Es gibt heute wenige Orte auf diesem Erdball, wo die Botschaft, daß die Christliche Wissenschaft die Kranken heilt, nicht hingedrungen ist. Die ganze zivilisierte Welt spricht davon; und die Menschen sind längst nicht mehr so skeptisch wie früher, wenn sie hören, daß jemand aus ihrer Bekanntschaft durch die Christliche Wissenschaft von einem langjährigen Leiden geheilt worden ist.
Der Gründer des Christentums, Jesus der Christus, bewies beständig die Wahrheit seiner Lehren durch Krankenheilung und andere Demonstrationen der Macht des Geistes über die Materie. Er reinigte die Aussätzigen und heilte die verdorrte Hand. Er machte gelähmte Glieder gelenking und öffnete die Augen der Blinden. Er stillte den Sturm des Meeres und wandelte auf seinen Wassern, speiste die Menge mit wenigen Broten und Fischen, erweckte die Toten und überwand schließlich in seiner eigenen Erfahrung die falsche Annahme von einem zerstörbaren Leben, indem er dem Irrtum, daß der Tod etwas Wirkliches ist, widerstand. All diese wunderbaren Werke zeugen von seinem Verständnis des geistigen Gesetzes.
Daß Jesus die Absicht hatte, durch seine Werke die Wahrheit seiner Mission zu beweisen, tritt aus dem Begebnis zwischen dem galiläischen Propheten und den Jüngern Johannes des Täufers klar hervor. Der gefangene Johannes war so sehr entmutigt, daß ihn Zweifel übermannten, ob denn Christus Jesus auch wirklich der Messias sei. Um sich darüber Gewißheit zu verschaffen, sandte er zwei seiner Jünger zu dem Meister mit der Frage: „Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines andern warten?“ Die Antwort Jesu war unumwunden. Er sagte: „Gehet hin und saget Johannes wieder, was ihr sehet und höret: die Blinden sehen und die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein und die Tauben hören, die Toten stehen auf und den Armen wird das Evangelium gepredigt.“ Christus Jesus wußte, daß Johannes diesen Werken, die vollbracht worden waren, die richtige Bedeutung beimessen würde.
Nachdem Jesus seine Jünger belehrt hatte, sandte er sie in die Öffentlichkeit, um die Arbeit weiterzuführen, die er selbst so würdig begonnen hatte. Ehe sie auszogen, sagte er zu ihnen: „Geht aber und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Macht die Kranken gesund, reinigt die Aussätzigen, weckt die Toten auf, treibt die Teufel aus. Umsonst habt ihr's empfangen, umsonst gebt es auch.“ Der Beweis, daß „das Himmelreich ... nahe herbeigekommen“ ist, sollte durch das Heilen der Kranken, das Reinigen der Aussätzigen und das Erwecken der Toten geliefert werden, mit anderen Worten, durch die Zerstörung der falschen Annahme des Bösen. Wenn man aus der Lebensarbeit Jesu die sogenannten Wunder ausschalten wollte, so würden die Beweise des Neuen Testaments von der Macht des Gemüts Christi zum großen Teil verloren gehen.
Wie oben darauf hingewiesen, ist die Aufmerksamkeit der Welt hauptsächlich durch das Heilen von Krankheit infolge ihrer Lehren auf die Christliche Wissenschaft gelenkt worden. Wenn man jedoch über die Frage nachdenkt, so ist es klar, daß es unmöglich ist, bei der bloßen Betrachtung gewisser Heilungsresultate zu verweilen, wie wunderbar sie auch zu sein scheinen. Wie in den Tagen des nazarenischen Propheten so auch in den Tagen der Christlichen Wissenschaft, geben sich die Menschen nicht mit der bloßen Betrachtung von Resultaten zufrieden, sondern versuchen der Ursache, die diese Resultate hervorbringt, auf den Grund zu gehen. Dies ist besonders mit der Christlichen Wissenschaft der Fall. Sie fragen: Auf welche Weise kommen diese Heilungen zustande? Was ist es, das sie vollbringt? Und ernste Forscher sehen bald ein, daß ein einigermaßen bestimmtes Erzielen von Heilungsresultaten notwendigerweise auf der intelligenten Anwendung eines Gesetzes beruhen muß. Es ist das Amt der Christlichen Wissenschaft, jenes geistige Gesetz, das unfehlbar und zu jeder Zeit erreichbar ist, zu erklären.
