Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Die Beziehung Gottes zum Leiden.

Aus der Mai 1909-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Einem Zeitungsbericht zufolge äußerte sich der Dekan einer großen protestantischen Kirche neulich wie folgt: „Es war nie Gottes Absicht, daß Seine Menschen von den Leiden des Fleisches frei sein sollten. Krankheiten wie auch alle anderen Disziplinarmittel müssen als Methoden zur geistigen Erziehung angesehen werden.” Diese Ansicht steht in überraschendem Gegensatz zu dem Wort des Herrn an unsere Väter: „Ich will alle Krankheit von dir wenden,” sowie zu dem ausdrücklichen Befehl Christi Jesu an seine Jünger: „Machet die Kranken gesund, reiniget die Aussätzigen, wecket die Toten auf, treibet die Teufel aus.”

Wenn wir uns der unzähligen Verheißungen der Bibel erinnern, dahinlautend, daß diejenigen, welche Gottes Herrschaft anerkennen, gesund sein sollen; wenn wir bedenken wie Jesus diese Verheißungen bestätigte, indem er die Leute fortwährend von allerlei Seuchen und Krankheiten heilte; wenn wir lesen, wie das Volk zu Tausenden mit Leidenden und Kranken zu ihm kam und wie er diese der öfteren ausdrücklichen Aussage nach alle heilte; und wenn wir dann andererseits finden, daß diejenigen, welche als Diener Christi bekannt sind, im wesentlichen erklären, der Meister habe durch seine segensreiche Tätigkeit die göttlichen Absichten vereitelt, indem er den Empfängern seiner Segnungen die „Methode zur geistigen Erziehung” entzog, so stehen wir gewiß vor einem ungeheuren Widerspruch.

Ein jeder, der frei genug ist von der Herrschaft der Dogmen, um selbständig denken zu können, muß einsehen, daß wenn Gott Krankheit als eine „Methode zur geistigen Erziehung” verordnet hätte, Christus Jesus den Kranken nicht hätte diese von Gott verordnete „Disziplin” entziehen können, ohne in die Absichten und Pläne des Vaters störend einzugreifen, und daß er gewiß unrecht tat, wenn er sich wissentlich dem göttlichen Rechtsgang widersetzte. Entweder handelte er im Einklang mit dem göttlichen Willen, oder er wirkte demselben entgegen. Diejenigen, die mit dem Dekan denken, Krankheit gehöre zu einem normalen, christlichen Leben, und die dann weiter annehmen, Jesus habe in allen seinen Taten dem göttlichen Gesetz gemäß gehandelt, wie er selbst ausdrücklich erklärte, befinden sich wahrlich in einem bodenlosen Strudel von Widersprüchen.

Wenn man z. B. sieht, wie Säuglinge leiden müssen, oder wie Erwachsene mit ererbten Krankheiten behaftet sind, so wird es äußerst schwierig, solche unverdiente Leiden mit der göttlichen Liebe, die angeblich für solche Zustände verantwortlich ist, in Einklang zu bringen. Deshalb lassen jetzt viele Verteidiger der althergebrachten Theologie diesen Punkt links liegen und betonen den praktischen Gewinn, der dadurch entstehe, daß man den erziehlichen Wert der Gebrechen des Lebens anerkennt. So sagte z. B. eine Autorin neulich (Caroline Stephen im „Hibdert Journal“ vom Oktober 1908): „Die Frage ist nicht, ob das Auferlegen von Pein moralisch zu rechtfertigen sei, sondern ob uns das Ertragen derselben moralisch vorteilhaft gemacht werden könne.” „Im wesentlichen dreht sich die ganze Frage um den moralischen und geistigen Einfluß der richtig verwerteten Pein.”

