San Francisco, 26. Febr. 1902.
Lieber Freund E. — Ich habe Ihren Brief vom 2ten Februar erhalten und ich ersehe daraus, daß Sie mich bitten, Ihnen mitzuteilen, wie ich dazu kam, an die Christian Science zu glauben. Ich sehe auch, daß Sie überrascht sind, daß ein praktischer Geschäftsmann daran glauben kann. Gleichzeitig sagen Sie, daß Sie sich mit diesem Gegenstand noch nicht beschäftigt haben, daß Sie aber in dieser Zeit der neuen Enthüllungen nicht willens sind irgend etwas zu verspotten, sondern etwas darüber wissen möchten, in der Absicht selbst zu prüfen.
Gestatten Sie mir, indem ich Ihren Brief und die darin enthaltenen Fragen beantworte, dies von einem vernünftigen, praktischen Standpunkt aus zu tun. Gestatten Sie mir ebenfalls Ihnen zu danken für die freundlichen Worte, die Sie in Ihrem Briefe aussprechen, indem Sie sagen, daß Sie, weil Sie mich persönlich kennen, bereit sind anzuerkennen, daß etwas daran sein muß, da ich diese Sache sonst weder befürworten, noch an sie glauben würde. Lassen Sie mich indessen sagen, daß ich Sie nicht veranlassen möchte meine Ideen anzunehmen, sondern selbst zu forschen und dann zu tun, was Ihnen das Beste dünkt, nachdem Sie Ihre eigene Vernunft zufrieden gestellt haben. Auf diesem Wege allein kam ich dazu an das Prinzip der Christian Science zu glauben — nachdem ich sie mehrere Jahre in meiner Familie bekämpft hatte und mich mehr oder weniger feindlich dazu stellte, obgleich ich gestehen muß, daß ich mich zu der Zeit noch nicht damit beschäftigt hatte, mich auch weigerte es zu tun, sondern daß nichts als Eigensinn mich dazu trieb, sie in jeder Weise lächerlich zu machen und zu kritisieren. Das Sonderbare war, daß ich nicht umhin konnte positive Erfolge in meiner eigenen Familie zu sehen. Meine Frau war durch die Christian Science geheilt worden, nachdem sie mehrere Jahre eine unheilbare Kranke gewesen war. Die Ärzte, unter denen sich meine besten Freunde befanden, hatten ihre Meinung dahin abgegeben, daß sie, so lange sie lebte, eine unheilbare Kranke sein würde, wenn nicht eine gewisse große Operation gemacht würde. Fünf Monate Behandlung durch die Christian Science bewirkte eine vollständige Heilung, sehr zur Überraschung der Ärzte, aber wegen meiner wütenden und feindlichen Haltung der Christian Science gegenüber, wurde mir die Ursache der Heilung verheimlicht und einige Zeit später, als sie mir mitgeteilt wurde, weigerte ich mich sie der Christian Science zuzuschreiben, trotzdem einer der Ärzte mir sagte, die Heilung grenze fast ans Wunderbare.
Während mehrerer Jahre war ich persönlich in ärztlicher Behandlung gewesen, da ich an chronischer und akuter Kehlkopfentzündung und Neuralgie litt. Der ersteren wegen mußte ich mich mehreren Operationen im Kehlkopf unterziehen, ich war von einigen der ersten Spezialisten in der Stadt New York und London, Eng., behandelt worden und von fast jedem hervorragenden Kehlkopf Spezialisten dieser Stadt und in Honolulu, H. I., wohin meine Ärzte mich schickten, weil sie glaubten, ich würde etwas Erleichterung durch das Klima dort finden. Bei den neuralgischen Anfällen, die alle paar Wochen eintraten, waren die Kopfschmerzen oft so heftig, daß ich meinen Kopf nicht aufrecht halten konnte, und gezwungen wurde zu Mitteln zu greifen, die je mehr ich sie nahm, desto weniger wirksam waren. Nach meiner Rückkehr von Honolulu, wo ich einige Zeit verbrachte, war ich in einem solchen Zustande, daß die Ärzte während mehrerer Nächte fast jeden Augenblick mein Ende erwarteten.
