Worin besteht des Menschen Verwandtschaft mit Gott? Steht er in demselben Verhältnis zu seinem Schöpfer wie er es tat, als Gott den Menschen nach Seinem Bilde, in Seinem Ebenbilde erschuf, oder hat sich dies Verhältnis verändert? Wenn dies so ist, was hat es verändert? Ist der Mensch von seinem hohen Standpunkt gefallen? Hat er sein ihm von Gott gegebenes Erbteil verloren? Kann er das wieder erlangen, was einmal verloren gegangen ist? Wird er jemals vollkommen sein, gleichwie sein Vater im Himmel vollkommen ist?
Wesentlichere Lebensfragen als diese sind niemals gefragt worden. Sie haben sowohl mit der Gegenwart als mit der Zukunft des menschlichen Wohlseins zu tun. Des Menschen gegenwärtiger Erfolg oder Mangel an Erfolg im Bewirken seines Heils hängt größtenteils, wenn nicht ganz von der Art und Weise ab, auf welche ihm diese Fragen beantwortet worden sind, oder er sie sich selber beantwortet hat. Die Antwort dieser Fragen bestimmt seinen gegenwärtigen Zustand sowohl als seine Hoffnung für die Zukunft. Seine Bemühung, einen höheren, mehr harmonischen Gemütszustand in dieser Welt zu erreichen, steht im Verhältnis zu seiner Hoffnung auf Erfolg. Wenn er wenig hofft, wird sein Streben gering sein, erwartet er aber viel, wird er demgemäß handeln und streben.
Der zu Grunde liegende Irrtum des menschlichen Daseins ist der Glaube, daß der Mensch ein Bewußtsein völlig von Gott getrennt habe, daß er eine Intelligenz und ein Leben besitze, das nicht von Gott kommt, mittelst welcher er befähigt sei, nach seiner eigenen Willkür zu handeln und zu tun. Seinem Sinne nach scheint er sich in seiner eigenen Planetenbahn zu drehen und ganz von seinem Schöpfer unabhängig zu existieren. Sein Sinn vom Dasein scheint so gänzlich von Gott getrennt, daß er manchmal zweifelt, ob es einen Gott gibt.
Weil er im stände zu sein scheint, so viel aus eigener Kraft und durch die Ausübung seiner eigenen Intelligenz zu tun, ist er nicht willig einzugestehen, daß er aus sich selber nichts tun kann. Er ist nicht bereit, die Lehren der heiligen Schrift anzunehmen, nämlich, daß der Mensch lebt und webt und sein ganzes Sein in Gott hat, und daß alles, was er ist und hat von Gott kommt.
Der sterbliche Mensch begnügt sich damit, an seine eigene Macht, seine eigenen Taten zu glauben, und solange er scheinbar aus eigener Kraft erfolgreich ist, fühlt er kein Bedürfnis, sich an Gott um Hilfe zu wenden. Sein Hauptwunsch ist, das zu tun, was er will und nach seinem Begriff für gut hält. Er strebt danach, der Welt den Gedanken seiner Größe, seiner Kraft und seiner Intelligenz einzuprägen.
Diese falsche Anschauung vom menschlichen Sein erklärt fortwährend in Gedanken und Taten, wenn nicht in Worten, daß der Mensch von Gott unabhängig existiert, denkt und handelt. Während man zugibt, daß die Menschheit im universellen, allgemeinen Sinne von Gott abhängt, glaubt man doch, daß die Gedanken und Handlungen des einzelnen, individuellen Menschen in ihm selber ihren Ursprung haben, daß er allein für sie verantwortlich sei und für alles, was vollbracht worden ist, allein Lobeserhebungen verdient.
