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Spiritualität & Heilen

Geistiger Start

Aus der November 2010-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


An einem wunderschönen Tag hoben Drachenflieger fröhlich von einem Berggipfel in den deutschen Alpen ab. Michael Pabst, damals Anfang zwanzig, machte einen Schritt vorwärts, um abzuheben. Seine Füße hatten „gerade den Berg verlassen“, als er es sah: Eine Gewitterwolke, die noch ein gutes Stück entfernt war, begann sich über das Tal auf ihn zu zu bewegen. „Die starken Winde in einer Gewitterwolke können einen Hängegleiter zerreißen“, erzählt er. „Wir waren in unserem Training für den Drachenfliegerschein gründlich auf diese Gefahr aufmerksam gemacht worden.“ Herr Pabst versuchte mit allen Kräften, den Landeplatz anzusteuern, aber stattdessen stellte er fest, dass er aufwärts flog und in die Wolke gesogen wurde. „Ich war völlig hilflos“, erinnert er sich, „und ich begann ziemlich Angst zu kriegen." Aber dann schnellte ein Vers aus den Psalmen in seine Gedanken. „Die Wasserwogen ... sind groß und brausen mächtig; der Herr aber ist noch größer in der Höhe.“ (Psalm 93) Er hörte und fühlte so deutlich, dass es eine Macht gab, die weitaus größer war als der Wind, der ihn so völlig zu beherrschen schien.

Was geschah als Nächstes? Herr Pabst begann die Gegenwart der Macht Gottes zu erleben. Es kam der Gedanke: „Das göttliche Gemüt regiert. Das ist Gottes Angelegenheit.“ Seine Angst begann zu verschwinden. Stück für Stück konnte er den Hängegleiter von der Wolke weg manövrieren, während der große schwarze Schatten über ihm vorbeizog. Jetzt lacht er: „Normalerweise will man ja so lange wie möglich oben bleiben. Aber diesmal wollte ich nur auf den Boden. Nachdem es mir wie eine Ewigkeit erschien, meinte der Höhenmesser, dass ich jetzt — Gott sei Dank — endlich an Höhe verlor.“ Die Bodenturbulenz war so stark, dass er zehn Meter über dem Boden noch einmal 360 Grad herumgeworfen wurde, aber er landete auf den Füßen — „wie eine Katze“. Er kletterte unter seinem Hängegleiter hervor — unversehrt.

In all den Jahren hat Herr Pabst viel Übung darin bekommen, „auf den Füßen zu landen”, während er weiter lernt, sich in allen Bereichen seines Lebens Gottes Macht zu ergeben. Herr Pabst, Praktiker und Lehrer der Christlichen Wissenschaft, lebt in Shrub Oak, New York, USA. Zur Zeit des Interviews hielt er als Mitglied des Vortragsrates der Christlichen Wissenschaft Vorträge über die Christliche Wissenschaft in den USA und in Europa und dient jetzt im Christian Science Board of Directors. Als wir uns im Büro des Journals trafen, begann unser Gespräch damit, uns neue Statistiken über Gott und Religion anzuschauen.

Joan Taylor: Herr Pabst, angesichts der offensichtlich grundlegenden Veränderung, mit der die Menschen organisierte Religion sehen, lassen Sie uns damit beginnen, über Empfänglichkeit zu sprechen. In Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift schreibt Mary Baker Eddy: „Die Bereitschaft, wie ein kleines Kind zu werden und das Alte für das Neue zu verlassen, macht das Denken für die vorgeschrittene ldee empfänglich.“ (S. 323-324) Es ist interessant, dass sie „kleines Kind“ mit dem Wort „vorgeschritten“ verbindet. Können Sie uns sagen, warum Mary Baker Eddy Ihrer Auffassung nach diese beiden Worte in Beziehung zueinander sah?

