Das größte Übel, welches die menschliche Existenz heimsucht, ist die Furcht, und nur zu oft hört man den sterblichen Menschen mit den Worten Hiobs sagen: „Das ich gefürchtet habe, ist über mich kommen.” Das Kind der Erde ist durch seine Befürchtungen gefesselt und kennt keinen Ausweg. Der Mensch verliert niemals die eine große Furcht — die Todesfurcht — aus den Augen, die einen Schatten über seine ganze sterbliche Existenz wirft, und bewußt oder unbewußt wird er in allem, was er tut, durch dieselbe beeinflußt. Er fürchtet sich vor Krankheit und Leiden, vor Sünde und Versuchung; vor Fehlschlägen, Unglücksfällen und Not; vor Armut und ihren sie begleitenden Unbequemlichkeiten; vor dem Verlust seiner sozialen Stellung und der Schande, welche damit verbunden ist; vor zahllosen geringeren Übeln, welche das Herannahen des einen großen Übels beschleunigen; in einem Wort, er fürchtet sich vor der Furcht.
Selbst menschliche Weisheit erhebt ihre Stimme und sagt, „Fürchte dich nicht,” aber zur selben Zeit spricht sie für die Wirklichkeit der Dinge, die gefürchtet werden. Während sie das Feuer auszulöschen sucht, führt sie der Flamme neue Nahrung zu. So befindet sich der sterbliche Mensch in einer sonderbaren und unverständlichen Lage. Er muß einsehen, daß er durch die Furcht unfähig gemacht wird, daß er weniger im Stande ist, mit den Dingen zu kämpfen, die überwunden werden müssen, und daß er für sich selbst die Möglichkeit schafft, das zu erdulden, was er so sehr fürchtet. Einerseits wird ihm gesagt, daß er sich nicht fürchten soll, während andrerseits sehr viel Grund vorhanden scheint, warum er sich fürchten muß. So weit wie menschliche Kenntnis und Erfahrung in Betracht kommen, gibt es keinen Ausweg, und er mag dahin treiben, wohin ihn seine Furcht führt. Die Welt bedarf sehr etwas, was sie von ihrer Furcht erretten kann. Fast täglich werden neue Quellen der Gefahr angekündigt, und noch mehr Gründe hinzugefügt, um sich vor Dingen zu fürchten, die in der Vergangenheit befürchtet worden sind.
Durch die Lehre unseres Textbuches „Science and Health with Key to the Scriptures” von Mrs. Eddy, lernt man, daß die Furcht ein geistiger Zustand ist, ein negativer Zustand des Gedankens und nicht ein materielles Ding. Sie hat nicht ihren Ursprung in der Materie, wird nicht von der Materie unterstützt und kann nicht durch die Anwendung von irgend etwas Materiellem beseitigt oder vermindert werden. Ihre unmittelbare Ursache ist ein Glaube an die Wirklichkeit des Dinges, welches befürchtet wird. Man fürchtet das nicht, von dem man weiß, daß es nicht existiert, oder nicht existieren kann. Das, was der Mensch fürchtet, existiert entweder tatsächlich und hat die Macht, ihm zu schaden, oder er glaubt andrerseits, daß es ihm schaden kann. Wenn das erstere der Fall ist, kann er nicht von der Furcht befreit werden, wenn nicht das Gefürchtete seiner Existenz oder seiner Macht beraubt wird; aber wenn seine Furcht durch den Glauben an die Wirklichkeit und die Macht des gefürchteten Gegenstandes verursacht sein sollte, dann braucht er nur von diesem Glauben befreit zu werden. Verständnis allein kann die Wirkung beseitigen, die durch Unwissenheit hervorgebracht worden ist. Die ganze Gelehrsamkeit aller Zeiten, welche auf einen Glauben an die Wirklichkeit und Macht des Bösen in seinen verschiedenen Formen begründet ist, und die Praxis, die daraus entstanden ist, hat die menschliche Furcht nicht vermindern können. Würde es deshalb nicht weise sein, von dem entgegengesetzten Standpunkt aus zu arbeiten, selbst wenn es nichts mehr als ein Experiment zu sein scheint?
Man könnte darüber streiten, daß ein Mensch nicht ehrlich und konsequent die Wirklichkeit und Macht des Bösen verleugnen kann, wenn er nicht einen guten und genügenden Grund dafür hat; die menschliche Erfahrung hat ihm gelehrt, daß das Böse wirklich und mächtig ist, und es ist keine Kleinigkeit für einen Menschen, gegen das anzukämpfen, was er durch Erfahrung gelernt hat. Man könnte jedoch darauf erwidern, daß man wirklich nicht aus Erfahrung lernt, wenn man nicht fähig ist, das Wirkliche von dem Unwirklichen zu unterscheiden.