Somit sind die Sterblichen zufrieden, ihren eigenen Neigungen zu folgen, in ihrer eigenen Kraft frohlockend, bis dieser falsche Begriff von Intelligenz, Macht und Leben anfängt fehlzuschlagen; dann fragen sie in allem Ernst: Was ist Gott und was ist des Menschen Verhältnis zu ihm? Durch bittere Erfahrungen lernen sie höher hinauf, außerhalb ihres eigenen Selbst, zu blicken. Obgleich sie früher geglaubt hatten, daß sie in sich selber alles zum Erfolg nötige besäßen, verwirklichen sie sich nun, daß viel mehr Mißerfolg als Erfolg das Resultat ihrer besten Bemühungen gewesen war.
Diese Erfahrung ist ein großes Erwachen, das eine Revolution, eine wunderbare Umwandlung in Gedanken und Leben hervorbringt. Der Mensch wendet sich an Gott um Hilfe und sein Streben ist nicht vergebens. Der Kampf mag länger oder kürzer sein, aber in dem Grade, wie das Sterbliche und Materielle dem Geistigen und Unsterblichen weicht, findet der Mensch, daß Gott seine wirkungsvolle Hilfe zu allen Zeiten und auf allen Wegen ist.
Alle irdischen Disharmonien sind direkt auf den falschen Begriff von des Menschen Ursprung und Verwandtschaft mit Gott hinzuleiten. Sünde und Krankheit, selbst der Tod, sind der Auswuchs dieser Illusion, nämlich: daß der Mensch von Gott getrennte Intelligenz und Leben hat; wenn dies wahr ist, dann ist das eine unfehlbare Mittel für alle Erdenmängel zu lernen, nämlich: daß Gott allein dem Menschen Intelligenz und Leben gibt, ja, daß er des Menschen Leben und Intelligenz ist.
Keiner zweifelt, daß der Welt größter Lehrer des Menschen Verwandtschaft mit Gott verstand. Dieses Verständnis befähigte ihn mit Autorität zu sprechen, und er bewies die Wahrheit seiner Worte durch die Macht seiner Taten. Als er von des Menschen ewiger Individualität sprach, sagte er: „Ich und der Vater sind, eins!” „Ehe denn Abraham ward, bin Ich!”
“Science and Health with Key to the Scriptures,” von Mary Baker G. Eddy, erklärt: „Jesus sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen, der ihm erschien, wo den Sterblichen der sündige, sterbliche Mensch erschien. In diesem vollkommenen Menschen sah der Erlöser Gottes Ebenbild, und diese korrekte Ansicht vom Menschen heilte den Kranken” (S. 476). Hierdurch wird uns gelehrt, daß das klare Urteil der Tatsache von dem existierenden, ewigen und harmonischen Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen unverändert fortbesteht, denn dies setzte den Meister in den Stand, zu dem Manne mit der verdorrten Hand zu sagen: „Strecke deine Hand aus”; zu dem Aussätzigen: „Ich will’s thun, sei gereiniget,” und zu dem Weibe, welche den Saum seines Kleides berührte: „Sei getrost, meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen!” Zu dem wahrhaft reuigen Sünder sprach er: „Deine Sünden sind dir vergeben,” und der Mann war Physisch und moralisch geheilt. Seine Worte zu der Tochter des Jairus waren: „Mägdlein, ich sage dir, stehe auf!” und sie, die tot war, stand auf und wandelte.
Während der drei Jahre seines Lehramtes heilte er allerlei Krankheiten, zerstörte den Glauben und die Macht der Sünde und weckte die Toten auf. Er sandte erst zwölf Jünger und später siebenzig andere aus, um das Evangelium zu predigen und, wie er es getan, dieselben Beweise von des Menschen Einheit mit Gott zu geben. Daß diese Jünger treue Prediger und erfolgreiche Heiler waren, ist eine anerkannte Tatsache, und nur wenige lebende Personen würden es wagen zu sagen, daß die Welt nicht im vollen Sinne des Wortes besser sein würde, wenn die Christen heute denselben praktischen Glauben an Gottes Liebe und Macht übten. Selbst diejenigen, die meinen, daß solche wunderbaren Werke nicht länger möglich seien, werden zugeben, daß wenn Gott in Seiner Weisheit den Glauben wieder herstellen würde, „der einmal den Heiligen übergeben ist,” die ganze Welt dadurch besser werden würde.