Michael Pabst: Wenn wir an Kindlichkeit denken, sind wir geneigt an Reinheit und Unschuld oder gar an Naivität zu denken. Aber ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass ein Fünfjähriger fast jeden zweiten Satz mit der Frage „Warum?“ beginnt. Kinder sind unwahrscheinlich wissbegierig und hungrig danach, alles zu verstehen. Und diesen Hunger brauchen wir, um „die vorgeschritene Idee“ zu empfangen, über die Mary Baker Eddy spricht. Es ist das „Erwachsensein“, das uns glauben lässt, wir wüssten alles. Das ist der Feind des geistigen Fortschritts.

Jesus sagte: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ (Matthäus 18) Da Jesus diese Kindlichkeit von uns erwartete, gehe ich davon aus, dass diese Kindlichkeit bereits Teil unserer göttlichen Natur ist. Der Hunger danach, Gott zu erkennen, Seine Gegenwart zu fühlen, bereits in jedem von uns. Er muss nur aufgedeckt werden.

Wenn wir an Kindlichkeit denken, sind wir geneigt an Reinheit und Unschuld oder gar an Naivität zu denken. Aber ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass ein Fünfjähriger fast jeden zweiten Satz mit der Frage „Warum?“ beginnt. Kinder sind unwahrscheinlich wissbegierig.

Lassen Sie uns noch ein bisschen über das sprechen, was wir dann unter göttlicher Neigung verstehen könnten. Ein Artikel, der vor einiger Zeit auf der Titelseite des Christian Science Monitors erschien (14.1.2009) berichtete darüber, was eine US-Studie der Barna Gruppe herausgefunden hatte. Die Forscher kamen zu der Schlussfolgerung: „Eine wachsende Anzahl von Menschen dient jetzt als ihr persönlicher Theologe in Eigenregie.“ Eine große Prozentzahl der Befragten (71 Prozent der Erwachsenen in den USA) sagt, sie würden „lieber ihr eigenes Bild des religiösen Glaubens entwickeln, als festgeschriebene Lehren einer bestimmten Kirche zu akzeptieren.“ Wie interpretieren Sie diese Erkenntnisse?

Wir können erkennen, dass der Pfad zur Wahrheit viel mit der Tatsache zu tun hat, dass Wahrheit, Gott, mit uns kommunizieren muss, statt dass wir versuchen, die Wahrheit durch unseren Verstand herauszufinden.

Das sind keine bedrohlichen Nachrichten — keineswegs. Ich denke, sie zeigen tatsächlich einen freien Geist. Sie zeigen, dass Menschen das Bedürfnis haben, die Traditionen zu verändern, und dass sie nicht so leicht bereit sind, etwas anzuerkennen, nur weil jemand anders gesagt hat, es sei wahr. Sie sind bereit, ihre individuelle Intelligenz, ihren individuellen Verstand und ihre individuellen Verstand und ihren individuellen Verstand und ihre individuellen Ideen zu praktizieren. Durch die enorme Vernetzung rund um die Welt haben wir Zugang zu viel mehr Informationen als je zuvor und dieser Reichtum an verfügbaren Daten führt natürlich dazu, dass wir unsere eigenen Schlussfolgerungen ziehen wollen.

Aber dann ist die Frage: Helfen uns all diese Informationen wirklich dabei, die Wahrheit über die Macht Gottes besser zu verstehen? Oberflächlich gesehen könnten wir sagen: ‚Ja, natürlich helfen sie.' Aber wir müssen darauf achten, dass wir nicht einfach unsere eigenen menschlichen theologischen Auffassungen von der Natur Gottes über die Ansichten von jemand anderem stellen. Und dann kommen wir zu der grundlegenden Frage: Wie Finden wir einen Weg zur absoluten Wahrheit? Die Menschen wenden sich der Bibel zu, um zu versuchen, diese Frage zu beantworten, aber das bringt die Frage auf: ‚Wer besitzt die richtige Interpretation der Bibel?' Und wir können erkennen, dass der Pfad zur Wahrheit viel mit der Tatsache zu tun hat, dass Wahrheit, Gott, mit uns kommunizieren muss, statt dass wir versuchen, die Wahrheit durch unseren verstand herauszufinden. Wir müssen lauschen und uns von Gott führen lassen, der die Wahrheit selbst ist.

