Die Gemütsbeschaffenheit eines Menschen, der von den körperlichen Sinnen beherrscht wird, zeigt einen auffallenden Gegensatz zu derjenigen dessen, der genügend von der Wissenschaft des Seins gelernt hat, um von dem geistigen Sinn geleitet zu werden. Der eine stellt Theorien über die Religion auf, während der andere sich bemüht, seine Erlösung mit Furcht und Zittern zu „schaffen.” Der eine urteilt nach dem äußeren Schein, während der andere nur gerechtes Urteil fällt. Der eine wird oft ein „Gläubiger” genannt, während der andere ein demütiger Nachfolger Christi, der Wahrheit, ist. Der eine kämpft immer mit den scheinbaren Schwierigkeiten des sterblichen Daseins, während der andere die Einfalt der geistigen Dinge in sich aufnimmt.
Wegen seiner Reinheit und Einfalt wählte Jesus ein kleines Kind als Beispiel für die anerzogenen Begriffe seiner Jünger und sagte ihnen: „Es sei denn, daß ihr euch umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.” Er verwirklichte nur zu gut die Wahrheit des Gefühls, das von Schiller so bezeichnet wird: „Und was kein Verstand der Verständigen sieht, das übet in Einfalt ein kindlich Gemüt.” Er machte es seinen Jüngern klar, daß kindliche Einfalt eine der ersten Erfordernisse des christlichen Wesens ist. In der Christian Science bedeutet Bekehrung mehr als der theoretische Austausch einer menschlichen Annahme für eine andere. Er ist eher die Richtigstellung und das Entfernen des gesamten Sinnenzeugnisses über Gott, den Menschen und das Weltall und eine daraus hervorgehende Fähigkeit, nur vom Standpunkt der Wirklichkeit und Fortdauer des Unsichtbaren oder Geistigen zu denken. Werden wie die Kinder heißt, der lähmenden Furcht falscher materieller Annahmen entgehen. Das kleine Kind stellt einen Zustand des Gedankens dar, der nicht in den Fesseln dieser anerzogenen Annahmen liegt und ist folglich für die Erkenntnis der geistigen Wahrheit empfänglich. Es brüstet sich nicht mit materiellen Kenntnissen und ist daher bereit, „von Gott gelehrt” zu werden. Der Mann oder die Frau, die vorgeben Gott zu kennen und deren Denken sich doch nach dem Zeugnis der Sinne richtet, haben keine beweisbare Kenntnis des Guten und müssen notwendiger Weise erst bekehrt werden, ehe sie die wahre Bedeutung vom Himmel und von der Harmonie fassen können. Nachdem man den materiellen Sinnen jahrelang vertraut hat, mag es anfangs schwer sein, ihre Zuverlässigkeit anzuzweifeln und die Herrschaft der geistigen Sinne anzuerkennen. Und das kommt, weil die körperlichen Sinne nicht die Bedeutung der Demut und Reinheit gelehrt haben, die die unzertrennlichen Begleiter der christlichen Einfalt sind. Sie haben statt dessen das gerade Gegenteil dieser Tugenden, die den wahren Christen charakterisieren, verteidigt und bestärkt. Sie haben die Religion zu einem der verworrensten und geheimnisvollsten Dinge in der Welt gemacht, so daß Unzählige, die vielleicht empfänglicher für das Geistige als andere waren, sich von dem materiellen Begriff von Gott und dem Menschen, abgewendet haben und allen Glauben und alles Vertrauen in die Religion ihrer Väter aufgegeben haben.
