Ein uns bekannter Autor wies kürzlich auf den Schatten hin, um gewisse Erscheinungsformen des Irrtums zu veranschaulichen. Die folgenden weiteren Ausführungen dürften wohl angebracht sein.
Auf dem Hofe steht ein Pfosten. Wenn die Sonne scheint, wirft der Pfosten einen Schatten. Der Schatten ist die Abwesenheit des Lichtes. Wenn das Licht als das Wirkliche angesehen wird, dann ist der Schatten die Abwesenheit dieser Wirklichkeit, ist also unwirklich. Wenn das Licht als ein Etwas angesehen wird, dann ist der Schatten die Abwesenheit dieses Etwas; er ist kein Etwas, sondern ein Nichts. Dennoch wird seine Ausdehnung sowie die Stelle, wo er fällt, von dem körperlichen Auge wahrgenommen.
Wo kommt dieser Schatten her? Aus dem Licht kommt er nicht; denn im Licht gibt es keine Finsternis. Er kommt nicht aus dem Pfosten, nicht aus dem Erdboden, auch nicht aus der Luft; es ist unmöglich festzustellen, woher er kommt. Tatsächlich kommt er nirgends her. Wie könnte ein Nichts irgendwo herkommen, selbst wenn es erscheint? Wir können allerdings feststellen, wann die Erscheinung begann; in diesem Fall nämlich bei Sonnenaufgang; wir können ferner feststellen, daß sie durch einen Pfosten veranlaßt wurde. Allein festzustellen, wann eine Erscheinung beginnt, ist etwas ganz anderes, als einen Grund für dieselbe anzugeben. So verhält es sich mit allen Erscheinungen, welche die körperlichen Sinne wahrnehmen. Wir wissen, wann einige von diesen Erscheinungen zuerst auftraten; die Entstehungszeit anderer hingegen liegt so weit zurück, daß wir nichts darüber wissen. Keine von diesen Erscheinungen hat jedoch einen Entstehungsgrund.
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