Obwohl diese Untersuchung in den Vereinigten Staaten gemacht wurde, sehen Sie diesen Drang selber nachzudenken und unsere eigenen Schlüsse zu ziehen — in diesem Fall darüber, wie wir unser eigenes, geistiges Leben definieren -als eine weltweite Erscheinung?

Durchaus. Es ist dieser kindliche Hunger, der im Denken der Menschen arbeitet, der dazu führt, dass sie ihre geistige Identität finden wollen, denn es befriedigt einfach nicht, sich allein durch menschliche Begriffe erklärt zu sehen. Der Impuls, sich die Wahrheit zu Eigen zu machen, ist natürlich. Sie könnten sogar sagen, göttlich natürlich, denn es ist der Christus — unser höchstes Wesen —, der uns zeigt, was wirklich vor sich geht: Göttliches Gemüt, das seine Schöpfung liebevoll regiert: Sie, mich und jeden Menschen.

In Wissenschaft und Gesundheit steht: „Die ewige Wahrheit wandelt das Universum um. In dem Verhältnis, wie die Sterblichen ihre mentalen Windeln ablegen, erweitert sich der Gedanke zum Ausdruck.“ (S. 255) Ich finde es faszinierend, wie Mary Baker Eddy an die Frage: „Was ist Wahrheit?“ herangeht. Sehen Sie, sie begann ihre geistige Suche, indem sie diese Frage auf fast die gleiche Weise stellte, wie die Menschen in diesen Umfragen: „Was mir gesagt wurde, reicht mir nicht mehr.“ Sie hatte ein Verlangen danach, Gott auf ihre eigene Weise als sinnvoll zu erkennen. Nach langem Forschen fand sie die Christliche Wissenschaft. So beschrieb sie diese Reise: „Ich Wusste, dass das göttliche Prinzip aller harmonischen Tätigkeit des Gemüts Gott ist und dass im frühen Christentum durch heiligen, erhebenden Glauben Heilungen bewirkt worden waren, aber ich musste die Wissenschaft dieses Heilens ergründen, und durch göttliche Offenbarung, durch Vernunft und Demonstration fand ich meinen Weg zu absoluten Schlüssen.“ ( WuG, S, 109)

Für mich ist dieser Prozess, den sie beschreibt, so unglaublich erhellend — die Reihenfolge, die sie zu ihrem Ergebnis führte: göttliche Offenbarung, Vernunft und Demonstration. Es könnte auch logisch erscheinen, diese Reihenfolge zu verändern und zu sagen: „Nun, göttliche Offenbarung erscheint mir zu groß; ich weiß gar nicht, was das ist, also fange ich mit Vernunft an.“ Aber das funktioniert nicht. Unsere Betrachtung muss mit der göttlichen Offenbarung beginnen. Diese Offenbarung, diese Inspiration, muss die treibende Kraft in unserer Suche nach der Wahrheit sein; sonst werden wir beim menschlichen Denken enden, das versucht die Dinge herauszufinden, und dann sind wir wieder bei unseren menschlichen Meinungen! Aus dieser göttlichen Offenbarung heraus kommt also die Vernunft. Und das führt dazu, dass sich das menschliche Gemüt der göttlichen Kraft ergibt, damit wir sagen können: „Ja. Das ergibt für mich einen Sinn.“ Was geschieht dann? Wir geben der Macht Gottes, dem göttlichen Gemüt, nach. Und dann folgt schließlich der dritte Schritt, die Demonstration — Heilung und Harmonie —, das wunderbare und unvermeidliche Ergebnis geistigen Verstehens.