Endlich, ohne irgend welchen Glauben an die Wirksamkeit der Christian Science, sondern im Gegenteil mit Gefühlen positiver Feindseligkeit, willigte ich ein mich behandeln zu lassen. Ich werde den Augenblick nie vergessen als der Heiler an mein Bett trat. Ich bemerkte ihm, daß ich nichts von der Christian Science wisse und daß wenn er von mir erwarte, daß ich Zuversicht empfände oder daß ich an solchen Unsinn glaube, er mich lieber nicht behandeln solle. Er erwiederte ruhig, daß meine Zuversicht oder mein Glaube nicht notwendig seien und behandelte mich ohne weitere Auseinandersetzungen. Nach seinem Fortgang kam ein so friedliches, ruhiges Gefühl über mich, daß ich nicht umhin konnte zu bemerken, daß ich in meinem ganzen Leben noch nichts Ähnliches empfunden hatte und bald darauf schlief ich ein und hatte eine so ruhige Nacht, wie seit lange nicht. Den nächsten Tag fing ich an „Science and Health“ zu lesen, konnte es aber nicht verstehen; in der Tat, es vergingen über sechs Monate, ehe ich auch nur ein annäherndes Verständnis von dem erlangte, was die Christian Science wirklich ist.
Es mag Ihnen, wie mir merkwürdig erscheinen, daß ich vollständig von meinen neuralgischen Anfällen geheilt wurde und nie wieder Hals-Beschwerden empfand. Obwohl ich mich später behandeln ließ, war es mehr in der Absicht die Furcht auszutreiben, die mich zuweilen bedrückte und um die ruhigen, stillenden Wirkungen der Christian Science zu empfinden, statt der Niedergeschlagenheit, die — nur zu häufig — über mich zu kommen pflegte — wahrscheinlich durch die vielen Leidensjahre, die ich durchgemacht hatte, veranlaßt, wie auch durch die vielen Operationen, Mittel und Arzneien, die ich gebraucht hatte. Da ich an mir selbst die praktischen Erfolge gesehen, wurde ich ein genauer, sorgfältiger Beobachter der Erfahrungen anderer, von denen viele sich nur als letzte Hilfe dieser Behandlung unterzogen und die Erfolge waren derartig, daß ich daraufhin beschloß die Lehre zu erforschen. Da ich wußte, daß alle Philosophen und physischen Scientisten der Welt von der Voraussetzung ausgegangen waren, daß wo eine Wirkung ist auch eine Ursache sein muß, studierte ich in meinen Mußestunden eifrig die Christian Science; entschlossen über jeden vernünftigen Zweifel hinaus die Ursache der Wirkungen, die ich beobachtet hatte, festzustellen.
Ich las das Lehrbuch der Christian Science, „Science and Health,“ wieder und wieder, ebenso die andern Werke Mrs. Eddy’s, wie auch die Literatur, die über diesen Gegenstand von der „Christian Science Publishing Society“ herausgegeben wurde; aber ich war nicht willens ihre Schlußfolgerungen anzunehmen, wenn ich sie nicht in befriedigender Weise von dem Standpunkt des gesunden Menschenverstandes aus durchdenken konnte. Ich war im jüdischen Glauben aufgewachsen und obgleich ich das Heilen als positive Tatsache annahm (denn zum Zweifel blieb kein Raum) so richtete ich beim Erforschen des Gegenstandes zuerst die Frage an mich, ob vom religiösen Standpunkt aus, etwas im Widerspruch zu meiner bisherigen religiösen Erziehung stand. Ich kam zu dem Schluß, daß dieselbe nicht unvereinbar sei mit der Christian Science. Im Gegenteil, meinem Urteil nach, war sie nur die Erfüllung des Judentums und der reinen jüdischen Ethik auf einer geistigeren Grundlage. Jesus, der Gründer des Christentums, als Jude geboren, bewies diese große Wahrheit zum Nutzen der ganzen Menschheit. Diesen Gegenstand vom praktischen Standpunkt aus betrachtend, kam ich zu dem Schluß, daß die erste und höchste Ursache, der eine göttliche Geist die Seele oder Gott sei, der die einzige Wirklichkeit ist — das einzige Prinzip alles dessen, was ist. Wenn wir dies logisch durchdenken, finden wir, daß der göttliche Geist den ganzen Raum erfüllt und unendliches, allmächtiges, allgegenwärtiges Sein ist. Die Christian Science ist die Wissenschaft der Wissenschaften, denn aus diesem allmächtigen Geist ist alle Wissenschaft entstanden und ohne diesen Geist würde so etwas wie Wissenschaft der Menschheit unbekannt sein. Da dieser Geist die einzige höchste Ursache ist, aus der alles entstanden ist und dem alles Gehorsam leisten muß, sollten wir anfangen uns zu vergegenwärtigen, wie weit die Macht des Guten reicht; denn das göttliche Prinzip alles dessen, was ist, kann nur gut sein.
