Wie oft haben wir schon etwas aus der Vergangenheit bereut? Ein Vorfall, eine verpasste Gelegenheit, eine Beziehung kann uns über Monate oder Jahre in Erinnerung bleiben. Egal wie oft wir daran denken oder versuchen, den Fehler zu beheben, er scheint nie wirklich aus der Welt zu sein.
Dann mag es Zeiten geben, in denen wir uns in die Vergangenheit zurücksehnen – zu jemandem, der verstorben ist, oder zur „guten alten Zeit“, als das Leben nicht so hektisch, sondern bedeutungsvoller zu sein schien. Oder vielleicht glauben wir – in gewissem Maße –, dass wir durch die Summe all unserer positiven und negativen Erfahrungen definiert werden.
Solche Gedanken können das Leben vorherbestimmt und ausweglos erscheinen lassen. Sie können uns das Gefühl geben, machtlos, hoffnungslos und vielleicht sogar verloren zu sein. Doch in der Christlichen Wissenschaft lernen wir, dass unsere wahre Identität vollständig geistig ist, also müssen wir nie von einer materiellen Vergangenheit begrenzt oder beherrscht werden. Als Gottes geliebte, im göttlichen Ebenbild erschaffene und aufrechterhaltene Kinder sind wir nie durch Zeit begrenzt, sondern leben in der grenzenlosen Weite der Ewigkeit und spiegeln ausschließlich Gottes Wesen und Eigenschaften wider.
Wie ist das möglich? Das Leben erscheint uns wie eine Reihe von stetig voranschreitenden Sequenzen, Jahr aus, Jahr ein, bis wir sterben. Doch die Christliche Wissenschaft stellt uns eine ganz andere Sicht vom Leben vor – eine geistige Perspektive, die offenbart, dass jeder von uns ewiglich als vollkommene Idee oder vollkommener Ausdruck Gottes, des Geistes, existiert hat und existieren wird. Und da wir vollständig geistig sind, sind die einzig dauerhaften Teile unseres Erdendaseins diejenigen, die die ewige und nicht auf Zeit beruhende geistige Wahrheit demonstrieren oder auf sie hindeuten. Mary Baker Eddy, die Gründerin der Christlichen Wissenschaft, schreibt in Nein und Ja: „Der Mensch hat eine unsterbliche Seele, ein göttliches Prinzip und ein ewiges Sein“ (S. 11).
Dieses Konzept des „ewigen Seins“ fand ich erst einmal schwierig, bis ich anfing, subtile Beweise um mich herum zu bemerken, die das Verständnis bestärkten, dass unser wahres, geistiges Sein keineswegs an einen materiellen Zeitablauf gebunden ist. Ich bemerkte beispielsweise, dass bestimmte junge Menschen eindeutig über ihr Alter hinaus weise waren, wie man so schön sagt. Und ich lernte Seniorinnen und Senioren kennen, deren Gesundheit, Mobilität und Scharfsinnigkeit mit dem Alter nicht abnahmen, sondern deren Leben reicher und ergiebiger wurde. Eine Frau in meiner Kirche nahm mit 82 erstmals an Schwimmwettbewerben teil und war schon bald die Meisterin ihrer Altersgruppe, während ein 79-Jähriger seinen ersten Roman herausbrachte.
Diese Erlebnisse halfen mir, die illusorische, irrelevante Natur von Zeit zu erkennen.
Diese und ähnliche Erlebnisse halfen mir, die illusorische, irrelevante Natur von Zeit und ihrer daraus folgenden Unfähigkeit zu erkennen, beeinträchtigen zu können, wer wir sind und was wir können. „Leben ist ohne Anfang und ohne Ende“, schreibt Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift. „Ewigkeit, nicht Zeit, drückt den Gedanken des Lebens aus, und Zeit ist kein Teil der Ewigkeit. Das eine hört in dem Verhältnis auf, wie das andere erkannt wird“ (S. 468). Die Bibel betont Zeitlosigkeit durch Jesu Worte, mit denen er seine ewige Christus-Natur hervorhob: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Bevor Abraham war, bin ich“ (Johannes 8:58).
