung beitragen, indem wir Gebete „aussenden“, die machtvoll genug sind, um zu heilen, da sie der Wahrheit entsprechen. Auf diese Weise beten wir für unsere Welt; wir lieben unsere Welt und wir bekräftigen, dass der Christus überall gegenwärtig ist – in jedem Krisengebiet, an jedem Ort der Dunkelheit. Mrs. Eddy schreibt: „Die ‚stille, sanfte Stimme‘ [nach der King-James-Bibel] des wissenschaftlichen Gedankens reicht über Land und Meer bis in die entferntesten Winkel der Erde.“ Und jetzt kommt der Satz, der mir besonders viel bedeutet: „Sie wird in der Wüste und an dunklen Orten der Furcht gehört” (ebd., S. 559). Ist es nicht wunderbar, dass jedes Gebet, das wir in die Welt aussenden, irgendwo „in der Wüste“ und „an dunklen Orten der Furcht“ als der heilende Christus vernommen wird? ...

Lassen Sie uns noch ein bisschen über Gott sprechen – und in erster Linie über Mary Baker Eddys immense Liebe zu Ihm, ihre enge Verbundenheit mit Gott. Nachdem Sie in Ihrer Praxis, im Austausch mit anderen und in Ansprachen vor Schülern zu „tieferen Erkenntnissen“ gelangt sind, lassen Sie uns doch einmal darüber sprechen, wie Gott Ihnen näher kommt, und über Ihr tiefes Verlangen danach, Gottes Gegenwart ganz konkret zu spüren.

Wissen Sie, es ist ja so leicht, mit Plattitüden um sich zu werfen, wie beispielsweise: „Das ist bloß der Irrtum!“ oder „Sehen Sie ihn einfach so, wie Gott ihn sieht!“ Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir hauptsächlich mit dem Verstand dabei sind, aber meiner Meinung nach sollten wir vor allem mit dem Herzen dabeisein. Ich spreche da aus eigener Erfahrung.

Ich weiß noch genau, wie ich in der Anfangszeit meiner Tätigkeit als Praktikerin solche Allgemeinplätze selbst von mir gab, und ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mich eines Tages plötzlich dabei ertappte, dass ich diesen Jargon gebrauchte, den wir als Christliche Wissenschaftler manchmal verwenden. Und ich fragte mich: „Wie würdest du es denn finden, wenn jemand so mit dir redete? Da ist einer, der Schmerzen hat, und du sagst: ‚Sie sind doch Gottes vollkommenes Kind!‘“ – ein Satz, der so leicht dahingesagt ist. Seither habe ich mich wirklich bemüht, den Gebrauch von Worthülsen zu vermeiden. ...

Die Bereitschaft sich mental in einem Fall zu engagieren ist zweifellos wichtig. Ebenso ist es unerlässlich, mit den richtigen Begriffen zu beginnen. Doch bei alledem darf das Herz – die Liebe – nicht zu kurz kommen! In diesem Zusammenhang konnte ich unlängst eine wirklich schöne Erfahrung machen, denn ich hatte mich sehr danach gesehnt, Gott näher zu kommen. Lediglich über Gott nachzudenken, ist nicht dasselbe. Das ist zwar ebenfalls wunderbar und notwendig, und es ist wichtig, dass wir es tun, aber wir dürfen dabei Liebe und Mitgefühl nicht außer Acht lassen.

... Liebe und Mitgefühl, umdenken, ein geläuterter Charakter, eine neue Sichtweise – darum ging es bei Jesu Heilungen, die der ewige Christus der Menschheit auch weiterhin bringt.

Für Mrs. Eddy war die Bibel das einzige Lehrbuch, und die erste wunderbare Heilung, die sie hatte, erlebte sie, als sie Jesu Heilungen las; sie nahm den Christus wahr. Diese Gegenwart des Guten, diese erkennbare, spürbare Macht in unserem Leben ist die Gegenwart des Christus bei uns.

Lassen Sie mich an dieser Stelle eine eigene Erfahrung mit Ihnen teilen. Ich war mir immer im Klaren darüber, dass Gott Seine Schöpfung liebt, und ich war stets dankbar für diese Liebe. Ich konnte die Auswirkungen, die Gottes Liebe um mich herum hatte, sehen, und auch das erfüllte mich stets mit großer Dankbarkeit. Ich war mir der immensen Liebe des Schöpfers zu Seiner ganzen Schöpfung bewusst, ich verspürte eine tiefe Liebe zu meinen Mitmenschen und konnte die Liebe der Anderen zu mir ebenfalls spüren. Doch etwas fehlte, und ich wusste, dass ich dessen bedurfte. Ehrlich gesagt, ging es darum, dass mir nicht klar war, wie ich Gott lieben sollte. Dabei ist das so wichtig, und ich wurde immer wieder darauf gestoßen: „Liebst du ‚den Herrn, deinen Gott, ... von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt‘?“ (ebd., S. 9). Tja, diese Frage konnte ich leider nicht beantworten. Ich wollte es zwar, konnte es aber nicht.

