Im Klassenunterricht der Christlichen Wissenschaft wurde mir Gott durch Seine Attribute vorgestellt, durch die Eigenschaften, die Sein Wesen ausdrücken. Für mich waren sie eine große Hilfe, um mein wahres Wesen als Gottes Gleichnis zu verstehen. Aber es gab eine Eigenschaft, die sich mir entzog: Demut. Ich wusste, dass ich diese Eigenschaft nicht hatte und dass sie wichtig war für meine Fähigkeit, andere durch Gebet zu heilen.
Ich war entschlossen, sie zu finden. Ich las in den Schriften von Mary Baker Eddy: „Demut ist der Schrittstein zu einer höheren Erkenntnis der Gottheit. Das aufwärtsstrebende Bewusstsein gewinnt aus der Asche des vergehenden Selbst neue Formen und ein seltsames Leuchten und lässt die Welt hinter sich. Sanftmut fördert unsterbliche Eigenschaften einzig dadurch, dass sie den Staub hinwegnimmt, der diese trübt.“ (Vermischte Schriften 1883-1896, S. 1) Zwei Jahre lang sehnte ich mich nach Demut und kämpfte darum, hatte aber nie das Gefühl, dass ich sie ergriffen hätte. Es gab Zeiten, in denen ich tatsächlich weinte bei meinem Kampf darum, diese kostbare Tugend zu erlangen. Zu jener Zeit erkannte ich es nicht, aber zurückblickend kann ich erkennen, dass die Ernsthaftigkeit meines Strebens selbst eine Form des Gebets war und dass Gott die ganze Zeit mein Bewusstsein reinigte. Durch die immer-gegenwärtige, rettende Kraft Seines Christus half Er mir, meine Erfahrung zu einer selbstlosen zu verwandeln und dadurch Demut zu gewinnen. „Das aufwärtsstrebende Bewusstsein gewinnt aus der Asche des vergehenden Selbst neue Formen und ein seltsames Leuchten ...“ Genau das geschah!
Das Gegenteil der Demut sind Stolz und Selbstherrlichkeit. Diese Merkmale sind grundlegende Elemente des sterblichen, materialistischen Denkens. Sie sind große Hindernisse für geistiges Wachstum. Sie sind das Produkt einer persönlichen Auffassung vom Selbst als von Gott getrennt, ein Produkt der Vorstellung, dass wir durch unseren eigenen Verstand Erfolgstypen wären. Ein sterblicher Blick auf uns selbst, der nicht die Vollkommenheit und den Wert unseres wahren Seins in Gott erkennt, ist dazu angetan, sich zu schämen, wenn er keine weltlichen Leistungen vorweisen kann, auf die er stolz sein könnte. Er argumentiert für ein kleines Ego, das bestimmte Vorlieben oder Abneigungen hat. Er hat üblicherweise einen Plan, den er versucht, voranzutreiben. Er will seinen eigenen Weg und argumentiert für seine eigenen Meinungen.
Ich entwuchs meinem Bewusstsein, dass alle Dinge auf Materie beruhen würden, aber mit Geistigkeit verknüpft wären. Jetzt griff ich nach der Allheit und Einheit Gottes, des Geistes.