Es ist nicht unser Zweck irgend welche Argumente darzubieten, mögen sie nun neu oder alt sein, um die Unwirklichkeit des Bösen zu beweisen. Wir möchten einfach sagen, daß es wenigstens die Autorität der Heiligen Schrift gibt, um seine Wirklichkeit zu verleugnen, und daß solch eine Autorität für jemand, dem es nicht gelungen ist, die Furcht zu überwinden, während er an die Wirklichkeit des Bösen glaubte, ein genügender Grund ist, es zu tun. Das wird eine Grundlage zur Arbeit geben, und der Forscher nach der Wahrheit kann es für sich selbst beweisen, ob die Resultate dieser Praxis gut oder böse sind.
Die Bibel lehrt deutlich, daß es nur einen Gott gibt. „Der Herr Gott ist oben im Himmel und unten auf Erden und keiner mehr.” Im ersten Buch Mose lesen wir: „Und Gott sah an, alles, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut. ... Also ward vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer.” In dem Evangelium Johannes ist die ausdrückliche Erklärung: „Alle Dinge sind durch dasselbige gemacht, und ohne dasselbige ist nichts gemacht, was gemacht ist.” Die einzig logische Schlußfolgerung, welche erreicht werden kann, wenn diese Behauptungen der Bibel als wahr angenommen werden, ist, daß alles, was Gott erschafft, gut ist; und da Er der einzige Gott ist, die einzige Ursache, und der einzige Schöpfer, so ist das, was Er nicht erschuf, nicht erschaffen worden und existiert in Wirklichkeit nicht. Wenn es nicht existiert, so hat es keine Macht. Das, was gut ist, braucht nicht gefürchtet zu werden; das, was nicht gut ist, hat keine Wirklichkeit, keine Macht hinter sich, und es gibt keinen Grund, es zu fürchten. Deshalb gibt es in Wirklichkeit keinen Grund zur Furcht.
Wenn jemand von Befürchtungen heimgesucht wird, so laß ihn stille halten und erinnere ihn daran, daß Gott die einzige Ursache und der einzige Schöpfer ist, und daß Er „kein Übel und keine Sünde auf den Menschen herabsendet” (Science and Health, S. 140), daß Er „nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens” ist, daß von Ihm alle gute und vollkommene Gabe kommt, daß Er „die Person nicht ansiehet,” was Er für den einen ist, das ist Er für alle, daß es Sein Wohlgefallen ist, das Reich der universellen und ewigen Harmonie allen Seinen Kindern zu geben, daß Gott die Liebe, die einzige Macht und Gegenwart ist. Laß ihn, wenn er sich das so überlegt, gegen alle Argumente des Irrtums taub sein, und seine Furcht wird abnehmen. Alle Furcht mag nicht auf einmal zerstreut sein, aber er wird sich verwirklichen, daß in dem Maße, in dem sein Glaube an die Wirklichkeit und an die Macht des Bösen zerstört wird, seine Furcht vor demselben überwunden wird.
Es ist jedem aufrichtigen Schüler möglich, die Wahrheit der Christian Science zu beweisen. Eine überwundene Furcht macht die Überwindung andrer möglich. Wenn man gelernt hat, daß die Unwirklichkeit und Machtlosigkeit des Bösen bewiesen werden kann, dadurch daß man versteht und erklärt, daß Gott Ein und Alles ist, so wird man sehen, daß die Ursache der Furcht ein Glaube an die Macht und Wirklichkeit des Gegenstandes ist, den man fürchtet. Das Heilmittel ist, die Wahrheit über Gott und Seine Schöpfung, einschließlich des Menschen zu wissen. Wenn das menschliche Bewußtsein so mit dem geistigen Verständnis erfüllt ist, daß es keine bewußte oder unbewußte Furcht gibt, dann verliert das Böse seine anscheinende Macht; wenn die angegebene Ursache der Furcht klar erkannt wird, dann ist die Heilung nahe. Die Axt ist an die Wurzel des Baumes gelegt worden, und die Menschen haben angefangen, ihre Erlösung zu schaffen, in der Art und Weise, wie sie von unserm Herrn gelehrt und demonstriert worden ist.