Dann hörte ich, wie eine Freundin davon sprach, dass sie Gottes Nähe spürte, wenn sie Auto fuhr oder Einkäufe machte. Ihre Liebe zu Gott schien einfach ein fester Bestandteil ihres Wesens zu sein, und ich sehnte mich danach, ebenfalls so eine tiefe innerliche Liebe zu Ihm zu verspüren. Doch es war offensichtlich, dass ich eine solche Liebe nicht empfand. Ich erklärte mir das damals folgendermaßen: „Haben die Sonnenstrahlen etwa eine Beziehung zur Sonne? Nein, sie bringen die Sonne lediglich zum Ausdruck, sie gehen aus ihr hervor. Ebensowenig hat der Mensch eine Beziehung zu Gott, er drückt Gott bloß aus.“ Dennoch spürte ich, dass diese Argumentation nicht befriedigend war.

Daraufhin fing ich an, darüber zu beten. Morgens vor dem Aufstehen betete ich: „Vater, zeig mir den Weg. Ich möchte Dich wirklich kennen, ich möchte Dich lieben können. Hilf mir dabei. Zeig mir, wie es geht.“ Mehrere Wochen betete ich auf diese Weise; es war mir wirklich ernst.

Dann erhielt ich eines Nachmittags einen Hilferuf von einem Mann ... Ich setzte mich erst einmal hin, wie es meine Gewohnheit ist, und dann bat ich Gott: „Vater, was muss ich hier wissen?“ Ich beginne mein Gebet häufig auf diese Weise, um dann aufmerksam zu lauschen.

Der erste Gedanke, der mir kam, war der, dass ich so dankbar dafür sein konnte, dass Gott der Vater dieses Mannes war und für ihn sorgte. ... Diese Gewissheit erfüllte mich mit großer Dankbarkeit.

Was dann geschah, war unbeschreiblich – etwas, was ich niemals je zuvor erlebt hatte: ich hörte, wie Gott buchstäblich mit mir sprach. Ich vernahm eine Stimme, die sagte: „Er ist mein Kind. Ich werde gut für ihn sorgen. Er ist in Sicherheit.“ Plötzlich spürte ich, wie diese Worte eine Welle der Liebe zu Gott in mir auslösten. Diese Erfahrung war ein wichtiger Prüfstein für mich. Es war ein Paradigmenwechsel.

Tiefe Dankbarkeit durchströmte mich, und die Tränen rollten mir über die Wangen. Ich spürte, dass ich ein neues Verständnis, ein umfangreicheres Verständnis, von Gott gewonnen hatte. Obwohl ich bereits eine gut bestückte metaphysische „Werkzeugkiste“ besaß, hatte dieses eine Teil immer gefehlt. Es war die Lücke in meinem Puzzle, die geschlossen werden musste. Ich wollte sie so sehr gerne schließen, und ich glaube, dieses tiefe und aufrichtige Verlangen war wichtiger als alles andere.

Während ich mich noch daran erfreute, dass ich Gott als unseren Vater lieben konnte, erreichte mich einige Wochen später eines frühen Morgens der Hilferuf einer Frau. Sie berichtete, ihr Mann habe schreckliche Schmerzen. Er leide an Darmverschluss und könne nichts essen. Sie bat mich um Hilfe und ich sagte natürlich zu.

Ich setzte mich hin und wandte mich an Gott: „Vater, was gilt es hier zu wissen?“ Diesmal vernahm ich keine Stimme, sondern den klaren Impuls, Gott als Mutter zu erkennen. Ich blieb einfach sitzen und lauschte auf die Ideen, die mir versicherten, dass Gott den Mann mütterlich versorgte. Gottes Schutz umgab ihn liebevoll, denn er war Gottes eigener Ausdruck. Gottes Liebe zu ihm wurde durch den Christus auf die erforderliche menschliche Weise offenbar. Gott ermutigte ihn, Gott stillte seine Furcht, Gott nährte ihn. Seine Mutter, Gott, liebte ihn inniglich. Es war eine sehr bewegende Erfahrung und wenn ich es richtig erinnere, war der Mann innerhalb von zwei Tagen geheilt.

Dann ereignete sich eine weitere interessante Begebenheit. Ich hatte über Christus Jesus nachgedacht, der den Nöten der Menschen niemals mit Gleichgültigkeit begegnet war, sondern stets Mitgefühl für sie bekundet hatte. Ich glaube, dass ich den Saum dieses „Gewandes“ erfasst, ja, dass ich ihn berührt habe. Ich erhielt spätabends einen Anruf von einer Frau ... Ihrem Mann, der die Christliche Wissenschaft nicht studierte, ging es gar nicht gut, und sie sagte: „Mein Mann reagiert überhaupt nicht. Ich glaube, es ist wirklich ernst. Würden Sie bitte beten?“ „Ja, natürlich“, versicherte ich ihr. Wieder bat ich Gott um Führung, sagte aber diesmal: „Vater-Mutter Gott, was gilt es hier zu erkennen?“ Mir kam der Gedanke, dass er der mütterlichen Fürsorge bedurfte. Der Mann musste bemuttert werden. Wie dankbar war ich auch diesmal wieder für das Wissen, dass dieser Mann durch die Macht und Gegenwart Gottes mütterlich versorgt wurde.

