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Geduld, freudige Erwartung und ständige Erneuerung in der Arbeit

Aus der Januar 2010-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Seit Ende meines Geschichtsstudiums vor 16 Jahren arbeitete ich teils als Angestellter an verschiedenen Universitäten und Archiven und teils als freischaffender Historiker, wobei die Anstellungsgrade je nach gegenseitigem Bedarf von o bis 100 Prozent schwankten. Auch bei meiner letzten Anstellung an einem Archiv im Kanton Bern war es so. Zuerst erhielt ich nur Kleine Pensen, später eine 50-prozentige Projektstelle, die ich zeitweise durch Übernahme von Pensen anderer Mitarbeiter ergänzen und durch unbezahlten Urlaub und späteres Nachholen flexibel ausgestalten konnte. Diese musste aber jedes Jahr neu bewilligt werden. Nachdem ich gut vier Jahre dort angestellt gewesen war, wurde mir mitgeteilt, dass diese Projektstelle in knapp zwei Jahren, das hieß auf Ende 2008, gestrichen werden würde.

Ich war nie auf Festanstellung Festanstellung aus gewesen, denn es hatte mir gefallen, immer wieder etwas Neues zu machen. Und so nahm ich diese Meldung positiv auf und sah sie als ein Zeichen, dass für mich etwas Neues „in der Pipeline“ war, und ich war von hoffnungsvoller Freude erfüllt. Außerdem erachtete ich es als sehr anständig, dass der Arbeitgeber mich schon so früh über die Streichung der Stelle informierte. Aber ich wusste auch, dass ich mein Denken auf ein festes Fundament stellen musste, um nicht plötzlich von irgendwelchen Ängsten herumgetrieben zu werden und so etwa beim Schreiben von Bewerbungen in einen blinden und hektischen Aktionismus zu verfallen. Meine Grundfrage war: Was ist meine Identität? Mit dieser Frage ging ich zu einem christlichwissenschaftlichen Praktiker, denn ich wollte hier tiefer eindringen.

Der Ausgangspunkt meiner metaphysischen Arbeit war folgende Stelle aus Wissenschaft und Gesundheit (S. 258): „Gott bringt im Menschen die unendliche Idee zum Ausdruck, die sich unaufhörlich entwickelt, sich erweitert und von einer grenzenlosen Basis aus höher und höher steigt.“

„Unendlichkeit“ und „Grenzenlosigkeit“ das war es, was ich suchte. Ich wollte neue Horizonte entdecken und war in Aufbruch-Stimmung. Schließlich ergaben sich zwei Bewerbungsmöglichkeiten – zuerst eine für eine 20-prozentige Redaktorenstelle an einer historischen Zeitschrift, die mir viel Zeit für anderes gelassen hätte, dann für eine feste 80-prozentige Dauerstelle an dem Archiv, wo ich damals noch als Projektmitarbeiter angestellt war. Für beide Stellen brachte ich gute Voraussetzungen mit, so dass ich mich bewarb. Als ich keine der beiden Stellen erhielt, empfand ich das überhaupt nicht als Unglück — im Gegenteil: Ich fühlte mich befreit, denn nun wusste ich, dass mein Weg nicht in Richtung Anstellung ging, sondern in Richtung freischaffender Tätigkeit. Nachdem schon zwei Monate vorher Verhandlungen geführt worden waren, bekam ich nämlich noch am gleichen Tag der zweiten Absage einen großen und sehr interessanten Auftrag. Dieser bestand darin, für eine früher während Jahrhunderten bedeutende Berner Familie eine Familiengeschichte zu verfassen. Dieser neue Auftrag erlaubte mir, mich in ein Gebiet, das mir bereits vertraut ist, weiter zu vertiefen und mich so als Fachmann zu profilieren.

Als ich keine der beiden Stellen erhielt, empfand ich das überhaupt nicht als Unglück — im Gegenteil: Ich fühlte mich befreit, denn nun wusste ich, dass mein Weg nicht in Richtung Anstellung ging, sondern in Richtung freischaffender Tätigkeit.

