Wenn die Welt von Unruhe und Respektlosigkeit erfüllt zu sein scheint, kann Gnade wie eine Kerze erscheinen, die schnell verbrennt und dann Dunkelheit hinterlässt. Doch diese Sichtweise von Gnade hat nichts mit der Wahrheit zu tun. Man kann Gnade nicht selbst schaffen. Sie ist eine immer wirkende, aktive Kraft. Als Attribut Gottes ist sie ein natürlicher Bestandteil Seiner Schöpfung und steht daher jedem bereit.
Die Christliche Wissenschaft verbindet Gnade mit Wahrheit, einer Bezeichnung für Gott, und stuft die beiden als die wirksamsten Kräfte ein. Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift erklärt: „Gnade und Wahrheit sind mächtiger als alle anderen Mittel und Methoden“ (Mary Baker Eddy, S. 67).
Die Wichtigkeit von Gnade wird auch durch die Bibel beleuchtet, die uns mitteilt, dass Gottes Gnade ganz natürlich zu uns kommt und das Werk Gottes ist, das in uns zum Ausdruck gebracht wird: „Aus Gnade seid ihr gerettet worden durch den Glauben, und das nicht aus euch: Es ist Gottes Geschenk ... Denn wir sind sein Werk“ (Epheser 2:8, 10).
Ich wuchs auf einer Insel auf, wo ich zu einer ethnischen Minderheit gehörte, die oft schikaniert wurde. Ich war dankbar, dass ich trotz meiner hellen Haut eher mehr wie die Ureinwohner der Insel aussehe und den örtlichen Dialekt sprach. Als ich am ersten Tag auf einer neuen Schule eingeladen wurde, Teil einer Gruppe zu sein, die aus Ureinwohnern bestand, freute ich mich sehr. Doch dann stellte ich fest, dass meine neuen Freundinnen und Freunde viel Zeit damit verbrachten, Personen mit anderem Hintergrund zu ärgern. Ich bekam Angst. Wenn sie herausfanden, dass ich trotz meines Aussehens zu einer der Minderheiten gehörte, würden sie mich dann auch terrorisieren? Ich verhielt mich leider mehrere Wochen lang still.
Doch dann beschloss ich, etwas zu unternehmen. Ich brachte eine Freundin, die zu einer Minderheit gehörte, mit zum Mittagessen, zusammen mit einem Teller Kekse, die meine Freundesgruppe hoffentlich besänftigen würden. Doch die Kekse flogen in alle Richtungen und es hagelte Drohungen. Dann wurde ich auf dem Weg zum Bus von einigen aus der Gruppe angegriffen, getreten und mit Stöcken, Büchern und Ordnern geschlagen.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich entkommen sollte. Ich wandte mich so gut ich konnte an Gott. Mein Gebet war ganz einfach. Ich wusste, dass Gott Liebe ist; so stand es an der Wand der Sonntagsschule der Christlichen Wissenschaft, die ich besuchte. Und ich wusste, dass Jesus Gott auch als Liebe verstand. Also dachte ich einfach daran, dass Gott Liebe ist.
Ich lag auf dem Boden und schützte meinen Kopf mit den Armen, als ich sah, dass Hilfe kam – der Vertretungsbusfahrer. Er war der Onkel von einigen in der Gruppe. Er rief sie sofort zur Ordnung, aber auf eine Weise, die mir zeigte, dass er wusste, dass sie besser waren als ihr Verhalten. Er schien ihnen ihre wahre Natur in Erinnerung zu rufen. Sie zeigten Reue und waren gehorsam und einsichtig. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit mir zu, sagte ein paar freundliche Worte und überzeugte sich, dass mir nichts passiert war.
Dieser wundervolle Mann exemplifizierte Gottes Gnade. Ich hatte das Gefühl, dass er uns alle im selben liebevollen Licht sah. Das hatte nichts mit einem guten und netten Menschen zu tun, sondern war die Gnade Gottes, die in Seiner Schöpfung sichtbar war.
Meine Angst war so schnell vorbei wie der Vorfall. Gottes Gnade, die durch den Busfahrer zum Ausdruck kam, heilte mich, und mein einfaches Gebet erleuchtete mich mit einer geistigeren Liebe. Ich war augenblicklich von Hass geheilt und fühlte mich mit allem vereint, das gut ist. Die Angst um meine Sicherheit verschwand, und mein Mut, mich mit Gottes gesamter Schöpfung verbunden zu fühlen, brachte Frieden. Mit diesem Frieden gingen viele Gelegenheiten einher zu beweisen, wie wirksam es ist, die Gnade auszudrücken, die uns alle ausnahmslos als mit Ihm vereint erkennt.
Wir lesen in Wissenschaft und Gesundheit: „Was wir am dringendsten brauchen, ist das Gebet innigen Verlangens nach Wachstum in Gnade, das in Geduld, Sanftmut, Liebe und guten Werken zum Ausdruck kommt“ (S. 4). Gnade und gute Werke wurden im Leben von Christus Jesus verkörpert. Das Lukasevangelium sagt über Jesus: „Das Kind aber wuchs und wurde stark im Geist, voller Weisheit, und Gottes Gnade war auf ihm“ (Lukas 2:40). Diese Gnade, die den Meister der Christen charakterisierte, rettet uns von der Niedertracht, die uns entzweien, unsere Gemeinschaft aufbrechen, die guten Auswirkungen unseres Lebens schmälern und unseren Glauben an das, was richtig und gut ist, untergraben möchte.
Gnade nahm in Jesu Leben viele Formen an, wie eine liebevolle Berührung, die die Kranken heilte, oder eine überzeugende göttliche Sichtweise, die Sünder umwandelte, bis hin zu einem festen Standpunkt den Geldwechslern gegenüber, die den heiligen Tempel Gottes zweckentfremdeten (siehe Matthäus 21:12, 13).
Wir lesen in 1. Johannes: „Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt“ (5:4). „Die Welt“ könnte sich auf alles beziehen, was in Opposition gegen Gottes liebevolle Absicht für Seine Schöpfung ist. Gott sah alles an, was Er erschaffen hatte, und „es war sehr gut“ (1. Mose 1:31). Daher ist unsere gottgeschaffene Heimat Güte, Harmonie und Gemeinschaft. Daraus folgt, dass Gnade und ihre aus Gott geborenen Begleitumstände alles überwinden können, was behauptet, destruktiv zu sein.
Gottes reichhaltige Gnade kommt beständig in Seiner Schöpfung zum Ausdruck und wird in Eigenschaften wie Mut, Geduld, Kraft und Besonnenheit widergespiegelt. Die Erkenntnis und Anerkennung von Gnade, wo immer wir sie ausgedrückt sehen, wird uns als Macht und Gegenwart in unserem eigenen Leben und zum Wohl aller segnen. Wir müssen Gnade nicht heraufbeschwören; sie kommt von Gott und überwindet die Welt. Was für ein großes Geschenk!