Jesus Christus war völlig ohne materielles Selbst. Er sagte: „Ich kann nichts von mir aus tun. Wie ich höre, so richte ich.“ (Johannes 5) Er verstand völlig, dass wir keine Urheber sind und dass wir nichts ohne unseren Schöpfer erschaffen können. Der Meister lehrte und bewies diese vollständige Abhängigkeit von Gott, dem göttlichen Prinzip des Seins. Er lauschte auf den Antrieb des Geistes und weil er lauschte, hörte er; und weil er den Vater hörte, war er in der Lage, zwischen Wahrheit und Irrtum zu unterscheiden. Er demonstrierte wahre Widerspiegelung – unsere Identität als Gottes Gleichnis. Dies zu tun bedeutet Demut auszudrücken. Bei der Antwort auf die Frage „Was ist der Mensch?“ schreibt Mary Baker Eddy: „... das, was kein Leben, keine Intelligenz noch schöpferische Kraft aus sich selbst besitzt, sondern alles geistig widerspiegelt, was zu seinem Schöpfer gehört.“ (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 475)
Ein Sterblicher muss aus vielem herauswachsen. Das war es, was mir geschah, als ich studierte und nachdachte und betete. Ich entwuchs meinem Bewusstsein, dass alle Dinge auf Materie beruhen würden, aber mit Geistigkeit verknüpft wären. Jetzt griff ich nach der Allheit und Einheit Gottes, des Geistes. Ich erkannte, dass alles, was wirklich vorhanden ist, Ihm zugehört – dass alles Gott, das Gute, und Seine Manifestation ist. Dies bedeutet für mich heute, dass die Schöpfung der handfeste Beweis dafür ist, dass Gott existiert.
Ich öffnete das Buch Rückblick und Einblick und las von Eddys Erfahrungen mit Demut. Sie spricht über die „unsichtbare Sünde“ des Vertrauens in materielle Dinge. Und dann schreibt sie: „Ich starrte auf die materielle Verirrung des sterblichen Gemüts und stand beschämt da. Die stolze Stirn war erbleicht. Mein Herz beugte sich tief vor der Allmacht des Geistes, und ein zarter Glanz von Demut, sanft wie das Licht des Mondes, hüllte die Erde ein.“ (S. 31) Zwei Dinge wurden mir deutlich: dass sie die Verirrung des Bösen sah und dass sie die Vollmacht des Vaters erkannte. Dies sind Erfordernisse für Demut in ihrem tiefsten Sinn und ich wusste, ich würde dadurch gewinnen, dass ich danach trachtete, so in meinem Streben voran zu kommen.
Die Demut auszudrücken, die zu einem tieferen Verständnis von Gott führt, befähigt uns zu wissen, dass Gottes Reich gekommen ist.
Demut führt uns dazu zu erkennen, dass wir nicht eine spezielle Art von Sterblichen sind, die anderen eine bestimmte Sichtweise aufzwingen muss und dabei Stolz und Rechtfertigung empfindet. Sie zeigt uns, dass wir Unsterbliche sind, ausschließlich abhängig von Geist. Dieses Verständnis zu erreichen ist ein wichtiges Ziel, wenn wir christliche Heiler werden wollen. Es ist unerlässlich, dass wir die irrige Vorstellung immer weiter aufgeben, wir wären sterblich und hätten ein persönliches Gemüt und einen eigenen Willen, ein persönliches Leben getrennt von dem einen göttlichen Leben. Dies erreichen wir durch Gebet und indem wir uns bemühen, ein Leben in Einklang mit Gott zu führen, das göttliche Wesen in allem, was wir tun, widerzuspiegeln.
Jesus und seine Jünger waren demütige Menschen. Sie hatten wenig von dem, was die Welt intellektuelles Wissen nennen würde. Aber diese Menschen Gottes schauten tief in die Wirklichkeit, in die Dinge des Geistes, und urteilten nicht anhand des äußeren Erscheinungsbildes. Sie drückten große Ehrfurcht aus, die ebenfalls eine Voraussetzung für Demut ist.
Um Demut beten und sich danach sehnen. Dies zu tun ist eine starke, praktische und mutige Inanspruchnahme unserer Einheit mit Gott. Demut wird uns vor Demütigung schützen. Wir können nicht darin versagen, erfolgreich zu sein, wenn wir sie praktizieren. Sie bringt uns in Einklang mit Wahrheit, die sich selbst durchsetzt, und beweist sich selbst durch ihre eigene dynamische Kraft.