Menschen auf der ganzen Welt — und nicht nur Christliche Wissenschaftler — erkennen, dass menschliche Vorstellungen über den Körper, weder die körperlichen noch die mentalen Erklärungen, uns endgültige Erklärungen, uns endgültige Antworten geben. Das eine Gemüt bewegt das Universum. Eine rein menschliche Vorstellung vom Körper als eine gegenständliche „Hülle“, die ein denkendes Wesen beherbergt, wird uns nie die geistigen Antworten geben, nach denen wir uns sehnen. Solange wir Leben auf der Grundlage dessen erklären, wie es unseren körperlichen Sinnen erscheint, werden wir die Wahrheit des Seins nie verstehen. Was ist Wahrheit? Diese Frage hat Pontius Pilatus schon vor 2000 Jahren gestellt — und er war bestimmt nicht der Erste, der sie gestellt hat. Sie hat das Denken seit Äonen beschäftigt. Und das, weil das Verlangen nach Wahrheit ein wesentlicher Teil unseres Seins ist.

Herr Pabst, die Daten haben auch einen wachsenden Trend gezeigt: Man entfernt sich von der Notwendigkeit, in die Kirche zu gehen oder an einen Ort zum Gebet. Wie passt dieser Trend mit dem weltweiten Verlangen nach Wahrheit zusammen, das Sie gerade beschrieben haben?

Die Kirche besteht, um den tiefsten Nöten in jedem zu begegnen. Wir leben in einer Zeit in der Geschichte, in der dieser Umbruch im menschlichen Denken die Gesellschaft bis ins Innerste bedroht, weil die Dinge, die den Menschen als Substanz erschienen — und deshalb als unveränderlich — unsicher sind. Das macht den Menschen Angst und wir sehen, dass diese Angst wirtschaftlich, soziologisch, politisch und zweifellos auch in Bezug auf Religion zum Ausdruck kommt. Es gibt ein Verlangen danach, Sicherheit zu finden. Die Menschen finden diese Sicherheit nicht immer in ihren Regierungen oder in dem, was ihre Minister ihnen sagen mögen oder in finanziellen Investitionen oder auch in der medizinischen Behandlung. Was machen sie also? Die erste Reaktion ist Verwirrung, manchmal auch Panik. Aber das Verlangen nach Sicherheit ist legitim. Es ist ein geistiges Verlangen. Und hier ist eine höhere Bedeutung von Kirche so essenziell wichtig.

Können Sie noch etwas dazu sagen, was Sie unter einer „höheren Bedeutung“ von Kirche verstehen?

Es geschieht heute viel mehr „Kirche“ in der Welt, als wir in materiellen Kirchengebäuden ausgedrückt sehen. Kirche, in ihrer geistigen Bedeutung, ist tatsächlich eine Umwandlung in unseren Herzen, in unserer innersten Seele. Sie ist Erlösung und sie ist Fortschritt. In Wissenschaft und Gesundheit beschreibt Mary Baker Eddy Kirche unter anderem als die Institution, die das „schlafende Verständnis ... aufrüttelt ...“. (S. 583) Wir können uns selber fragen: „Wie viel Kirche habe ich heute erlebt? War es die Stunde, die ich in einem Kirchengebäude verbracht habe? Oder war es das schlafende Verständnis, das durch die immergegenwärtige Macht Gottes aufgerüttelt wurde?“ Und in dem Maße, wie dieses Aufrütteln der Gedanken vor sich geht, kann Kirche unmöglich jemals verschwinden. Es wird immer eine Notwendigkeit dafür geben, dass Kirche auf fühlbare, bedeutungsvolle Weise ausgedrückt wird.

Glauben Sie, dass die Menschen, wenn sie dem Widerstand gegen die Kirche in ihrem eigenen Denken ausgesetzt sind, wirklich einen allgemeinen Schub zurück zu spezifischen Begriffen, wie sie zu Kirche gehören, erleben? So viele Menschen reagieren ablehnend auf bestimmte Worte — angefangen mit dem Wort Gott.