In der Christian Science haben wir die Wissenschaft des Christus, des göttlichen Prinzips, das immer bestanden hat und fortfahren wird zu bestehen, wenn es keine Zeit mehr geben wird. Jesus versuchte den Menschen dies göttliche Prinzip durch seine eigene Geistigkeit verständlich zu machen und sie so zu einer höheren Verwirklichung dieser göttlichen Wahrheit hinzuführen. Wenn wir erkennen können, daß alles im göttlichen Geist oder Prinzip seinen Ursprung hat, so können wir, dann und nur dann, anfangen zu verstehen, was der Meister der Menschheit einzuflößen suchte und was Mrs. Eddy für die Menschheit und für die Welt im allgemeinen getan hat, indem sie uns zeigte, wie wir unser Verständnis dieser Göttlichen Macht anwenden können.
Wir kennen die Wirkungen der Christian Science, denn wir sehen sie auf allen Seiten, aber ihre zahllosen Wohltaten für die Menschheit liegen nicht nur im physischen Heilen durch die vielen Demonstrationen und unzähligen Heilungen, sondern weit mehr erkennen wir ihre Wirkungen in der Art und Weise die Gedanken zu reinigen und die Furcht auszurotten, wie auch ihre vielen, vielen Segnungen — in allen Phasen des Lebens, in Geschäftskreisen — in der geistigen Erhebung, die ihre Anhänger befähigt mit den vielen Rätseln des menschlichen Daseins, die sie im täglichen Leben umgeben, zu kämpfen.
Wenn ich zurückblicke, so erkenne ich, wie töricht ich war, so eigensinnig gewesen zu sein, daß ich diese Wissenschaft nicht schon viel früher zu untersuchen willens war. Ich kann nicht erst anfangen, die vielen Segnungen für mich und die Meinen aufzuzählen, die direkt auf die Christian Science zurückzuführen sind, in deren Erkenntnis ich hoffe täglich vorwärts zu schreiten. Ich finde, daß sie ein tiefes Studium ist, das zu forwährendem Fortschritt in der Erwerbung solcher Erkenntnis befähigt, die mir mehr und mehr nützen wird. Nicht nur ist sie mir von unberechenbarem Nutzen gewesen, was physische Heilung und geistige Erhebung betrifft, sondern auch in meinem Geschäft, das sich, wie Sie wissen, in fast allen Teilen der Welt befindet. Ich kann nicht damit anfangen alle Vorteile der Christian Science auseinander zu setzen; sie hat mir klarere Gedanken gegeben und mich in den Stand gesetzt alle Geschäfts-Probleme, die mir entgegentreten, von einem ganz andern Standpunkt aus zu betrachten als in früheren Jahren.
Schließlich sind, wie Sie in Ihrem Brief an mich sagen, die Enthüllungen und Entdeckungen der letzten Jahre derart gewesen, daß wir es uns nicht länger erlauben dürfen irgend etwas zu verspotten oder anzugreifen besonders wenn die Folgen so sichtbar sind und täglich auf allen Seiten bewiesen werden. Die Christian Science ist, wie viele andere Entdeckungen, noch im Anfang ihrer Entwicklung und wer kann voraussagen welch ein Mittel zum Guten sie für die Menschheit werden wird, wenn die Menschheit die vielen Wohltaten, die daraus folgen, zu empfinden anfangen wird!
Die Menschheit fängt an selbst zu forschen und da sie es tut, wird sie das große Gute erkennen, das dazu dient dies menschliche Dasein zu bereichern und das uns alle moralisch, physisch und geistig besser macht.
Mit herzlichen Empfehlungen bin ich aufrichtig der Ihre