Die Religion Christi Jesu wird durch Einfachheit und Reinheit charakterisiert und kann durch die sogenannten körperlichen Sinne nicht richtig erkannt werden. Jesus wies alle Herrschaft der Sinne zurück und sprach und handelte nur unter der Oberhoheit der geistigen Sinne. Er erwartete von den körperlichen Sinnen keine zuverlässige oder genaue Kenntnis über Gott, den Menschen oder das Weltall. Er wußte, daß diese Sinne nicht mit Intelligenz, Macht oder Weisheit begabt sind und weil er im Gegensatz zu ihrem Geheiß lehrte und handelte, wurde er gekreuzigt. Bekenntnistreue Christen, die den Wunsch haben, gerecht zu sein und den Willen des Vaters zu tun, sollten innehalten und diesen höchst wichtigen Punkt in Betracht ziehen, — ob sie die Christian Science nicht vom Standpunkt der materiellen Sinne beurteilen, statt von dem Christi. Geistige Dinge werden geistig wahrgenommen. Jede materielle Auffassung von ihnen ist notwendigerweise theoretisch, ungenau, unzuverlässig und irreführend, und doch verwenden die Menschen viel wertvolle Zeit, um Streitschriften und Bücher, die gänzlich auf das Zeugnis der Sinne gegründet sind, zu schreiben in dem vergeblichen Bemühen wegznerklären, was ihnen als Trugschlüsse in der Christian Science erscheint. Dies spricht sich nirgends deutlicher aus, als in dem Versuch zu erklären, wie die Christian Science die Kranken heilt. Der Beweis ist jetzt so überwältigend, daß die Menschen nicht länger leugnen, daß sie heilt, aber sie bestehen darauf, sich auf die körperlichen Sinne zu berufen, auf die nämlichen Sinne, die Sünde und Krankheit aufrecht erhalten, um zu erklären, wie das Heilen geschieht.
Da kein Mensch „Gott je gesehen” hat mit den körperlichen Sinnen, warum von diesen Sinnen verlangen, daß sie Seine heilende Macht erklären? Wenn sie nichts vom Prinzip wissen, wie können sie sein Wirken erklären? Sie können es nicht und jene, die sich als Jünger dessen bekennen, der das Zeugnis der materiellen Sinne leugnete und unterdrückte, sollten sicherlich nicht versuchen, die leidende Menschheit gegen jene christliche Lehre einzunehmen, die täglich unzählige schlechte Gewohnheiten vernichtet, sogenannte unheilbare Leiden heilt und die Menschheit belehrt, wie das Böse in jeder Lage des Lebens durch das Gute zu überwinden ist. Alle, die behaupten, an das heilige Wort Gottes zu glauben, sollten den praktischen Beweis ihres Glaubens geben und nicht das zweite Kommen Christi leugnen, indem sie darauf bestehen, daß Gott keine gegenwärtige Erlösung von Krankheit und Tod verheißt. Die Welt braucht die Offenbarung jenes kindlichen Gemüts, das willig ist, die Wissenschaft des Guten auszuüben und dadurch beweist, daß das Böse weder Macht, Intelligenz, noch Wirklichkeit hat. Es ist jetzt hohe Zeit, den hergebrachten Glauben an den Fall des Menschen zu vernichten und durch Heilen so wie Jesus es tat, zu beweisen, daß der Mensch ungefallen, rein und heilig ist, das vollkommene Ebenbild und Gleichnis eines vollkommenen Gottes. So können wir beweisen, daß das Wort „Macht hat” zu heilen, zu segnen und die Menschheit zu erlösen, und daß es von den physischen Sinnen nicht verstanden und offenbart wird und werden kann. Die Zeit ist für alle bekenntnistreuen Christen gekommen zu erkennen, daß der „Buchstabe tötet,” daß nur durch die Bezeugung von der Macht des Geistes im täglichen Leben die Menschheit gesegnet, und das Wort Gottes praktisch statt theoretisch erklärt werden kann. Sie sollten die Einfalt, die in Christo ist, erkennen, indem sie demütig anerkennen, daß alle Macht dem Guten zugehört, so daß sie die wahre Bedeutung der Allmacht verstehen lernen und durch „mitfolgende Zeichen” offenbaren. Es ist Zeit, den so niederdrückenden und ungöttlichen Glauben an die erbliche Übertragung von Krankheit aufzugeben, an dem so viele religiös Gesinnte festhalten, als ob es ein unabänderliches Gesetz des Allmächtigen sei.
Diese Tätigkeit der Christusidee wirkt heute in der Christian Science, und wegen ihrer Einfalt stolpern und irren die Weltweisen schon an der Schwelle. Wenn ihr Stolz des Materialismus schwindet, werden sie für die geistigen Ideen empfänglich werden und die Christian Science und ihre Entdeckern lieben lernen.