Ich denke, dass es einen deutlichen Bedarf dafür gibt, unsere Vorstellung von bestimmten Begriffen zu heilen, die falsch verstanden werden. Wir müssen Worte und Begriffe geistig erhöhen, die Jahrhunderte lang verdreht und entstellt wurden und sogar ihre ursprüngliche Bedeutung verändert haben. Wenn wir also „Jesus“ sagen, nehmen viele Menschen automatisch an, wir sprechen über Gott, weil so viele Menschen glauben, dass Jesus Gott sei. Nun, Jesus nannte sich selber nie Gott und hat niemals diesen Gedanken in die Welt gesetzt. Er machte es in der Tat sehr deutlich. Er sagte zum Beispiel: „Die Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst aus. Und der Vater, der in mir wohnt, der tut seine Werke.“ (Johannes 14)

Weil Jesus Gott so oft als seinen Vater bezeichnete, ist es leicht, Gott wie einen Menschen oben im Himmel zu sehen, mit einem väterlichen Charakter — so eine Art geistiger Mensch. Aber in der Christlichen Wissenschaft verstehen wir Gott als Liebe, als eine Gegenwart, eine Kraft — ein Gemüt, eine Intelligenz, die das Universum regiert. Als Menschen sind wir darauf beschränkt, Worte zu benutzen, also müssen wir über Gott in begrenzten Begriffen sprechen. Aber Gott ist unbegrenzt. Das menschliche Gemüt zieht immer Schlüsse, die auf seinen eigenen Erfahrungen beruhen.

Als die Deutschen zum ersten Mal eine Lokomotive sahen, nannten sie sie „Feuerross“. Sie beschrieben sie auf Grund ihrer Erfahrungen, auf Grund der Begriffe, die sie kannten. Wenn wir also Worte wie „liebevoller Vater“ benutzen, um Gott zu beschreiben, versuchen wir auszudrücken, wie sich unsere Erfahrung mit Gott anfühlt. Aber diese Begriffe können begrenzend sein. Zum Beispiel hatte vielleicht nicht jeder eine erfreuliche Erfahrung mit seinem menschlichen Vater. Also müssen wir klar sein, dass diese heilige, individuelle Beziehung zu Gott nicht durch eine menschliche Interpretation verschleiert wird. Wie wir bereits sagten, müssen wir Gott, Wahrheit, uns Sein Wesen durch reine, göttliche Offenbarung erklären lassen.

Wenn sie Worte wie Vergebung, Sünde, Gebet und Kirche hören, mögen viele Menschen wegen ihres eigenen Verständnisses dieser Worte sagen: „Benutzen Sie diesen Ausdruck nicht, wenn Sie mit mir reden. Ich glaube nicht daran, also versuchen Sie nicht, mich zu überzeugen.“ Ein Beispiel ist das Wort Buße tun. Es wird normalerweise mit einem armseligen Sünder verbunden. Wenn also jemand dieses Wort hört, nimmt er an, dass er damit identifiziert wird. Aber wir müssen das Wort erlösen — Buße tun bedeutet nicht, dass wir auf einem Schuldtrip sind oder dass wir uns selbst fertigmachen. Buße tun bedeutet, zu verändern, auf welche Weise wir denken — das ist wahres Buße tun. Wenn wir zu der reinsten, meist geistigen Bedeutung dieser Worte gelangen, befreien wir uns von diesen alten Vorstellungen.

Das Einströmen der Wahrheit ersetzt auf natürliche Weise den Irrtum. Und diese Wahrheit strömt durch Liebe ein. Es ist immer Liebe, die uns dazu führt, die Wahrheit zu verstehen.

Ich denke, das ist es, was Jesus meinte, als er von der Notwendigkeit sprach, „neuen Wein“ in „neue Schläuche“ zu tun.