Der Glaube der christlichen Welt ist auf die biblischen Berichte vom Leben, den Lehren und Werken Jesu und seiner Jünger gegründet; und werden nicht die Werke für wichtiger angesehen, als die Worte, um zu beweisen, daß Jesus der langersehnte Messias war? Die Welt hatte viele religiöse Lehrer gekannt, aber keiner war im stande, solch überzeugende Beweise zu liefern, daß seine Lehren von Gott wären.
Der praktische Glaube, welcher am Anfang des christlichen Zeitalters offenbart war, verschwand nicht, bis die Welt auf die Ansicht zurückfiel, daß des Menschen Existenz von Gott getrennt sei, und daß er in einer materiellen Welt lebe und durch materielle Gesetze regiert werde. Zweihundert Jahre lang hat dieser Materialismus die Welt in Banden gehalten und das Ringen nach Freiheit durch diesen falschen Begriff von Gott und den Menschen beschränkt.
Da die Zeit erfüllet ward, sandte Gott seinen Boten, um die Wissenschaft von Gott und den Menschen zu erklären, denn diese Wissenschaft der Christenheit oder Christian Science offenbart das Prinzip und die Regel, wodurch der Kranke geheilt und der Sünder bekehrt werden kann. Der lebendige, praktische Glaube der ersten Christen ist wieder gekommen, und diejenigen, die wachen und beten, empfangen seine Segnungen.
Christian Science erklärt, daß des wahren Menschen Verwandtschaft mit Gott sich nicht verändert hat, daß er nicht von seinem hohen Standpunkt gefallen und sogar jetzt so vollkommen wie sein Vater im Himmel ist. Dem sterblichen Sinne scheint es, daß der Mensch das ihm einst von Gott gegebene Erbteil verloren hat, aber Christian Science lehrt, daß der Mensch dies scheinbar verloren gegangene wiedergewinnen kann und wird, indem er den falschen Sinn überwindet, der erklärt, daß der Mensch nicht mehr das Kind Gottes sei, und daß Gott und Mensch nicht im wissenschaftlichen Sinn eins und unzertrennbar sind.
Somit beantwortet Christian Science diese Lebensfragen und zeigt auch, wie ihre wissenschaftlichen Lehren in allen Angelegenheiten des Lebens angewandt werden können und müssen. Das Textbuch der Christian Science erklärt: „Die wissenschaftliche Einheit, die zwischen Gott und Menschen existiert, muß in Lebenspraxis bewirkt werden, und Gottes Wille muß allgemein getan werden” (Science and Health, S. 202).
Das Ausarbeiten dieses wissenschaftlichen Einsseins, das die ewige Wahrheit des menschlichen Seins ist, hebt schwere Lasten, zerstreut die dunklen Wolken und bringt die „Freiheit der Kinder Gottes” in menschliche Erfahrung. Die Freude und Freiheit eines harmonischen Wesens wird des Menschen vollbewußter Besitz, wenn er seine wahre Verwandtschaft mit Gott in Christian Science lernt. Die Kranken sind von hoffnungsloser Unfähigkeit und Schwäche errettet, Sünder werden von ihrem Glauben an das Vergnügen und die Macht der Sünde befreit, der Entmutigte und Gebrochene wird mit Hoffnung und Glauben begeistert und unzählbare Segnungen beweisen die Güte und Macht Gottes.