Eine Stunde später rief die Frau erneut an: „Seine rechte Hand ist gelähmt, er bekommt keine Worte mehr heraus und kann nicht sprechen.“ Mir kam sogleich der Gedanke: „Das ist der Anspruch eines Schlaganfalls.“ Zu der Frau sagte ich: „Ich bete weiter“ und legte auf. Normalerweise würde ich natürlich den materiellen Glauben an einen Schlaganfall spezifisch handhaben, aber in dieser Situation behandelte ich nicht den Schlaganfall, denn darum ging es bei diesem Fall gar nicht, sondern einzig und allein darum, dass der Mann die Liebe der göttlichen Mutter spüren musste.

Fünf Minuten später rief die Frau zurück und berichtete freudig: „Er ist geheilt, vollkommen geheilt, er kann wieder sprechen und die Arme bewegen.“ Am nächsten Tag rief er mich selbst an und konnte sich problemlos artikulieren. Später sprach ich noch einmal mit seiner Frau, sie fragte: „Sagen Sie mal, womit haben Sie denn gearbeitet?“ Ich sagte: „Ehrlich gesagt, habe ich mir bloß klargemacht, dass er von Gott mütterlich versorgt wird.“ Einen Augenblick lang war es ganz still am anderen Ende, dann sagte sie: „Er hatte eine ganz unglückliche Kindheit.“

Sie sehen also, Chet, die Gewissheit, sich „unter dem Schirm“ zu befinden – darauf kommt es beim Gebet an. Der „Schirm des Höchsten“. Dort findet die Heilung statt. Dort ist das Herz in Übereinstimmung mit dem göttlichen Begriff von Liebe, mit der Liebe selbst, mit Liebe als Vater-Mutter.

Zu denen, die schon lange gewissenhaft gearbeitet und gebetet haben, um ein Problem zu heilen, aber bisher noch nicht den erwünschten Fortschritt verzeichnen konnten, sage ich: „Seien Sie bereit, sich auf eine innige Beziehung mit Ihrem Vater-Mutter Gott einzulassen! Kommen Sie Ihm näher!“ Und der einzige Weg, den ich dahin kenne, ist der, es wirklich zu wollen.

In dem Kapitel „Gebet“ in Wissenschaft und Gesundheit erwähnt Mrs. Eddy mehrmals, dass Verlangen Gebet ist. Es geht darum, dieses Verlangen zu kultivieren – den Geist in unser Herz einzuladen, unser Herz zu öffnen.

Wenn ich bete, dann öffne ich die Türen meines Denkens ganz weit und sage: „OK, Gott, raus mit der Sprache! Mag sein, dass es mir nicht gefallen wird, aber ich möchte es trotzdem hören. Also sag mir bitte, was ich wissen muss, und lass mich vor allem spüren, dass die Gegenwart Deiner Liebe mich umgibt. Lass mich sie spüren, hilf mir, sie zu erkennen, halte mich in Deiner Liebe geborgen. Und, nebenbei bemerkt: Danke! Ich bin ja so dankbar!“

Seit dieser Erfahrung haben sich meine Gebete verändert. Sie sind heute weniger verkopft, um es mal so zu sagen, weniger intellektuell. Sie sind weniger ein Aneinanderreihen von Wahrheitsgedanken (obwohl ein Verständnis der Wahrheit selbstverständlich wichtig ist), sondern vielmehr geprägt von einem überwältigenden Gefühl der Dankbarkeit gegen Gott und Liebe zu Ihm.

Ehe ich zur Christlichen Wissenschaft fand, waren meine Gebete reine Bittgebete, wie beispielsweise: „Bitte, Gott, lass mich gute Zensuren schreiben. Lieber Gott, bitte schenke mir ein Auto.“ Ich versuchte, mit Gott zu „handeln“. Aber als ich Christliche Wissenschaftlerin wurde, mich mit ihren Lehren vertraut machte und lernte, dass man an der Wahrheit festhalten, sie im Herzen tragen und sie nutzbar machen muss, dass man Wahrheitsgedanken auf eine spezifische Situation anwendet, da erschien es mir, als seien Bittgebete lediglich etwas für Kinder. Heute sehe ich das anders, denn ich glaube, dass Bittgebete mir helfen, mein Denken dafür vorzubereiten, mehr vom Göttlichen zu empfangen und es auch in meiner Erfahrung zu erleben.

„[Werdet] wie die Kinder“, sagte Jesus (Matthäus 18:3).

Genau! In meinem Fall hatte dieser Paradigmenwechsel, den ich oben erwähnte, zur Folge, dass ich mich jetzt stets an das große Herz der Liebe wende, in dem tiefen Verlangen: „Lass mich die Gegenwart der Liebe spüren. Hilf mir, sie überall zu sehen. Ich bin sehr dankbar, Vater-Mutter Gott, für alles, was Du bist, und für alles, was Du tust, und für Deine Liebe zu Deiner gesamten Schöpfung.“ ...

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