Ja, und auch das, was in Wissenschaft und Gesundheit steht: „Wir können keine Gefäße füllen, die schon voll sind. Sie müssen erst geleert werden.“ (S. 201) Aber dann kommt die Frage auf: Wie leeren wir sie? Für mich bedeutet das nicht so sehr, den „alten Wein“ auszugießen, sondern vielmehr eine Offenheit zu pflegen, sich umwandeln zu lassen — die Wahrheit in unser Bewusstsein hineinfließen zu lassen. Dieses Einströmen der Wahrheit ersetzt auf natürliche Weise den Irrtum. Und diese Wahrheit strömt durch Liebe ein. Es ist immer Liebe, die uns dazu führt, die Wahrheit zu verstehen.

Nehmen wir zum Beispiel jemanden, der mich wegen einer christlich-wissenschaftlichen Behandlung anruft und sagt: „Ich bin wirklich krank.“ Je nach seinem gedanklichen Status ist es nicht unbedingt hilfreich zu sagen: „Oh, nein, Sie sind nicht krank — das ist nur eine Illusion.“ Ich halte halte es für viel hilfreicher und heilender, diesen Menschen dort zu erreichen, wo er gerade steht. Und oft geschieht das, indem ich ihm nur einen „Teelöffel“ voll Wahrheit gebe — durch Liebe. Indem ich ihm helfe, Gottes Gegenwart zu fühlen, genau da, wo er sich gerade befindet. Und das öffnet das Denken, um mehr über dieses geistige, vollkommene Sein zu empfangen.

Wir müssen an dem festhalten, was wir gemeinsam haben — nicht an dem, was uns trennt. Christliche Wissenschaftler sind nicht die, die die einzige Antwort haben.

Wenn Sie über dieses „empfangen“ sprechen, gehe ich davon aus, dass Sie diese „göttliche Offenbarung“ meinen, über die wir vorhin sprachen. Dass wir von Gott, Liebe berührt werden müssen — und dann können wir wirklich dieser großartigen Macht nachgeben. Es ist kein menschliches Tun — es ist ein geistiges Sein, nicht wahr?

Natürlich. Sogar Atheisten haben einen geistigen Sinn! Sie verlangen nach mehr als nach dem, was die Augen befriedigt. Vor etwa drei Jahren hielt ich einen Vortrag, der mit einem Bericht über eine wunderbare Heilung praxis als christlich-wissenschaftlicher Heiler erlebt hatte. Ich wollte, dass die Menschen den Vortrag mit einer Darstellung der Macht der Liebe Gottes verlassen — wie sie die Leben und Herzen und Körper der Menschen umwandelt. Gerade als die Zuhörer aufstehen und gehen wollten, stand ein Mann auf und sagte: „Ich glaube nicht ein einziges Wort von dem, was Sie gerade gesagt haben, denn ich glaube nicht an Gott. Ich bin Atheist.“ Ich hatte echtes Mitgefühl für ihn. Ich war so von dem Geist des Vortrages erfüllt und ich fühlte die Gegenwart der Liebe Gottes so sehr, dass ich nichts anderes sah als eine Seele, die sich nach Trost sehnte. Einen Augenblick lang lauschte ich auf göttliche Führung, darauf, was ich sagen sollte, um den Mann zu erreichen. Dann sagte ich: „Wissen Sie, an den Gott, an den Sie nicht glauben, glaube ich auch nicht.“ Dann folgerte ich weiter: „Aber Sie glauben an das Gute, Sie glauben an moralische Werte und Sie glauben an moralisches Verhalten im Geschäftsleben und in ihrem persönlichen Leben, nicht wahr?“ Und er sagte: „Ja, natürlich tue ich das.“ Genau da war das Verlangen nach Gutem, diese geistige Neigung, über die wir vorhin sprachen. Er fuhr fort: „Aber es gibt so viele Religionen — Christentum, Judentum, Islam — sie glauben alle an einen Gott. Welche von ihnen hat den richtigen Gott?“ Und ich sagte: „Ich glaube, wir müssen uns alle an Jesu Forderung messen, zu beweisen, dass wir Liebe zu unserem Nächsten haben. Die Liebe, die wir unseren Brüdern und Schwestern entgegenbringen, beweist, was wir von Gott wissen.“ Er erwiderte: „Ja, aber ich habe mit einem Bekannten darüber geredet, darüber, dass ich gar nichts davon glaube, und plötzlich wich er drei Schritte zurück und sagte: ‚Du machst mir Angst.' Wie kann denn jemand, der Gott liebt, Angst vor einem Atheisten haben?“