Der Sünder ist ein Sünder, weil er an die Freuden und Macht der Sünde glaubt und seine Verwandtschaft mit Gott, dem unendlichen Guten, nicht kennt. Sobald der Mensch nur einmal erkennt, daß sein wahres Sein unzertrennbar vom Guten ist, daß er wirklich nur er selber ist, insofern er gut und reinen Herzens ist, dann wird er sich gern von der Sünde abwenden. Die Güte Gottes wird ihn zur Reue führen, und das ihn von einer falschen Existenz errettende Erwachen wird ihn unendlich glücklich machen. Dann wird er erkennen, wie der alte Mensch (der falsche Sinn des Menschen) mit seinen Taten abgelegt werden muß. Dann wird er sehen, daß Sünde sowenig ein Teil seines wahren Seins ist, wie der nächtliche Traum ein wirklicher und wesentlicher Teil seines irdischen Lebens ist.
Wenn er nun überzeugt ist, daß die Sünde nicht sein Erbteil und daß sie nicht ein Teil des wahren Menschen ist, wird sich sein ganzes Wesen gegen den falschen Sinn der Existenz, der ihn zum Sünder machen wollte, auflehnen. Begeistert von dem Gedanken, daß Gott mit ihm eine Übermacht ist, wird er im Namen des Herrn ausziehen, um den Goliath der Sünde zu bekämpfen. Die Verwirklichung, daß er ein Kind Gottes ist, daß sein wahres Sein unzertrennbar von seinem himmlischen Vater ist, wird von ihm die Furcht nehmen, ihm Mut und Überzeugung geben und ihn weise machen, dem Bösen einen wirkungsvollen Schlag zu versetzen.
Wie viele Sterbliche haben es in Verzweiflung aufgegeben, weil sie sich im Kampf mit der Sünde gänzlich hilflos fühlten. Christian Science hat Tausenden solcher Verzweifelten Hoffnung und Mut gebracht. Sie haben erkennen gelernt, daß der Kampf nicht vergebens ist, daß der Mensch ein Kind Gottes ist, und daß keine Macht im stande ist, der Kraft der Allmacht zu widerstehen. Mit frischer Stärke und Mut ziehen sie dann aus, um einen erfolgreichen Krieg zu wagen; selbst wenn ihrem Banner nicht sogleich der Sieg gegeben ist, geben sie’s doch nicht in Verzweiflung auf, denn sie sind fest von der endlichen Übermacht der Wahrheit überzeugt, und gerade diese Überzeugung verkürzt den Kampf und bringt den Erfolg.
Wenn man Furcht vor dem Mißlingen hat, arbeitet man nur mit halbem Mut, man tut nicht sein Bestes und tut die Arbeit nicht so gut, wie man wohl könnte, ja oft wenn man dem Erfolg so nahe ist, gibt man es in Verzweiflung auf, wenn man den endgültigen Schlag nicht fällt.
Wenn man den Menschen überzeugt, daß er schon jetzt ein Kind Gottes ist, daß sein wahres Sein nicht von Gott getrennt sein kann, hat er positive Versicherung des Erfolges. Er sieht, daß der Kampf nicht gegen das, was wirklich ist, sondern gegen das Unwirkliche gewagt wird. Er mag nicht sofort im stande sein, die Unwirklichkeit des Unwirklichen zu beweisen, aber er sieht, daß dieser Beweis kommen wird und muß und arbeitet gern, geduldig auf seine Belohnung wartend!
Das Verständnis von des Menschen wahrer Verwandschaft mit Gott, wie sie Christian Science erklärt, gibt nicht mir Macht und Stärke den Forderungen der Sünde zu widerstehen, sondern ist ebenso wirkungsvoll im Überwinden von Krankheiten. So wie der sterbliche Mensch ein Sünder ist, weil er an die Macht und Wirklichkeit der Sünde glaubt, ist er gleichfalls ein Leidender, weil er an die Macht und Wirklichkeit der Krankheit glaubt, und dieser Glaube hat wieder seinen Ursprung in dem falschen Begriff von des Menschen Verhältnis zu Gott; und das Verständnis von dem was seine wahre und immerwährende Verwandtschaft mit seinem himmlischen Vater ausmacht, heilt ihn von Krankheit auf dieselbe Weise und gerade so wirkungsvoll wie es ihn von Sünde errettet. In beiden Fällen und aus demselben Grunde gibt es ihm Hoffnung, Mut und Überzeugung vom schließlichen Erfolg.