Menschen, die einen höheren Grad an Demut erreichen, indem sie sich der Regierung Gottes ergeben und die Wirklichkeit Seiner Schöpfung wahrnehmen, mögen sich nicht bewusst sein, dass sie dies tun. Sie erkennen einfach nur mit wachsender Überzeugung, dass sie Gott, ihren Ursprung, nie verlassen haben. Sie hinterfragen immer mehr den falschen Augenschein von Chaos, Krankheit, Sünde und Furcht als unwirklich und unwahr, als ohne Raum, ohne Person und ohne Substanz. Sie erkennen mit wachsender Gewissheit, dass das göttliche Gemüt Alles-in-Allem ist. Sie sehen sich selber deutlicher als Gottes eigenes Gleichnis, als Erben alles dessen, was gut und wirklich ist. Sie wissen, dass sie in jeder Beziehung ihres Seins Vollkommenheit beinhalten und dass sie beweisen können, dass dies im Himmel und auf Erden wahr ist.
Die Demut auszudrücken, die zu einem tieferen Verständnis von Gott führt, befähigt uns zu wissen, dass Gottes Reich gekommen ist, dass die Regierung des reinen Gemüts jetzt und für alle Zeiten herrscht und dass dieses Gemüt die einzige Kraft und Gegenwart ist. Wir verstehen mit immer deutlicherer Klarheit, dass das Böse eine Verneinung ist, keine von Gott unterstützte Tatsache. Wir sehen sein aggressives Wesen, aber wir fürchten seine negativen Bilder nicht. In demütiger Anerkennung der Allheit Gottes sind wir uns bewusst, dass nur das Gute wirklich ist, und dass das Gute bereits gegenwärtig und sichtbare Wahrheit ist. Wenn wir das sehen, was ein kranker oder sterbender Mensch zu sein scheint, befähigt uns die Demut, von der Wahrheit absolut überzeugt zu sein, dass Gottes Kind gesund, vollkommen, vital, heil und genau hier gegenwärtig ist. Wir bekämpfen das Böse nicht inmitten der Illusion – sozusagen mit Gedanken, die sich auf Krankheit oder Unfall oder irgendeine andere Misere konzentrieren. Vielmehr wissen wir, dass die Erscheinung des Bösen der Nebel des sterblichen Denkens ist; dass die Argumente der Schlange und die Schlange selber, wie in der biblischen Allegorie (siehe 1. Mose 3) dargestellt, erdichtet und gänzlich falsch sind. Das klare Licht der Wahrheit, das man im Denken beherbergt, beseitigt den Nebel und die Harmonie, die ewiglich wahr ist, wird wieder sichtbar. Dies alles macht Demut möglich.
Wir bekämpfen das Böse nicht inmitten der Illusion—sozusagen mit Gedanken, die sich auf Krankheit oder Unfall oder irgendeine andere Misere konzentrieren.
Seien Sie gewillt, eine falsche Vorstellung vom Selbst abzulegen. Das ist Demut. Das ist etwas, wonach ich jeden Tag strebe, und wir alle können in diese Richtung arbeiten. Gott zutiefst zu lieben, erfordert ein großes Opfer des Selbst. Es erfordert eine wachsende Anerkennung der Tatsache, die Mary B. Eddy darlegt: „Der Ego-Mensch ist die Widerspiegelung des Ego-Gottes ...“ (WuG, S. 281) Es ist unsere Aufgabe, so zu leben, dass Gott an der Stelle erkannt wird, an der wir sind.
Lassen Sie uns dem christlichen Ruf folgen, durch die Macht Gottes, des göttlichen Gemüts, zu heilen, und erinnern wir uns an den Wert der Demut, wenn wir dies tun. „Die Demut ist Linse und Prisma für das Verständnis des Gemüts-Heilens...“, erklärt Eddy. (Vermischte Schriften, S. 356) Wir können beweisen, dass dies wahr ist, und uns an den Früchten unserer Heilarbeit erfreuen.