Ich lächelte und ging durch den Gang auf ihn zu. Als ich zu ihm kam, streckte ich die Hand aus und sagte: „Ich habe keine Angst und möchte Ihnen das beweisen. Ich möchte Ihre Hand schütteln.“ Er sagte nichts, aber er nahm meine Hand. Es war ein wunderbarer Augenblick und plötzlich brach in dem Raum, der mit ungefähr 100 Menschen gefüllt war, Applaus aus — etwas, das ich nicht beabsichtigt oder erwartet hatte. Es war so wunderbar, dass dies nichts persönliches an sich hatte, weil das, was gerade passiert war, nicht nur ein Austausch zwischen zwei Menschen war. Es war die Allgegenwart Gottes in Tätigkeit. Der Mann winkte uns allen, wünschte uns eine gute Nacht und ging. Eine Ordnerin erzählte mir hinterher, dass dieser Mann ihr zu Beginn des Vortrags gesagt hatte, er sei gekommen, um zu beweisen, dass wir nicht Recht hätten. Ich hoffe, dass er stattdessen mit etwas heimging, was sein Herz berührt hat.

Wir müssen an dem festhalten, was wir gemeinsam haben — nicht an dem, was uns trennt. Christliche Wissenschaftler sind nicht die, die die einzige Antwort haben oder die über den anderen Suchern stehen. Aber wir bemühen uns, das zu leben, was wir gelernt haben, und dieses Lernen dadurch zu manifestieren, dass wir in jeder Hinsicht lieben.

Ich kann erkennen, dass unser Verlangen, uns Gott zu öffnen, Teil unseres Wesens ist. Aber was können wir tun, wenn wir mit einer krankheit kämpfen und der Furcht und der Frustration schon nachgegeben haben?

Manchmal erkennen wir nicht, wie weit wir einen unbewussten oder akzeptiert haben. Wir mögen die Symptome einer krankheit erleben und wir wissen nicht einmal, wie es dazu kam! Aber genau da können wir wissen, dass die göttliche Liebe bereitsteht. Wir haben das Recht, jeden Augenblick zu sagen: „Halt mal, diesen Weg, der nach unten führt, werde ich nicht gehen! Meine wahre Natur ist geistig, Gott ist der Ursprung meines Seins und der Ursprung meiner Gesundheit, das Gesetz meines Lebens.“ Manchmal führen frische Einsichten über unsere unteilbare Beziehung zu Gott zu einer augenblicklichen Heilung und manchmal erleben wir einen längeren Kampf. Aber solange diese Unterordnung unter die Kraft Gottes weitergeht, geschieht Fortschritt. Solange sich die Gedanken bewegen, geschieht Heilung.

Vor einigen Jahren hatte ich eine Patientin, die sich seit Jahrzehnten die meiste Zeit im Rollstuhl bewegte. Dann erhielt ich eine Nachricht von einem Arzt, dass sie bewusstlos in ein Krankenhaus gekommen war und dass sie eine Entzündung in ihren Beinen habe, die ihr Blut vergiftete. Der Arzt informierte mich darüber, dass sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, weil sie sich allein auf christlich-wissenschaftliche Behandlung verlassen wollte.