Wenn nun Pein der göttlichen Verordnung nach dem christlichen Leben angehört, dann ist es offenbar weise gehandelt, sie mutig zu ertragen und die negativen Tugenden — Geduld, Ausdauer usw. — so treu als möglich zu üben. Wiederum aber finden wir uns der Frage gegenüber, warum Christus Jesus, der sich dem geistigen Wohl der Menschheit widmete, in die Disziplin, welche Gott angeblich zu demselben Zweck auferlegt, störend eingreifen durfte. Ferner wird die Gerechtigkeit dieser angeblichen Disziplinarmittel noch fraglicher, wenn man bedenkt, daß die Verteilung von Leiden und Krankheiten oft in einer Weise geschieht, die sehr wenig Rücksicht nimmt auf die Schuld oder Unschuld des Disziplinierten. Daß eine fromme und gottesfürchtige Mutter für den Rest ihres Lebens leiden muß, weil sie die angeblich höchste Pflicht eines Weibes durch die Geburt von Kindern erfüllt hat, ist sehr ungerecht, und ihre Neigung, das, was sie als göttliche Fügung anzusehen gelernt hat, geduldig zu ertragen, vermindert in keiner Weise die Grausamkeit des Unrechts. Der Psalmist sagt: „Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und deine Zuversicht wird sein unter seinen Flügeln”; und im Gleichnis vom guten Hirten lehrt Jesus unzweideutig, daß der himmlische Vater alle gehorsamen Seelen sanft und liebevoll leitet, und sie nicht in grausamer Weise mit einem Stachelstock vorwärtstreibt.

Diese Philosophie des Leidens steht ferner sehr im Widerspruch mit dem Verfahren derjenigen, die für sie eintreten, denn wenn solche Leute krank werden, sparen sie weder Mühe noch Geld, dem, was sie göttliche Disziplin nennen, zu entrinnen. Wenn sie halbwegs folgerichtig handelten, würden sie sich dem „Willen Gottes” ergeben und ihre Krankheit als Teil einer notwendigen Erfahrung annehmen; sie würden es für feige, ja für höchst gefährlich halten, dieser Erfahrung zu entgehen. Wenn ein Mensch, der in seinem Elend unter der Disziplin der unendlichen Weisheit und Liebe zu stehen glaubt, irgend etwas tut, um seinem Leiden zu entrinnen, so widersetzt er sich dadurch offenbar dem göttlichen Willen und gibt sich geistig dem Verderben preis. Es ist in dieser wie auch in vieler anderer Hinsicht wahr, daß ein Versuch, Gegensätze zu vereinigen, nämlich den unendlich liebenden Geist mit einer ungerechten Ordnung der materiellen Welt in Übereinstimmung zu bringen, nur dazu beitragen kann, das moralische Unterscheidungsvermögen zu vernichten und den Menschen zu der Überzeugung jenes Brahminen zu bringen, welcher erklärte: „Eine Wesenheit ist das Böse und das Gute.” Diese Lehre ist dem Sinn der Bibel direkt entgegengesetzt und wird durch die Taten Jesu sowie durch die in der Christian Science bewirkten Heilungen als unwahr befunden.

Fortschritt im geistigen Leben ist gleichbedeutend mit Überwinden und Wachstum. Ein Christian Scientist findet reichlich Gelegenheit, geduldig zu sein und manche Dinge mutig zu ertragen, bis die Probleme der menschlichen Sinne und des menschlichen Leidens gelöst sind. In seinem Kampf ermutigt und stärkt ihn jedoch die Überzeugung, daß er das göttliche Gesetz auf seiner Seite hat und daß er seine natürliche Freiheit von allen Ansprüchen der Sünde, der Krankheit und des Todes in dem Maße wiedererhält, wie er die Wahrheit des Seins verstehen lernt und seine Stellung im Plan der göttlichen Liebe findet. Als Botschafter Christi und mit der Weiterführung der Werke des Meisters beauftragt, findet jeder Christ genug Versuchung zu überwinden, genug menschliche Übelstände zu berichtigen. Er hat dazu eine nie versagende Gesundheit und Kraft nötig, wie auch Jesus die Gesundheit und Freiheit, die stets sein eigen waren, nötig hatte und allen denen reichlich mitteilte, die sich seinem heilenden und erlösenden Verständnis der Wahrheit hingaben.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Mai 1909

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.