Jedes Jahr lese ich in der Weihnachtszeit noch einmal in der Bibel nach, wie Jesus auf die Welt gekommen ist. Ich jubele mit den Engeln, wenn sie den Hirten die Geburt des Erlösers verkünden. Ich freue mich über die Klugheit der Weisen, die dem Stern folgten, um das Kind zu sehen, und dann einen anderen Weg nach Hause nahmen und König Herodes Jesu Aufenthaltsort nicht verrieten. Diese Beschäftigung mit der Geschichte von Jesu Geburt erfüllt mich mit Dankbarkeit und Freude. Doch einmal wurde mir bewusst, dass ich vor allem der menschlichen Geschichte von Jesus Aufmerksamkeit widmete und den Christus vernachlässigte. Das ging nun wirklich nicht!
Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, schreibt: „Jesus als des Menschen Sohn war menschlich, Christus als Sohn Gottes war göttlich“ (Vermischte Schriften 1883–1896, S. 63), und in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift erklärt sie (S. 333): „Christus drückt Gottes geistige, ewige Natur aus. Der Name ist gleichbedeutend mit Messias und bezieht sich auf die Geistigkeit, die in dem Leben, das Christus Jesus verkörperte, gelehrt, veranschaulicht und demonstriert wurde.“ Christus war der Titel, der Jesus verliehen wurde, und ich verstand, dass ich mich intensiver mit der zeitlosen Natur Christi beschäftigen musste.
Da Johannes der Täufer das Kommen des Christus prophezeit und verkündet hatte, beschloss ich, mich mit drei Begegnungen zwischen Johannes und Christus Jesus zu befassen. Ich hoffte, Christus durch die Augen von Johannes dem Täufer daraus klarer zu sehen. Mrs. Eddy schrieb in Vermischte Schriften (S. 82): „Christen, wie Johannes, erkennen die Sinnbilder Gottes, finden zu dem festen Grund aller Zeit, stehen am Gestade der Ewigkeit und erfassen und gewinnen in aller Herrlichkeit, was kein Auge gesehen hat.“
Dankbare Freude
Johannes „begegnete“ Jesus noch vor der Geburt. Als Maria mit Jesus schwanger war, besuchte sie ihre Cousine Elisabeth, die ebenfalls ein Kind erwartete, und zwar Johannes den Täufer, wie er später genannt wurde. Maria betrat das Haus ihrer Cousine und „begrüßte Elisabeth. Und es geschah, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Und Elisabeth wurde mit Heiligem Geist erfüllt und rief laut: ‚... Sieh, als die Stimme deines Grußes in meine Ohren drang, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib‘“ (Lukas 1:40–42, 44).
Diese Stelle impliziert, dass Johannes der Täufer den Christus erkannt hat, und zwar nicht mit den materiellen Sinnen, sondern mit geistiger Intuition. Die frohe Botschaft von Weihnachten nimmt mit der Ankunft Jesu Christi ihren Anfang. Johannes zeigt uns, wie wir auf die Ankunft des Christus in unserem Leben reagieren sollten: mit dankbarer Freude. Jeder Tag wird ein Weihnachtstag, wenn wir ein mit Christus erfülltes Bewusstsein begrüßen und akzeptieren. Wenn das Licht des Christus in unserem Denken abwesend zu sein scheint, können uns unsere Tage beschwerlich und frustrierend erscheinen.
Während der Weihnachtszeit ist es vorgekommen, dass ich mehr an das Bewirten von Gästen aus dem Freundes- und Familienkreis gedacht habe als dem Christus Aufmerksamkeit zu widmen. Und meine To-do-Liste vereinnahmte mein Denken, weshalb ich dann häufig gedacht habe: „Ich bin so froh, wenn das alles erledigt ist.“ Und doch ist göttliche Freude unendlich und unveränderlich, und sie hängt definitiv nicht von menschlichen Umständen ab. Wenn ich mein Denken den ganzen Tag an Christus, Wahrheit, orientiere, durchläuft meine Freude keinen metaphorischen Tidehub, sondern „wie ein Quell sprudelt Freude, froh in mir“ (Christian Science Hymnal: Hymns 430–603 [Liederbuch der Christlichen Wissenschaft: Lieder 460–603] Lied Nr. 508, Übers. © CSBD).
Eine Art und Weise, auf die ich während der Weihnachtszeit an der Freude teilhabe, ist, innezuhalten und zu wissen, dass der Christus schon da ist, wenn ich ein Geschäft betrete. Falls ich meine, unzufriedene, gestresste oder genervte Personen um mich zu sehen, pausiere ich und bekräftige still Gottes Botschaft der Liebe zur Menschheit. Wenn wir das friedvolle Bewusstsein des Christus fühlen, werden alle gesegnet.