Die Furcht vor einem verhängnisvollen Ende der Krankheit hat mehr Macht, das Gefürchtete zu bringen, als die Krankheit selber hat. Der Mensch lernt in Christian Science, daß Krankheit kein Teil seines wahren Seins ist, daß sie nicht von Gott kommt, und daß kein Gesetz Gottes sie unterstützt oder möglich macht. Dies befähigt ihn, den Forderungen der Krankheit zu widerstehen und sie nicht als Wirklichkeit, sondern Unwirklichkeit anzusehen und furchtlos, voll Mut und Hoffnung kann er die Wirkungen des Irrtums entfernen. Eine große Anzahl derartig geheilter Krankheitsfälle während des letzten Viertel-Jahrhunderts geben zuverlässiges Zeugnis ab, daß diese Anwendung erfolgreich gewesen ist, wo andere Methoden fehlgeschlagen haben.
Die Wahrheit und der praktische Wert von den Lehren der Christian Science in bezug auf Gott und den Menschen ist somit durch die schnell sich vermehrenden Fälle physischer und moralischer Heilungen bewiesen worden. Diese Fälle zeigen, daß ihre Lehren etwas mehr als bloße Theorien sind, denn sie bringen unmittelbare Resultate hervor. Endlose Argumente lassen sich aufstellen, ob eine besondere Theorie praktisch sei, ob sie gewisse Resultate oder gerade das Entgegengesetzte erzeugen werde, ist aber eine Theorie auf die Probe gestellt worden, und hat man gefunden, daß sie alle Erwartungen, ja noch mehr, erfüllt hat, dann kann sie nicht länger angezweifelt werden. Die Resultate sind sicher, und das Einzige, was denen übrig bleibt, die die Segnungen der neuen Lehre erfahren möchten, ist, das Verständnis für sie zu erlangen, und sie dann praktisch zu üben.
Diese Stellung nimmt Christian Science heute in der Welt ein. Ihre Lehren sind genau geprüft und an nichts mangelnd gefunden worden. Das Textbuch dieser Wissenschaft ist für alle erreichbar, die für sich selber zu wissen wünschen, ob die Lehren von Gott sind. Für alle die werden die Worte des Meisters von voller Bedeutung sein: „So jemand will des Willen thun, der wird innewerden, ob diese Lehre von Gott sei, oder ob Ich von mir selbst rede.”
Auf diejenigen, die die Segnungen der Christian Science dankbar empfangen haben, macht das Verständnis von der wahren Verwandtschaft des Menschen mit Gott einen tiefen Eindruck, und sie erkennen, daß jeder Gedanke, jedes Wort und jede Tat hiervon begeistert sein und sich in allen Angelegenheiten des Lebens fühlbar machen sollte. Sowohl die Geschäftswelt als die gesellige Verkehrswelt sollte ihre wohltuende Berührung fühlen und dem Rufe der Wahrheit Folge leisten: „Steige höher hinauf, bringe mehr von der ewigen Wahrheit in deinem jetzigen Begriff des Seins hervor!”
Es ist allgemein erkannt, daß eine weit verbreitete Gleichgültigkeit gegen den echten praktischen Wert wahrer Christenheit in Angelegenheiten des täglichen Lebens herrscht, und häufig erwachen selbst die christlichen Leute erst dann, wenn Disharmonie vorwiegend zu sein scheint, zu der Tatsache, daß zur Herstellung völliger Harmonie alle Lebensangelegenheiten von einer christlichen Grundlage aus vollbracht werden müssen. Fehlschläge, Enttäuschungen und Befürchtungen bringen den sterblichen Menschen zu einer vollständigen Hülflosigkeit, und dann bewahrheitet es sich, daß „wenn die Not am größten ist, ist Gottes Hülfe am nächsten.”
