Unter denjenigen, die freimütig die Würde und den Wert der Bewegung der Christian Science und das gesunde Urteil sowie die Gedankenreinheit ihrer Vertreter anerkennen, trifft man oft eine zurückgehaltene Kritik ihrer Lehren in der Weise, daß sie stark und überzeugend in ihren Behauptungen ist, jedoch schwach in ihren Verneinungen,— daß die Versicherung von der Unwirklichkeit der materiellen Phänomenen Sünde, Krankheit und Tod und von der Unzuverlässigkeit des Zeugnisses der physischen Sinne ein wunder Zug ihrer Lehren sei. Derartige Kritik bezeugt nicht nur ein erstaunliches Mißverständnis der Lehren der Christian Science, sondern eine noch erstaunlichere Mißachtung von der Bedeutung des metaphysischen Unterschiedes zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit und ist ein Mangel an Erkenntnis, daß jede positive Erklärung die Verneinung ihrer Negative einschließt. Sogar ein Anfänger in der Mathematik, der die Aussagen, daß die Summe gleicher Zahlen gleich sein muß und daß die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten eine gerade Linie ist, weiß, daß zehn Bejahungen alle Aussagen, die das Gegenteil behaupten verneint. Dies ist notwendigerweise ihr Inhalt und ihre Bedeutung. Die Verwirklichung dieses fundamentalen Punktes ist für klar Denkende wesentlich und Mrs. Eddy hat in ihrer epigrammatischen Aussage darauf aufmerksam gemacht. Sie sagt: „Leben, Gott, das allmächtige Gute verneint Tod, Böses, Sünde, Krankheit,— Krankheit, Sünde, Böses, Tod verneinen das Gute, den allmächtigen Gott, das Leben” (Science and Health, 113). Ob der Gedanke durch positive Versicherung der Wahrheit erweckt wird oder durch die Verneinung ihres Gegenteils erschreckt wird, so muß doch in jedem Fall der volle Inhalt der Aussage verstanden und angenommen werden. Christliche Gläubige haben im ganzen genommen immer zugegeben, daß Gott unendlicher Geist ist, daß Er absolut in Weisheit, Heiligkeit und Macht ist, und daß Er der Schöpfer und Erhalter alles Seins ist; daher beweist die Christian Science in ihrer Verneinung jener Ansichten, die diesen grundsätzlichen christlichen Lehren entgegengesetzt sind, ihre Loyalität und stimmt logisch damit überein.
Es ist vernünftigerweise anzunehmen, daß alles, was von oer göttlichen Natur ausgeht, diese Natur annimmt und in Harmonie mit ihr ist, — daß Gleiches das Gleiche erzeugt, doch scheint es, daß dies unter gläubigen Christen ein kaum zu erörternder Gegenstand sei, denn wenn unendliches Leben Tod hervorbringen kann, dann kann Licht Dunkelheit erzeugen; wenn das unendliche Gute Böses erzeugt, dann kann die Wahrheit Irrtum erzeugen und wir sind ohne alle Stütze für die Vernunftgemäßheit oder Folgerichtigkeit Gottes und des Gesetzes Seiner Kundgebung. Es ist jedoch augenscheinlich, daß die Verneinung eines Irrtums nichts nützt, wenn die positive Wahrheit, welche die Verneinung logisch notwendig macht, nicht verstanden und angewandt wird und die Gefahr, in die Angewohnheit einer solchen bloß wörtlichen Verneinung zu verfallen, muß dadurch abgewandt werden, daß man niemals die Verneinung des Irrtums von der Behauptung der Wahrheit trennt, die ihn vernichtet. „Es gibt nur einen Weg zum Himmel, zur Harmonie, und Christus zeigt uns in der göttlichen Wissenschaft diesen Weg. Es bedeutet, keine andere Wirklichkeit zu kennen, — kein anderes Bewußtsein vom Leben zu haben — als das Gute, Gott und Seine Wiederspiegelung.” „Materielle Ansichten müssen verneint und abgeworfen werden, um für die Wahrheit Raum zu machen” (Science and Health, S. 242, 130). Diese Aussagen drücken nicht nur die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen aus, sondern auch das Wesen der Verneinung, die die Christian Scientisten gelehrt werden zu machen.
Die wissenschaftliche Verneinung von der Wirklichkeit der Sünde, der Krankheit und des Todes bezeichnet nicht, daß sie nicht als wirklich im menschlichen Begriff angesehen werden. Der Gedanke, daß man das Böse dadurch überwindet, daß man es unbeachtet läßt, ist das genaue Gegenteil von der Lehre der Christian Science. Die Verneinung der Wirklichkeit des Bösen schließt sogleich und andauernd die Erkenntnis des unendlichen Seins in sich und kann nur von Wirkung sein, wenn wir zum Verständnis von den ewigen Wahrheiten des Geistes kommen. Jesus bewies, daß Sünde, Krankheit und Tod nicht göttlich erhalten werden durch Aufhebung ihrer sich geltend machenden Gesetze und Überwindung ihrer angenommenen Macht. Er bezeichnete diese menschlichen Erfahrungen als nicht von Gott kommend, daher als unwirklich, und dies ist die einfache Lehre der Christian Science.
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