Geistige Liebe
Die Bibel berichtet, dass Christus Jesus und Johannes der Täufer sich Jahre später in der Wüste begegnen. Johannes tauft, predigt und ebnet den Weg für Jesus und seine Botschaft. Als Johannes Jesus auf sich zukommen sieht, ruft er aus (Johannes 1:29): „Seht, das ist Gottes Lamm, das die Sünde der Welt wegnimmt!“ Wieder einmal erkennt Johannes Christus Jesus und seine Mission sehr klar.
In Wissenschaft und Gesundheit (S. 590) wird Lamm Gottes unter anderem als „die geistige Idee der Liebe“ definiert. Geistige Liebe erkennt Gott als die Quelle und den Mittelpunkt an. Mrs. Eddy schreibt in ihrer Botschaft an die Mutterkirche für 1902 (S. 8–9): „Durch geistige Liebe wird sich der Mensch der Tatsache bewusst, dass Gott sein Vater ist, und das Bewusstsein von Gott als Liebe gibt dem Menschen Kraft zu unbegrenzter Entfaltung.“ Christus Jesus demonstrierte diese selbstlose Liebe, die Gott Vorrang gibt.
Da menschliche Liebe von Menschen generiert zu sein scheint und nicht von Gott ausgeht, kann sie sich in persönlichen Sinn und Besitzgier verstricken. Menschliche Liebe fühlt sich unter Umständen begrenzt und einengend an. Sie wird als „meine“ oder „deine“ Liebe bezeichnet. Sie kann auch an Bedingungen geknüpft sein oder versagen. Man verbindet sie mit Worten wie wenn, falls, bis und wann immer und geht davon aus, dass Liebe einen Anfang und ein Ende hat.
Christus Jesus durchbrach die Grenzen einer eingeschränkten, persönlichen Liebe, als er uns anwies (Matthäus 5:44, 45): „Liebt eure Feinde, segnet, die euch fluchen, tut denen Gutes, die euch hassen, betet für die, die euch beleidigen und verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel seid; denn er lässt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und lässt es regnen über die Gerechten und die Ungerechten.“ Geistige Liebe ist universal und schließt alle ein.
Weihnachten ist eine wundervolle Zeit, um das Geschenk der geistigen Liebe zu teilen. Ich beginne meinen Tag häufig damit, mich zu fragen, an welcher Stelle ich Gottes Allheit nicht erkenne – wo ich bewusst oder unbewusst einen Mangel an Liebe akzeptiert habe. Bin ich weiter von unsichtbaren Narben der Verletzungen, Undankbarkeit oder Lieblosigkeit der Vergangenheit abgelenkt? Trage ich einer Person meines Freundes- und Familienkreises oder der Mitgliedschaft der Kirche etwas nach oder belasten mich schlechte Erinnerungen? Oder schlimmer noch: Hege ich Hassgefühle – bin ich wütend auf jemanden aus Politik oder meinem Umfeld?
Ich habe festgestellt, dass Familienzusammenkünfte harmonischer werden, wenn ich eine persönliche Vorstellung von Liebe loslasse und mich für die göttliche Liebe öffne. Vor einer besonderen Familienfeier nahm ich mir einen Monat lang jeden Tag Zeit, mich im Gebet auf das Ereignis vorzubereiten. Bei meinen Gebeten ging es nicht um die jeweiligen Gäste, sondern ich bekräftigte, dass wir „in christusgleiche Liebe“ eingehüllt sein würden (Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 69, Übers. © CSBD), wodurch sämtliche seelischen Wunden versorgt und wir alle gut gelenkt werden würden.
Unsere Zusammenkunft war von Freude und gegenseitiger Zuneigung erfüllt. Eine Verwandte und ich hatten jahrelang kein Wort miteinander gewechselt, und frühere Begegnungen hatten vielfach zu Tränen geführt. In dem Moment, wo wir uns sahen, umarmte sie mich, und bevor ich wusste, was geschah, erklärte ich, dass ich sie liebe. Das war der Christus, der uns beide in Liebe einhüllte! Unsere Beziehung war augenblicklich geheilt, und seitdem schätzen wir einander offen und ehrlich. Liebe ist in der Tat „das universale Lösungsmittel“ (Wissenschaft und Gesundheit, S. 242).
Göttliches Heilen
Die letzte Begegnung zwischen Johannes dem Täufer und Jesus fand über Dritte statt. Johannes sandte zwei seiner Jünger zu Jesus mit der Frage: „Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?“ (Lukas 7:19). Diese Frage von Johannes mag uns überraschen. Wie konnte er erst Jesus als Gottes Lamm bezeichnen und jetzt eine Bestätigung brauchen, dass Jesus der verheißene Messias war?