Diese bitteren, eine notwendige Lehre enthaltenden Erfahrungen, sind das Resultat des Versuches, von einer falschen Grundlage aus zu arbeiten. Ein Mensch braucht aber nicht notwendigerweise den verkehrten Weg bis ans Ende reisen, bevor er seine Schritte zurücklenken kann, denn zu jeder Zeit seiner Erfahrung ist es möglich, zur Erkenntnis seiner gegenwärtigen, falschen Richtung zu kommen und einzusehen, daß er sich mit Gottes Hilfe davon abwenden kann und dadurch der Strafe für das unrechte Handeln entgehen. Zu jeder Zeit mag er sich wenigstens in einem gewissen Grade seiner Verwandtschaft mit Gott bewußt werden und dies Bewußtsein wird für ihn eine gegenwärtige Errettung werden, denn er wird finden, daß dies die Wahrheit ist, die ihn wirklich frei macht.
Disharmonie und Leiden, die von dem falschen Begriff von Gott und Menschen und dem wahren Verhältnis zwischen beiden kommen, werden nicht mehr als Schicksalsfügungen oder als Bestimmungen des göttlichen Willens angesehen, sondern als positive Beweise, daß Gottes Wille in betreff des Menschen in menschlichen Erfahrungen nicht verwirklicht worden ist. Wenn geistiges Verständnis die sterblichen Ansichten verscheucht, und der menschliche Wille sich im bereitwilligen Gehorsam dem Göttlichen fügt, wird der Mensch gewahr, wie er absolut von seinem Schöpfer abhängig ist, und durch diese Verwirklichung wird er gewissermaßen dauernd erfolgreich sein, wie er es niemals vorher, selbst nicht in seinen Träumen, für möglich gehalten. Er wird sehen, daß das unendliche Gute eng mit all den Angelegenheiten des Lebens verbunden ist, und daß das Gesetz des Guten verstanden und befolgt werden muß. Er wird mehr Erfolg haben, weil er sich weniger vor dem Mißlingen fürchtet. Er wird sehen, daß Gottes Versprechen an Israel, „Wollt ihr mir gehorchen, so sollt ihr des Landes Gut genießen,” auch an ihn und die ganze Menschheit gerichtet ist.
Von unendlicher Intelligenz geleitet, wird der Gedanke ihn begeistern, daß er von Gott berufen ist, seinen ihm in dieser Welt angewiesenen Platz auszufüllen; es macht nichts, wie bescheiden dieser Platz dem sterblichen Sinne nach sein mag, er wird seine Arbeit uneigennützig verrichten und wird kein Verlangen tragen eines anderen Platz einzunehmen und nicht versuchen, die Arbeit seines Nebenmenschen in irgend einer Weise zu stören. Er wird aufhören, Erfolg nach dem Urteile der Welt zu messen und wird ein „recht Gericht richten.” Er wird die Bemühungen als die erfolgreichsten ansehen, aus denen das meiste Gute für die Menschheit hervorgeht, das am meisten vom Himmel auf die Erde bringt. Die Verwirklichung, daß er aus sich selbst nichts tun kann, aber alles sehr gut mit Gottes Hilfe; wird ihn zu einem besseren Freund und Verwandten, einem brauchbareren Bürger und einem wünschenswerteren Mitglied der Gesellschaft machen. In allen Dingen wird er gewissenhafte Rechenschaft von seinem Dienst ablegen und empfangen, was er verdient hat.
