Als eine Freundin und ich in einem Sommer zusammen verreisten, zeigte sich, dass wir völlig verschiedene Ansichten und Ziele hatten – so unterschiedlich, dass Dinge, die sie sagte und tat, mich verletzten und aufregten. Rückblickend waren diese Unterschiede trivial, denn ich kann mich gar nicht an Einzelheiten erinnern. Doch nach unserem Urlaub belasteten mich negative Gedanken weiter.
Bei meiner Verärgerung spielte Ichbezogenheit eine Rolle. Dann las ich Mary Baker Eddys Definition von Ich bin in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Gott; unkörperliches und ewiges Gemüt; göttliches Prinzip; das einzige Ego.“ Und auf derselben Seite las ich in ihrer Definition von Ich oder Ego : „Es gibt nur ein Ich oder Uns, nur ein göttliches Prinzip oder Gemüt, das alles Dasein regiert ...“ (S. 588).
Ich fragte mich: Könnte Gott, das einzige Ich, verletzt sein? Ich musste zugeben, dass die Antwort nein war und dass der geistige Mensch als Sein Ausdruck ebenfalls nicht verletzt sein konnte. Von meinem Studium der Christlichen Wissenschaft wusste ich, dass alles in Gottes Schöpfung Seine Vollkommenheit widerspiegelt, also besteht in Wahrheit immer Harmonie zwischen Gottes Kindern, nicht Disharmonie. Ich tat mein Bestes, um mein Denken über die Situation zu berichtigen und nur Gedanken zu akzeptieren, die ihren Ursprung in Gott haben.
Die Verärgerung verschwand nicht sofort, doch als ich an der Tatsache festhielt, dass unser Vater-Mutter-Gott uns führt und regiert, fühlte ich eine ruhige Gewissheit, dass Gott mir zeigen würde, was ich wissen musste.
Dann fiel mir eine hilfreiche Analogie ein. Wenn Menschen am Bahnsteig stehen und sehen, wie sich die Gleise in der Entfernung zusammenfügen, dann werden sie nicht wütend und fragen sich: „Wie konnten die Bahnarbeiter solchen Blödsinn verzapfen? Finden sie es lustig, die Gleise zusammenzuschweißen?“ Natürlich nicht! Jeder versteht, dass das augenscheinliche Zusammenlaufen der Gleise eine Illusion und nicht die Wirklichkeit ist.
Dieses Bild gab mir die geistige Erkenntnis, die ich brauchte. Die Bibel erklärt, dass Gott alles sehr gut geschaffen hat (siehe 1. Mose 1:31). Ich wusste, dass das meine Freundin und mich einschloss. Daher hatte meine Verärgerung keinen wirklichen Ursprung. Sie war eine Illusion, genau wie das scheinbare Zusammenlaufen von Gleisen.
Mit dieser Erkenntnis lösten sich die negativen Gedanken, die mich belastet hatten, auf, und ich konnte die Verärgerung ablegen. Ich dankte Gott, dass Seine Schöpfung sehr gut ist und dass nichts anderes Wirklichkeit hat. Als meine Freundin und ich uns das nächste Mal trafen, gab es keinen Groll mehr.
Einige Zeit später konnte ich das Bild vom Bahnsteig in einer anderen Situation nutzen. Ich hatte online eine Pflanze bestellt, aber als sie ankam, hatte sie schwarze Stellen an den Trieben, was auf eine Krankheit hinwies. Ich fragte mich, wie der Verkäufer als Fachmann eine Pflanze in solch schlechtem Zustand versenden könnte, und dachte, dass er wohl geldgierig war.
Dann verstand ich, dass diese und andere negativen Gedanken meinerseits nicht hilfreich waren, und ich fing an zu bekräftigen, dass Gottes Schöpfung harmonisch und nichts in ihr unharmonisch ist. Ich verstand, dass der geistige, von Gott erschaffene Mensch – die wahre Identität jedes Menschen – Gott durch Eigenschaften wie Integrität, Fleiß, Fairness, Gewissenhaftigkeit und Liebe widerspiegelt. Und auch die Pflanze war eine Idee des göttlichen Gemüts und konnte nur Gottes Eigenschaften widerspiegeln, genau wie der Mensch.
Mir kam wieder das Bild vom Bahnhof in den Sinn. Die Passagiere lassen sich von der Illusion am Horizont zusammenlaufender Gleise nicht täuschen und steigen ohne Angst in den Zug ein. Ich verstand, dass ich in ähnlicher Weise unbesorgt über den falschen Augenschein der Pflanze sein konnte, da ich wusste, dass Gott alle meine Bedürfnisse mit völliger Harmonie stillen würde. Als die Pflanze wuchs, trieb sie neue, gesunde Blätter ohne schwarze Stellen aus.
Gott versorgt uns mit allem, was wir brauchen. Darauf können wir uns verlassen! Ich bin sehr dankbar, dass Gemüt die ganze Existenz regiert.
Elke Dietrich