Johannes stellte diese Frage vom Gefängnis aus. Ist es möglich, dass er sich ausgeschlossen, vergessen und schlecht informiert fühlte? Ich weiß, dass ich in meinen schlimmsten Augenblicken – wenn ich glaubte, von einengenden Gedanken gefesselt zu sein – gelegentlich vorübergehend die Hoffnung verloren habe. Ist das nicht genau der Augenblick, in dem sich Zweifel einschleichen?
Jesu machtvolle Antwort, die er durch Johannes’ Botschafter überbringen ließ, zeigt, dass er nicht eingeschüchtert war. In Wissenschaft und Gesundheit wird seine Antwort folgendermaßen wiedergegeben (S. 27): „Jesus sandte Johannes dem Täufer eine Botschaft, die zweifelsfrei beweisen sollte, dass der Christus gekommen war: ‚Geht hin und sagt Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein, die Tauben hören, die Toten stehen auf, den Armen wird das Evangelium gepredigt.‘ Mit anderen Worten: Berichtet Johannes, was die Demonstration der göttlichen Kraft ist, und er wird sofort erkennen, dass Gott die Kraft in dem messianischen Werk ist.“ Göttliches Heilen ist ein klarer Hinweis auf den Christus, die wahre Idee Gottes.
Wenn wir meinen, unfähig zu sein, Heilungen zu vollbringen, dann wenden wir uns vom Christus ab. Weihnachten ist eine wundervolle Zeit, Heilung wertzuschätzen und zu demonstrieren – zu wissen, dass Christus immer gegenwärtig und wirksam ist. Mrs. Eddy bemerkte (Die Erste Kirche Christi, Wissenschaftler, und Verschiedenes, S. 260): „Der wahre Geist der Weihnacht hebt die Heilkunde in den Bereich des Gemüts empor; er treibt Übel aus, heilt die Kranken, weckt die schlummernden Fähigkeiten, ist jeder Lage gewachsen und versorgt den Menschen mit allem, was ihm nottut.“
Einmal habe ich diese Ideen über das Heilen ein paar Tage nachdem unsere Familie Weihnachten gefeiert hat in die Tat umgesetzt. Mein Sohn, der damals ein Teenager war, sollte am nächsten Morgen eine Reise antreten. Als er sich bettfertig machte, fühlte er sich schnell zunehmend krank. Er legte sich ins Bett, konnte aber nicht zur Ruhe kommen.
Ich setzte mich neben ihn, um ihm Trost zu spenden, und fing an, die wöchentliche Bibellektionen aus dem Vierteljahresheft der Christlichen Wissenschaft zu lesen. Der rote Faden, der sich durch die Lektion jener Woche zog, war Herrschaft, und beim Lesen wuchs mein Vertrauen in die Macht und Fähigkeit unseres Vater-Mutter-Gottes, meinen – Seinen – Sohn zu versorgen. Nachdem ich erfolglos versucht hatte, einen Praktiker der Christlichen Wissenschaft zu erreichen, erkannte ich, dass der Christus, Wahrheit, gegenwärtig war, und das war alles, was wir brauchten, um uns der Herausforderung zuversichtlich zu stellen.
Ich betete still und bat Gott um Führung. Dann kam mir der Gedanke, meinem Sohn aus dem Buch Ein Jahrhundert christlich-wissenschaftlichen Heilens vorzulesen, das von der Verlagsgesellschaft der Christlichen Wissenschaft herausgegeben wurde und in vielen Leseräumen der Christlichen Wissenschaft erhältlich ist. Ich hatte jahrelang nicht in dieses Buch geschaut, holte es jetzt aber aus dem Regal und fing an, meinem Sohn Zeugnisse vorzulesen. Schon bald schlief er friedlich ein.
Als er früh am nächsten Morgen aufwachte, ging es ihm gut. Er packte schnell seine Sachen und war startbereit. Auf dem Weg zum Flughafen fragte ich ihn, ob ihm irgendwelche Zeugnisse, die ich ihm vorgelesen hatte, in Erinnerung geblieben waren. Er antwortete: „Nicht wirklich. Ich weiß nur noch, dass ich mich geborgen fühlte.“ Seine Reise verlief wundervoll.
Die Beschäftigung mit den Begegnungen zwischen Johannes dem Täufer und Jesus hat meinen Blick auf Christus Jesus geschärft und weiter vervollständigt. Ich verstehe sehr klar, dass Jesus „untrennbar von Christus“ ist (Wissenschaft und Gesundheit, S. 482), und werde Jesu selbstloses Beispiel auch weiterhin verehren und anerkennen. Und dank Johannes dem Täufer habe ich jetzt ein reicheres Verständnis davon, was genau wir zu Weihnachten feiern.