Nach dem Anruf des Arztes fiel mir etwas ein, was die patientin mir erzählt hatte. Ungefähr vor 50 Jahren hatte sie eine sehr emotionale Beziehung zu einem Mann gehabt. Er hatte ihre Gefühle ausgenutzt und sie dann verlassen. Sie sagte, sie habe Jahre gebraucht, um diese Beziehung zu verwinden. Da erkannte ich, dass ihr Hass nicht geheilt war und dass dies die Vergiftung war, die sie erlebte. Ich erforschte ein höheres Verständnis von Vergebung; nicht eine Person, die auf eine Entschuldigung von einer anderen Person wartet — weit gefehlt. Stattdessen erkannte ich an, dass nichts und niemand je zwischen Gott, der vollkommen gut ist, und ihr, stehen kann. Nach ein bis zwei Wochen erlebte diese Frau einen Wandel ihres Denkens — wir könnten sagen, eine Wiedergeburt — als die falschen Vorstellungen und die Selbstbezogenheit einer Erkenntnis ihres geistigen Seins Raum gaben. Diese Neu-Identifizierung mit ihrem geistigen Sein und ihrer Güte schenkte ihr die Freiheit, die immer auf sie gewartet hatte. Dies ermöglichte es ihr, zu erkennen und zu fühlen, dass sie fähig war zu vergeben, weil in Wirklichkeit nie jemand sie vom Guten hatte trennen können.

Es gab eine enorme Veränderung in meiner Patientin. Ihre Beine und ihre Füße erlangten ihren normalen Zustand. Und sie stand auf und fing an wieder zu gehen. Was war wirklich geschehen? Da hatte sich jemand Gott rückhaltlos anvertraut — anerkannt, dass göttliche Liebe geschah. Es ist so verführerisch, über ein menschliches Problem nachzudenken. Aber Grübeln hilft nicht, weil es mit dem Problem beginnt. Wir müssen von dem Problem wegschauen und mit der Lösung beginnen: mit göttlicher, geistiger Wirklichkeit. Der Erfolg der christlich-wissenschaftlichen Behandlung, die eigentlich eine Art ist, auf Gottes Sicht der Situation zu lauschen, liegt darin, dass die Furcht erregenden Bilder aus dem Denken verschwinden, weil sie ihre angenommene Wirklichkeit verlieren. Und das führt zur Heilung.

Und trotzdem hören wir manchmal Menschen sagen: „Ich bete über dieses Problem, aber es wird schlimmer.“ Nun, dann müssen wir fragen, ob hier wirklich auf Gott gelauscht wird oder ob hier ein menschliches Gemüt versucht, die Ideen der Christlichen Wissenschaft als alternative Form der Medizin zu nutzen — ob versucht wird, ein materielles Problem durch mentale Mittel zu lösen. Wenn wir erkennen, was durch die Christliche Wissenschaft wahr ist, dass unsere einzige Identität geistig ist, dann lässt dies alles ins Nichts verschwinden, was das menschliche Gemüt geängstigt hat. Der angstvolle Gedankenzustand verschwindet—mitsamt den Symptomen —, weil sie in Wirklichkeit nie vorhanden waren.

Oft fragen mich Patienten, was sie „tun“ können, und ich sage: „Tun Sie nichts! Es ist nicht Ihr Tun, das Sie die Wahrheit verstehen lässt. Es ist Gott, der Sie dazu führt, die Wahrheit zu verstehen.“ „Geist teilt das Verständnis mit ...“ (Wug, S. 505)

Nun, das rundet unser Gespräch ab, Herr Pabst. Es führt zurück zu dem, über das wir zu Beginn gesprochen haben — dass diese Empfänglichkeit für die Wahrheit zu jedem von uns gehört und sich unweigerlich zeigen muss.

Genau so ist es. Wir müssen uns daran erinnern, dass wir durch die Widerspiegelung alles Gute besitzen. Was wir als Empfänglichkeit erleben, hat seinen Ursprung in Gott — es ist eine Eigenschaft Gottes. Die unermessliche Weite der unendlichen Wahrheit teilt sich selbst mit. Die Tatsache kommt in unsere Erfahrung als ein Verlangen danach, Gott immer besser zu verstehen. Und nichts kann dieses Verlangen aufhalten.

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