Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Das sogenannte religiöse Denken ist in den letzten Jahren viel freisinniger...

Aus der Februar 1906-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Das sogenannte religiöse Denken ist in den letzten Jahren viel freisinniger geworden und insofern diese Veränderung ein Wachstum an Barmherzigkeit und Rücksicht für die Überzeugungen anderer anzeigt, gibt es Grund zur Dankbarkeit. Das schreckliche Unrecht, das kürzlich den jüdischen Leuten zugefügt wurde, ist ein trauriges Anzeichen von der Frucht der Bigotterie, und obwohl wir von einem Sinne des Entsetzens und der Demütigung berührt sind, daß dieses zwanzigste christliche Jahrhundert durch solche Ereignisse entehrt werden sollte, wäre es für uns alle gut, in uns selber zu der Einsicht zu kommen, daß wir uns nicht von Vorurteilen beherrschen lassen, die weiter nichts als die Sprößlinge des grausamen Hasses und des zügellosen Antagonismus sind. Die Tatsache, daß die große Mehrzahl der christlichen Menschen der Welt durch solche Vorfälle unaussprechlich entrüstet sind, liefert den ermutigenden Beweis, daß das menschliche Denken Fortschritte macht. Obwohl die grausamen Formen religiöser Verfolgung an wenigen Stellen noch vorherrschend sind, obwohl unhöfliche Anführungen über den Glauben anderer und sogar Spott über ehrliche Überzeugungen noch manchmal die Blätter christlicher Zeitschriften verdunkeln, so ist doch der Geist eines edleren Liberalismus im Anrücken und die Möglichkeit einer Wiederholung der unaussprechlichen Beleidigungen in der Religionsgeschichte wird immer mehr entfernt.

In dieser Reaktion der Bigotterie der Vorzeit und des späteren puritanischen Vorurteils sind jedoch viele in den Irrtum verfallen, jede Gedankenabweichung und Lehre willkommen zu heißen. Freisinnigkeit wird aufgefaßt als bedeute es, daß „eine Sache gerade so gut als die andere sei,” daß es wenig Unterschied mache, was wir glauben, wenn wir nur ehrlich in unsern Überzeugungen seien und daß wir nach dem Beispiel der alten Völker, die jedem Gott Einlaß zu ihrem Tempel gewährten, unser Haus für alle Ideen und Philosophien offen haben sollten, ungeachtet ihres Inhalts oder historischen Einflusses. Man hält das Wachen und Unterscheiden in unseren Gedanken für engherzig und nicht fortschrittlich und man behauptet, daß die Zugänglichkeit des heftigen Aufdrängens des sterblichen Sinnes die einzige großmütige Haltung sei, die man bewahren müsse. Diese Form geistiger Gastfreiheit ist äußerst entsittlichend und deren Resultate sind oft unausprechlich betrübend. Der menschliche Geist wird mit einem Gemisch ungeordneter und widerstreitender Meinungen beladen, von denen jeder die Freiheit gegeben ist, ihre Autorität über den umgebenden Pöbel zu behaupten und häufig vermehrt sogar die Güte und Sympathie edler Seelen die Möglichkeit ihnen zum Opfer zu fallen zu „allerlei Wind der Lehre durch Schalkheit der Menschen ... damit,” wie Paulus sagt, „sie uns erschleichen zu verführen.” In der letzten Zeit sind viele vom alten Heim ihrer kindlichen Gedanken durch die Behauptung eines unerträglichen Dogmatismus vertrieben worden und sind in ein Land hoffnungsloser und ertötender Ungewißheit gewandert. Ein falscher Sinn vom Liberalismus hat sie in eine Dunkelheit und Entmutigung geleitet, die oft in Agnosticismus und stummer Verzweiflung endet.

Wahrer Liberalismus ist weder eine Reaktion gegen allen Glauben, noch eine Absorption aller Glauben. Erstlich ist er eine Disposition und eine Fähigkeit eine sympathetische und rücksichtsvolle Haltung zu bewahren und die Freiheit anderer zu achten, die man für sich selber beansprucht. Er erkennt die Mächtigkeit guter Elemente in jedem Glauben und diese betont und unterhält er. Er liebt die Wahrheit und freut sich über die Demonstrationen derselben, gleichviel wer sie bewirkt hat. Er vermeidet jede unerträgliche Meinung und verabscheut leichtfertige Kritik und die rücksichtslosen Verdrehungen einer selbstzufriedenen Dummheit. Er bemüht sich sein eigenes Amt praktisch zu beweisen und lieber durch erkannte Würde und Verdienst zu gewinnen als durch die Verunglimpfung und Verleumdung des Glaubens und der Werke anderer.

Bitte anmelden, um diese Seite anzuzeigen

Sie erlangen vollständigen Zugriff auf alle Herolde, wenn Sie mithilfe Ihres Abonnements auf die Druckausgabe des Herold ein Konto aktivieren oder wenn Sie ein Abonnement auf JSH-Online abschließen.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus diese Ausgabe / Februar 1906

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.