Das sind einige der während eines Workshops spontan formulierten Antworten von Teilnehmern auf meine Frage hin: „Basierend auf welchen Prinzipien kann eine geistige Revitalisierung politischer Kultur gelingen?“ Dieser Workshop war Teil einer Veranstaltung im August 2009, für die mich die Partei „Die Violetten — für spirituelle politik“ gebeten hatte, den Inhalt als Sprecher zu gestalten. Das thema dieses Abends wählte ich wie folgt: „Spiritualität in der Politik - eine neue Dimension politischer kultur“.
Zu dieser Thematik eine methaphysisch inspirierte und in Wort und Bild anschaulich kommunizierbare Präsentationsform zu finden, mit dem Ziel, ein breites Publikum zu erreichen (denn spirituelle Erfahrungen sind zunächst doch eher etwas sehr Individuelles und Persönliches), empfand ich als eine echte Herausforderung. Eine Herausforderung war dieses Thema auch deshalb, weil mit Politik heute fast ausschließlich materielle Versprechungen anstatt geistiger Werte. Logik und Ratio anstatt Gefühl und Herzensintelligenz, Opposition und gegenseitige Beschuldigungen anstelle von Solidarität, Brüderlichkeit und Versöhnung assoziert werden. Gibt es denn überhaupt eine Wechselbeziehung zwischen Geistigkeit und Politik?
Beim Nachsinnen über diese Frage kam mir der von Gott gesandte Messias Jesus von Nazareth in meine Gedanken. Ebenso erinnerte ich mich an den Reformator Martin Luther, an Mahatma Gandhi, den politischen und geistigen Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung, sowie an Martin Luther King Jr., den amerikanischen Baptistenpastor und Bürgerrechtler. Sie alle bewegten sich häufig an dieser Schnittstelle zwischen Geistigkeit und politischer Weltlichkeit, zwischen Religion und Säkularismus. Und das, wie wir alle wissen, mit durchschlagendem und nachhaltigem Erfolg. Eine der Gemeinsamkeiten dieser in unterschiedlichen Epochen stattfindenden Bewegungen lässt sich sehr zutreffend mit Blaise Pascals Ausspruch „Ein Tropfen Liebe ist mehr als ein Ozean Verstand“ ausdrücken.
Diese Wechselbeziehung zwischen Geistigkeit und Weltlichem (sowie auch Politischem) ist also durchaus eine bekannte Erfahrung. Ich fragte mich, ob es diese Schnittmenge zwischen Geistigkeit und Politik heute weiterhin gibt. Oder ob eine spirituell inspirierte politische Kultur in der heutigen Zeit doch eher ein frommer Wunsch ist und Utopie bleiben müsse. Für diese und weitere Fragen interessierten sich gleichermaßen nahezu fünfzig geladene Gäste dieses Abends, u.a. auch Christliche Wissenschaftler von Kirchen aus Nürnberg und München. Es war ein außerordentlich segensreicher Abend mit tiefgründigem Gedankenaustausch und der erfrischenden Erkenntnis, dass es durchaus „Bewusstseins-Pioniere“ gibt, die für methaphysisch inspirierte Lösungen auf politischer Ebene hier auf dieser unserer Mutter Erde eintreten. Welcher Gestalt sind nun aber diese inspirierten Lösungen, welche Prinzipien liegen ihnen zugrunde?
In der Vorbereitung zu diesem Abend stellte ich mir die Frage nach der ursprünglichen Bedeutung von Spiritualität und Politik (Bedeutungen, die heute zumindest teilweise in Vergessenheit geraten scheinen). Ich kam zu dem Schluss, dass beides, also Spiritualität und Politik, durchaus im Einklang miteinander stehen können! Politik-vom griechischen „polis“ = Gemeinschaft — steht u.a. für
(a) ein innerhalb einer Gesellschaft auf ein bestimmtes Ziel gerichtetes Verhalten mit
(b) dem übergeordneten Ziel der Gestaltung und Ordnung der Welt. Politik bedeutet also keineswegs nur Fraktionszwang, Parteiprogramme, Wahlkampf oder Parteiimage!