Hieraus ersehen wir, daß das Verständnis von des Menschen Verwandtschaft mit Gott, wie es Christian Science klar gelegt hat, weitreichend in seinen Wirkungen ist. Alles, was zum menschlichen Sinn des Lebens gehört, wird den Einfluß fühlen. Durch heiligen Dienst werden die Kranken geheilt, selbst wenn alle materiellen Mittel fehlschlugen. Die Sünder werden bekehrt und wenden sich gern und willig von der Sünde, denn sie haben eingesehen, daß Sünde kein Vergnügen, keinen Vorteil oder Gewinn bringt. Der Geschäftsmann lernt, daß es sogar in Geschäftsangelegenheiten möglich ist, ein praktischer Christ zu sein, und daß sein Geschäft nicht darunter leidet. Die Interessen des Geschäftsführers und des Angestellten werden dieselben sein, und wenn der Geist der Wahrheit herrscht, wird mehr Harmonie und größerer Wohlstand von beiden verwirklicht werden.
Wir könnten noch viele Weisen aufzählen, in denen die Menschheit gesegnet werden würde, wenn sie die Lehre annehmen und praktisch anwenden würde, nämlich: daß in Christian Science des Menschen Verhältnis zu Gott unverändert bleibt, daß er noch das Kind seines himmlischen Vaters ist und als solches nicht von seinem hohen Standpunkt gefallen, sondern noch jetzt im Besitz des ewigen Lebens und himmlischer Freuden ist. Selbst wenn er nur den schwächsten Schimmer von der Wahrheit seines Seins empfangen hat, ruft er mit dem Psalmisten aus: „Ich will schauen dein Antlitz in Gerechtigkeit; ich will satt werden, wenn ich erwache, an deinem Bilde.”
Indem er sich gewissermaßen das große Werk verwirklicht, das nötig ist, bevor er sich als Gottes Kind frei von allen Vorstellungen von Krankheit, Sünde und Tod kennt, spricht er wie Paulus: „Ich schätze mich selbst noch nicht, daß ich’s ergriffen habe. Eines aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, das da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu.” Mit dem hohen Ziel im Auge und der Versicherung eines endlichen Erfolgs geht er vorwärts. Die Dinge, die seinen Fortschritt hindern möchten, begeistern ihn nur zu größerer Anstrengung, und dadurch werden natürlich größere Siege errungen.
Christian Science gibt dem Menschen ein hohes Ideal und lehrt ihn, daß er dies Ideal für sich allein ausarbeiten muß. Während es heißt, daß der Mensch in Christian Science alle Dinge besitzt, gibt dies keinen Grund zur Hoffnung, daß er in den Besitz ewiger Dinge gelangen wird, bevor er das Gesetz Gottes verstanden und befolgt hat. So lange der Mensch glaubt, daß der falsche materielle Sinn der Existenz die gegenwärtige Wirklichkeit seines Seins ist, wird es ihm nicht möglich sein, die Freuden und Harmonien des ewigen Lebens zu erkennen.
Jesus sagte: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch.” Christian Science lehrt, daß dies Himmelreich im Innern nur erreicht werden kann, indem man sich in jedem Gedanken, Wort und Tat den genauen Anforderungen der göttlichen Wissenschaft unterwirft. Nur dann empfängt der Mensch eine gegenwärtige Belohnung und lernt aus Erfahrung, daß er ohne Gott nichts ist, aber mit Gott alle Dinge besitzt. Dann hält er nicht mehr an einer falschen Lebensanschauung fest, sondern nimmt gern die wahre an. Sein Fortschritt himmelwärts ist göttlich natürlich und er dankt Gott jeden Tag für Christian Science, frohlockend, daß es ihm erlaubt ist, das Wasser des Lebens umsonst zu nehmen. Er ist dankbar für empfangene Segnungen und strebt täglich ernster darnach, die Wahrheit von des Menschen ewigen Seins zu ergründen und darnach zu leben.
Hierin war mein Vater gottgleich, daß er augenblicklich verzieh, wenn es etwas zu verzeihen gab; denn konnte es einen geeigneteren Augenblick geben, obwohl der Mensch, dem er verziehen, es nicht wissen konnte, bis er um Verzeihung bat?
Copyright, 1904, by Mary Baker G. Eddy.
Verlagsrecht im Jahre 1904 von Mary Baker G. Eddy.
