Eine Zeitlang habe ich mich regelmäßig gefragt, was mich heute überrascht hat, was mein Herz berührt oder mich inspiriert hat.
Als Pflegerin der Christlichen Wissenschaft bin ich immer wieder mal in Rolle, in der französischen Schweiz, tätig. Ich arbeite zwar an der Verbesserung meiner Französischkenntnisse, aber im Moment sind sie noch minimal. Die französische Sprache begleitet und umgibt mich sozusagen an diesem Ort. Beim Spazieren oder Einkaufen kam ich mir manchmal vor wie eine einsame Insel, umgeben von einem Meer französischer Sprache.
Eines Tages an der Kasse des Supermarktes fing die Verkäuferin an, mit mir zu reden. Ein Artikel war nicht ausgezeichnet gewesen und sie hatte eigentlich nur wissen wollen, aus welchem Regal er stammte, um nach dem Preis zu sehen. Ich war in dem Moment aber so sehr auf meiner ‚einsamen Insel‘, dass mir nicht einmal mein bester Satz auf Französische ‚Je ne parle pas français‘ (Ich spreche nicht französisch) einfiel, sondern ich sie nur groß anschaute und irgendwas auf Deutsch antwortete. Sie wechselte daraufhin sofort die Sprache und der Zahlungsvorgang und die Verabschiedung erfolgten aufs Freundlichste und Liebevollste in einem perfekten Deutsch. Wohlgemerkt, von ihrer Seite aus. Ich war so überrascht, dass ich eher mechanisch antwortete und ade sagte.
Dieses Erlebnis bringt — auch heute noch und immer wieder — Bewegung in meine Sichtweise. Die „einsame Insel im fremden Ozean“ ist lediglich eine Vorstellung, ein begrenzter Sinn, ein falsches Konzept. Die Begebenheit an der Kasse kommt mir vor wie ein kleiner Schubs der Wirklichkeit oder Wahrheit — um zu merken, dass an diesem Konzept etwas nicht stimmt.
Mary Baker Eddy macht in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift eine grundlegende Aussage, wenn sie schreibt: „Gott ist Einer. Die Allheit der Gottheit ist Seine Einheit.“ (S. 267) Sie drückt es an vielen Stellen in diesem Buch auch noch anders aus: „Gott ist Alles-in-allem.“ (S. 113, siehe auch S. 468, 503) Wenn Gott — diese Einheit und Unendlichkeit — alles ist, kann Er nur Er selber sein. Nichts daneben. Nichts dahinter. Nichts davor. Ohne Anfang. Ohne Ende. Nicht aufgeteilt in Sprachen, Orte, Zeiträume, Personen, Meinungen, Dinge.
Wer oder was spricht dann eigentlich, wenn das geschieht, was wir ‚miteinander reden‘ nennen? In Wissenschaft und Gesundheit finden wir eine interessante Antwort: „Gemüt...“ — als spezifischer Ausdruck für eben dieses göttliche Bewusstsein der Allheit und Einheit des Seins — „... sieht, hört, fühlt und spricht. ...“ (S. 468) Wie könnte es, von diesem unendlichen, christlich-wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen, auch anders sein? Ein Sein. Ein Gott. Ein Christus. Ein Mensch. Das unendliche Eine.
Jetzt stellt sich mir die Frage: Was oder wo ist dann eigentlich dieses Ich, das sich fragen könnte, wovon es überrascht, inspiriert oder berührt wird? Deutlich ist zu spüren, dass auch hier etwas noch nicht ganz stimmig ist. Da scheinen immer noch zwei Teile zu sein — einer berührt, der andere wird berührt — einer inspiriert, der andere wird inspiriert — einer überrascht, der andere wird überrascht. Da reibt sich noch etwas. Ich merke, wie unzureichend meine gewohnten Gefühle sind. Da schubst etwas und möchte klarer empfunden werden.
Ich spüre eine tiefe Freude in mir. Natürlich! Es ist unmöglich, auf einer einsamen Insel zu sein — einfach, weil die Tatsache der Allheit Gottes das gar nicht zulässt. Hier ist nur das eine Unendliche, das ‚Ich bin, der ich bin‘. (2. Mose 3, nach d. engl. Bibel) Diese göttliche Wahrheit selber, diese Etwasheit, dieses unendliche Eine, manifestiert sich ununterbrochen als Einheit, Verständnis, Vollkommenheit, Freude — die eine Wirklichkeit, der eine Mensch.
Das Inspirierende, die Inspiration und das Inspirierte als eins. Das Bewegende, die Bewegung und das Bewegte als eins. Das Berührende, die Berührung und das Berührte ist eins — das unendliche Bewusstsein, Gott genannt.
Ungewohnt scheinen diese Gedanken und doch irgendwie vertraut. Es entfaltet sich ununterbrochen im und als dieses eine Gemüt — diese unendliche Intelligenz — doch nur das, was ja schon immer das Einzige, das Wirkliche, ist.
Da wird Weite und Freiheit spürbar, Leichtigkeit und Beschwingtheit. Mir kommt eine andere Aussage von Mary Baker Eddy in den Sinn: „Gemüt, freudig in Stärke, wohnt im Reich des Gemüts.“ (S. 514)
Hat das auch ganz praktische Auswirkungen auf das, was ich mein tägliches Leben nenne? Natürlich! Wie könnte es anders sein, da „mein tägliches Leben“ die Entfaltung dieses einen unendlichen Gemüts sein muss, das sich innerhalb seiner selbst unendlich bewegt, inspiriert, begreift und ausdrückt.
Die Scheu vor der fremden Sprache ist verschwunden und ich bin nun mit ganz neuem Elan dabei, diese Sprache für mich zu entdecken. Aber nicht als etwas von mir Getrenntem, etwas, das ich meinem Leben hinzufügen müsste. Auch das, was ich ‚Lernen einer Sprache‘ nenne, muss innerhalb dieses einen unendlichen Gemüts vor sich gehen — als seine unendliche Entfaltung von Verständnis, Struktur und Kommunikation.
Da ist schon wieder dieses herrliche Gefühl von Einfachheit und Leichtigkeit — und Mühelosigkeit.