Und wie verhält es sich nun mit Spiritualität? Spiritualität umschließt
(a) Selbstverwirklichung (und darunter verstehe ich das Wiederfinden unseres Selbst im Schoße Gottes),
(b) Beschäftigung mit den Sinn- und Wertefragen des Lebens (worunter ich das Gewahrwerden der Gebote in Matthäus 22 „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte“ und „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ verstehe) sowie
(c) geistige Orientierung und Lebenspraxis (was fürmich mich so viel wie „gelebte Geistigkeit“ bedeutet, vom lateinischen spiritus = Geist bzw. spiro = ich atme).
An dieses Verständnis von Spiritualität und Politik und insbesondere auch an die Bibelstelle in Johannes 1 „Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“ sowie an die Zehn Gebote angelehnt formulierte ich für die Anwesenden nachfolgende Grundsätze als Fundament einer segensreichen, geistigen Politik:
• Das Gute, das Prinzip der Liebe als Quelle und Substanz, als Grundlage und Orientierung allen Seins, Denkens und Handelns.
• Der Mensch und die Schöpfung als lebendige Widerspiegelung des einen Bewusstseins, der geistigen Vollkommenheit, des Guten, der bedingungslosen Liebe. Eine geistige Bewusstseinshaltung als Licht bringendes Lebensprinzip.
• Nächstenliebe, Selbstbestimmtheit, Gemeinschaftlichkeit, Vergebung als Grundlage solidarischen Zusammenlebens und damit auch als Fundament einer spirituell inspirierten, politischen Kultur.
• Spirituelle Politbewegung als vereinigende Grundströmung und befriedendes Sprachrohr zum Wohle aller Menschen und der Natur und zwar im Dienste einer friedlichen, freiheitlichen, verantwortungsbewussten und würdevollen Ordnung und Entfaltung der Menschheit und der Natur.“ Oder, um in biblischer Sprache mit den Worten König Salomons zu sprechen: „So wollest du deinem Knecht ein gehorsames Herz geben, dass er dein Volk richten könne und verstehen, was gut und böse ist. Denn wer vermag dies dein mächtiges Volk zu richten?” (1. Könige 3)
Dieses Verständnis von geistig fundierter Politik für ein segensreiches und solidarisches Miteinander „mit dem übergeordneten Ziel, der Gestaltung und Ordnung der Welt“ (siehe die Definition von Politik weiter oben) erfordert allerdings eine persönliche Bewusstseinserneuerung hin zu mehr Brüderlichkeit, zu mehr Nächstenliebe, zu Versöhnung und zu gegenseitiger Wertschätzung. Ein der Gemeinschaft - also auch der Politik (von lateinisch polis = Gemeinschaft) - dienendes, liebevolles Denken und Handeln hat seinen Ursprung in einem selbst! Inspiriert durch die Botschaft des südafrikanischen Theologen und Bürgerrechtlers Desmond Tutu „lch glaube, dass ein Christ auch politisch sein muss, wenn gleich nicht parteipolitisch“, formulierte ich dann auch eine der Kernbotschaften meiner Ansprache wie folgt: „Eine geistige Grundhaltung ist auch ein politisches Statement!“
Eine von obigen Prinzipien getragene politische Kultur ist nicht auf politische Programme, auf parlamentarische Parteiarbeit oder auf politische Wahlen alleine begrenzt, sondern kann im Jetzt und im Hier von jedem einzelnen zum Leben erweckt werden! Man kann sich bewusst entscheiden, sich für eine neue solidarische Grundhaltung aufbauend auf Dankbarkeit und Zufriedenheit Brüderlichkeit und Lebensfreude, Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit sowie Eigenverantwortung und Selbstbestimmung einzusetzen. Dies ist die wahre Legitimation dafür, spirituelle Politik im Sinne anderer und im Dienste für andere zum Wohle des Einzelnen, der Gesellschaft und der Natur zu gestalten. „Die Hingabe des Denkens an ein ehrliches, großes Werk macht dieses Werk möglich.“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 199) Eine Politik anzustreben, die Vernunft, Verantwortung und Nachhaltigkeit in sich vereint, ist gewiss ein solches „großes Werk“, das die Hingabe des Denkens aller Menschen sicher verdient.