Auf Seite 150 des Lehrbuchs, „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift,“ sagt Mrs. Eddy: „Heute wird die heilende Kraft der Wahrheit weit und breit als eine immanente, ewige Wissenschaft, anstatt als eine wunderbare Schaustellung demonstriert. Ihr Erscheinen ist die Wiederkunft des Evangeliums: ‚Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen‘.“ Und weiter unten fügt sie hinzu: „Jetzt, wie damals, werden durch das metaphysische Heilen physischer Krankheit Zeichen und Wunder gewirkt; aber diese Zeichen geschehen nur, um den göttlichen Ursprung dieses Heilens zu demonstrieren — um die Wirklichkeit der höheren Mission der Christuskraft, die Sünde der Welt wegzunehmen, zu bekunden.“ Diese Worte machen die Mission der Christlichen Wissenschaft klar. Die „Zeichen und Wunder“ in der christlich-wissenschaftlichen Praxis, demonstrieren die Macht des Christus, der Wahrheit, die falschen Annahmen des Bösen zu zerstören. Ein jeder, der durch die Christliche Wissenschaft von irgendeiner Krankheit geheilt worden ist, war von der Zeit an in moralischer sowohl als geistiger Hinsicht ein besserer Mensch. Moralische und geistige Erneuerung ist eine unfehlbare Begleiterscheinung des christlich-wissenschaftlichen Heilens.
Das Obengesagte ist demjenigen, der sich in der Praxis der Christlichen Wissenschaft einige Erfahrung aneignet, leicht verständlich. Ob jemand durch eigenes Studium oder durch die Bemühungen eines Praktikers der Christlichen Wissenschaft geheilt wird, bleibt sich gleich. Der Vorgang ist immer ein mentaler. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß Krankheit stets mentalen Ursprungs ist. Das menschliche Gemüt hält falsche Annahmen fest, und diese Annahmen drücken sich scheinbar am Körper aus. So verhält es sich in einem jeden Krankheitsfall, ob sich der Kranke dessen bewußt ist oder nicht. Es ist somit klar, daß, um eine Heilung herbeizuführen, die mentale Ursache, die den krankhaften Zustand hervorbringt, mit Hilfe des geistigen Verständnisses erkannt und beseitigt werden muß. Dieses geistige Verständnis erlangt man durch das Studium und die Demonstration der Christlichen Wissenschaft.
Es kommt oft vor, daß sich Heilungen verzögern, weil ein moralischer Fehler nicht überwunden wird. Mrs. Eddy sagt: „Eine moralische Frage kann die Genesung der Kranken hindern. Lauernder Irrtum, Sinnenlust, Neid, Rache, Bosheit oder Haß lassen die Krankheitsannahmen fortbestehen, ja, sie schaffen sie sogar“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 419). Die Sünde muß daher aufgedeckt und zerstört werden. Dies wird durch das Verständnis der Allheit des Geistes und der Unwirklichkeit der Materie oder des Bösen vollbracht,— durch die Erkenntnis, daß die materiellen Sinne keine Befriedigung bieten können.
Nur zu oft wird das Studium der Christlichen Wissenschaft von solchen aufgenommen, die vergessen, daß sie die Wissenschaft des unendlichen Seins ist. Wenn es des ausdauernden Fleißes bedarf, in irgendein Fach sogenannten menschlichen Wissens einzudringen, dann sollte sicherlich mindestens ebensoviel Arbeit auf die göttliche Wissenschaft verwandt werden. Ohne ernste Arbeit kann der Schüler nicht erwarten, in seiner eigenen Erfahrung Resultate von Bedeutung hervorzubringen. Wenn er aber die Bibel und das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft fleißig studiert und sich bemüht, das, was er versteht, anzuwenden, dann ist sein Fortschritt gesichert.
Wer sich heute in der Welt umschaut, der kann nicht umhin, das tiefe Leid, das Elend und die Sündhaftigkeit der Menschen zu beobachten. Ist es nicht offenbar, daß durch die Verminderung der Sünde das Leid und Elend der Welt ebenfalls geringer werden würde? Man denke nur daran, wie der Glaube an das Böse und dessen Ausübung entweder direkt oder indirekt dazu beiträgt, unzählige Wohltätigkeitsanstalten in allen Ländern zu füllen. Wenn die Tätigkeit der Christlichen Wissenschaft sich ausschließlich auf das Heilen von Krankheit beschränkte, so würde sie ihre Christus-Mission nur teilweise erfüllen. Sie geht jedoch weit über die Grenzen der Wohltätigkeit hinaus. Sie dringt in alle Schlupfwinkel des sterblichen Denkens und verschont keine einzige falsche Annahme, die sich darin verbergen mag. Wer anders denkt, der versteht Mrs. Eddys Mission, die auch die Mission der Christlichen Wissenschaft ist, nicht. In „Miscellaneous Writings“ (S. 4) schreibt die verehrte Entdeckerin und Begründerin der Christlichen Wissenschaft: „Die Mission der Christlichen Wissenschaft besteht nicht allein im Heilen der Kranken, sondern auch in der Zerstörung der Sünde im sterblichen Denken. Wenn diese Arbeit gut getan wird, wird sie das Menschentum heben und läutern. Sie wird es unfehlbar tun; wenn wir unsere besten Kräfte auf diese Arbeit verwenden.“