Außerdem fühlte ich mich veranlasst, an einem Historikertag eines anderen Kantons, nämlich meines Wohnkantons, teilzunehmen, wo ich zwar einige Historiker kenne, aber selber als Historiker selten aktiv war. An diesem Tag ging es zwar um ein Thema, mit dem ich nicht vertraut war und womit ich mich auch nicht näher zu befassen gedachte. Doch kam ich mit verschiedenen Historikerkollegen über andere Dinge ins Gespräch, woraus sich in der Folge zwei weitere größere Aufträge auf Gebieten ergaben, auf denen ich mich seit dem Studium nur noch selten betätigt hatte. Die konnte ich nun aber auffrischen und mit meinen familiengeschichtlichen Arbeiten gut verbinden, so dass sich themen-und kantonsübergreifend Synergien ergeben, die zu neuen Erkenntnissen führen und damit zu einer wesentlichen Erweiterung des Horizonts beitragen würden. Sodann kamen noch mehrere weitere kleine Aufträge dazu — ganz nach dem Motto: „Kleinvieh gibt auch Mist.“

Nun war ich für das Jahr 2009 als angemessen bezahlter freischaffender Historiker voll ausgelastet, so dass ich jetzt für eine Anstellung gar keine Zeit mehr hätte. Ich brachte meine Anstellung am Archiv Ende 2008 zu einem guten Abschluss, schied in Freundschaft und komme seither als Benutzer in dasselbe Archiv, wo ich nun ernten kann, was ich gesät habe.

Als Freischaffender hat man zwar weniger gesetzlich garantierte soziale Sicherheiten und man muss immer wieder neue Aufträge aquirieren, um leben zu können. Trotzdem fühle ich mich nicht unsicher, sondern ich spüre fortwährend eine Verheißung. Im Hinblick auf meine Forschungsarbeit fühle ich mich Mary Baker Eddy sehr verbunden, die über ihre Arbeit sagte (WuG, S. 109): „Das Forschen [ist] wohltuend, friedevoll und von Hoffnung getragen, weder selbstsüchtig noch niederdrückend.“ Früher litt ich unter einem lähmenden Perfektionismus, der sich auf die Furcht gründete, nicht genügen zu können. Jetzt aber beginne ich verstehen, dass es bei der Arbeit nicht darum geht, etwas mühsam, das heißt unter quälenden Selbstzweifeln und daraus folgendem Zeitdruck zu erkämpfen, sondern zu erkennen, was Gott schon geschaffen hat. Gott schafft zwar nicht ein Buch mit einer Familiengeschichte drin, aber er hat alle Eigenschaften geschaffen, die den Menschen bilden und diesem ermöglichen, ein solches Werk zu vollbringen. Der Mensch ist Ausdruck tätiger Liebe, die sich in meinem Fall unter anderem in Intelligenz, Einfühlungsvermögen und Darstellungskraft ausdrückt. Diese Eigenschaften sind Teil meiner Identität.

Schließlich wurde ich in meiner Kirche zum Ersten Leser gewählt. Meine und private Situation hatte sich so entwickelt, dass das nötige Zeitfenster frei wurde, um dieses Amt freudig annehmen zu können. Es ist mir ein echtes Bedürfnis, dieses Leseramt auszuüben, denn erst dadurch kommen alle meine Lebens- und Tätigkeitsbereiche zueinander ins Gleichgewicht.

Der Mensch ist Ausdruck tätiger Liebe, die sich in meinem Fall unter anderem in Intelligenz, Einfühlungsvermögen und Darstellungskraft ausdrückt. Diese Eigenschaften sind Teil meiner Identität.

Für mich bewahrheitet sich, was in Lied 148 des Liederbuchs der Christlichen Wissenschaft steht (3. Strophe): „Vor mir sind grüne Auen, an die ich nie geglaubt. Schon teilen sich die Wolken, die mich des Lichts beraubt. Ich hoff auf Deine Gnade, mein Weg schon ebnet sich, mein reichster Schatz, Du Vater, bleibst bei mir ewiglich.

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