Dieses neue Verständnis, dass ewiges Leben, Gott, allein bestimmt, wer wir sind, änderte alles für mich. Ich achtete nun darauf, ständig im „Jetzt“ zu leben, statt immer wieder mein Gestern nachzuleben oder eifrig auf Morgen zuzustreben. Ich fing an, meine Vergangenheit schlicht als den Weg zu betrachten, der mich dahin gebracht hat, wo ich jetzt bin, und ich weiß das geistige Wachstum zu schätzen, das ich dadurch erlangt habe, auch wenn dazu Reue, Erlösung und sogar Wiedergutmachung für Fehler erforderlich waren. Ich erkannte, dass zerbrochene Beziehungen, problematische Jobs, verpasste oder nicht genutzte Gelegenheiten mich nicht definieren, begrenzen oder verurteilen mussten. Sie konnten vielmehr konstruktive geistige Lektionen sein, die mich ebenso voranbrachten – echte Erneuerung mit sich brachten –, wie meine eher positiven Erlebnisse.
„Die göttliche Forderung ‚Darum sollt ihr vollkommen sein‘ ist wissenschaftlich, und die menschlichen Schritte, die zur Vollkommenheit führen, sind unerlässlich“, lesen wir in Wissenschaft und Gesundheit (S. 253–254). Jede Lektion, jeder Schritt hilft uns, umzudenken und zu vermeiden, dass wir Fehler der Vergangenheit wiederholen, da wir sorgfältiger auf Gottes Führung lauschen und eher bereit sind, ihr zu folgen.
Dazu passt die Geschichte von Josef im 1. Buch Mose (siehe Kapitel 37, 39–45). Josef hat ein schweres Leben, doch er scheint immer gehorsam danach zu streben, Gottes Pfad zu folgen. Am Ende ist er sehr einflussreich und trotzdem fähig, seine Lebenserfahrung anzuerkennen und seinen neidischen Brüdern zu vergeben, die ihn als Jungen in die Knechtschaft verkauft hatten. Josef sagt ihnen: „Und nun bekümmert euch nicht und grämt euch nicht, dass ihr mich hierher verkauft habt; denn um eures Lebens willen hat mich Gott vor euch hergesandt. ... Und nun, nicht ihr habt mich hergesandt, sondern Gott“ (1. Mose 45:5, 8).
Josef schien zu erkennen, dass Herausforderungen kein Versagen und auch keine Prüfung Gottes sind, sondern ein Schrittstein zu unserer nächsten geistigen Lektion.
Das trifft auch auf uns zu, wenn es Fehler gibt, die wir berichtigen müssen, oder falsche Entscheidungen, die wiedergutgemacht werden müssen. Wir können darauf vertrauen, dass Gottes Weisheit uns Schritt für Schritt führen wird, damit wir wissen, was zu tun ist. Der Apostel Paulus hatte die junge christliche Kirche zunächst verfolgt, war aber fähig, die Vergangenheit abzulegen und in der gegenwärtigen Erfüllung seines gottgegebenen Zwecks zu leben. Er sagte: „Brüder, ich schätze mich selbst nicht so ein, dass ich es ergriffen habe. Eines aber sage ich: Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich aus nach dem, was vorn ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Siegespreis der himmlischen Berufung durch Gott in Christus Jesus“ (Philipper 3:13, 14).
Wenn wir das Leben aus geistiger Sicht betrachten, fühlen wir uns nicht länger gedrängt, über schmerzhaften oder reuevollen Erinnerungen zu brüten, noch lassen wir uns von ihnen definieren oder begrenzen. Stattdessen erfreuen wir uns an den herrlichen Wegen, auf denen Gott uns Schritt für Schritt voranführt, und machen sie uns zu eigen, indem wir unser Herz öffnen, egal welche Schwierigkeiten uns in den Weg treten. Das hilft uns, hier und jetzt umfassender im Himmelreich zu leben!
